Am Rednerpult geben sie sich besorgt, spielen die Kümmererkarte. Aber in ihren Anträgen stecken Ausgrenzung, Spaltung und Ausländerhass. Die Rede ist von den AfD-Funktionären im Land und auch in Leipzig, die immer wieder mit Anträgen in den Parlamenten glänzen, die selbst von Inhalt her völlig sinnfrei sind. Und die Ausgrenzung dann offen im Text tragen. So wie der Antrag „Begrüßungsgeld für Neugeborene in Leipzig“. Doch Neugeborene sind in der Welt der AfD nicht gleich Neugeborene.

Auch wenn das in der Rede von AfD-Stadtrat Marius Beyer so klang, der sich über die Entwicklungsphasen der Kinder ausließ, als wäre er selbst schon mal Vater geworden. Aber im Antrag ging es überhaupt nicht um die Sorge der Eltern oder die Funktion eines Begrüßungsgeldes, wie es diese etwa in Zwickau hat.

Denn Leipzig leidet überhaupt nicht – anders als die meisten sächsischen Städte – unter fehlendem Zuzug. Im Gegenteil: Junge Familie finden in der Stadt kaum noch bezahlbare Wohnungen. Daran würde auch ein Begrüßungsgeld von 100 oder 500 Euro pro Baby etwas ändern. Auch 1.000 Euro nicht.

Aber lang und breit ließ sich Beyer auch noch über die Vorsorgeuntersuchungen für Kleinkinder aus, die junge Eltern in einem eng gefassten Terminrahmen mitnehmen müssten.

Doch anders als Beyer suggerierte, nehmen die jungen Eltern die Vorsorgeuntersuchungen nicht aus Schlamperei nicht wahr und gefährden damit die Entwicklung ihrer Kinder, sondern es fehlt in Leipzig schlicht an Kinderärzt/-innen, wie Grünen-Stadträtin Katharine Krefft in einer durchaus geharnischten Gegenrede darlegte.

Aber auf die Besetzung der Stadt mit Kinderärzten habe Leipzig keinen Einfluss. Mit dem Ergebnis, dass hunderte Eltern immer wieder vergeblich auf der Suche nach freien Terminen in Kinderarztpraxen sind.

Wenn die AfD Babys sortiert

Aber es war ein anderer Punkt, der Krefft zu recht richtig sauer machte. Denn erst am Vortag, am 18. September, hatten alle Stadträtinnen und Stadträte der neu gewählten Ratsversammlung im Alten Rathaus einen Eid darauf abgelegt, sich das Wohl aller Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt zur Aufgabe zu machen. Auch die AfD-Stadträte.

Doch schon im ersten Beschlusspunkt des Antrags hebelte die AfD-Fraktion diese Verpflichtung aus. Denn das Begrüßungsgeld sollten gar nicht alle Neugeborenen bekommen, sondern nur „Neugeborene mit Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedsstaates bzw. assoziierten Staates und Hauptwohnsitz“. Das ist zwar alles verklausuliert – aber die Botschaft ist klar: Insbesondere Kinder von Asylsuchenden sollten das Begrüßungsgeld nicht bekommen.

Und auch das Amt für Jugend und Familie hatte deutlich auf die Inakzeptabilität der Unterscheidung der Neugeborenen nach Herkunft hingewiesen: „Weiterhin erfolgt hier eine Ungleichbehandlung zu Kindern, die nicht die genannten Staatsangehörigkeiten besitzen. Auch wenn zu dieser Frage keine einschlägige Rechtsprechung existiert, ist ein Rechtsfertigungsgrund für eine unterschiedliche Behandlung von deutschen/europäischen und anderen ausländischen Familien, die Leipziger Einwohnende sind, nicht ersichtlich.

Sinn und Zweck der Gewährung eines Begrüßungsgeldes ist in der Regel die Positionierung einer Gemeinde als familienfreundliche Kommune, ein identitätsstiftender Ausdruck der Verbundenheit mit den Einwohnenden, die Gewinnung neuer Einwohnerinnen und Einwohner durch vermehrten Zuzug von angehenden Familien und letztlich auch die Gewinnung von Einnahmen im Wege des Finanzausgleichs, der auf die Anzahl von Einwohnenden mit Hauptwohnsitz abstellt.

Vor diesem Hintergrund ist entscheidendes Kriterium die Frage, ob jemand Einwohnerin oder Einwohner mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde ist. Hingegen ist die Frage der Staatsangehörigkeit kein entscheidendes Differenzkriterium, das eine Ungleichbehandlung in grundsätzlicher Weise rechtfertigen könnte.“

Zwei Neufassungen, keine besser

Es vergeht im Grunde kein AfD-Antrag, in dem die zutiefst rassistische Partei nicht versucht, ihre Erzählung von den gefährlichen Ausländern unterzubringen, die in den Reden dieser Partei an allen Problemen des Ostens schuld seien. Sie verkündet das Bild einer homogenen „Volksgemeinschaft“, die es so gar nicht gibt. Und die mit einem wirtschaftlichen Kollaps enden würde, wenn dieser Partei jemals die Macht dazu erlangen würde, ihre Vertreibungspläne umzusetzen.

Dass die Leipziger AfD-Fraktion jetzt auch noch Babys vorschiebt, um ihr verqueres Denken in Anträge zu gießen, war nur zu erwartbar. Auch wenn die Fraktion zweimal an ihrem Antrag herumbasteln musste, weil er schon in den beiden ersten Fassungen keinen Sinn ergab.

Das tat er auch in der dritten Fassung mit der Kopplung an die Vorsorgeuntersuchungen nicht, sondern zeigte nur, dass die AfD von den tatsächlichen Ursachen bestehender Probleme keine Ahnung hat. Es auch gar nicht wissen will, weil es ihr nun einmal nur um die Verbreitung völkischer Narrative geht.

Die geharnischte Rede von Katharina Krefft war also dringend notwendig an dieser Stelle.

Und auch wenn Beyer meinte, eine Extra-Abstimmung von Punkt 3 („Die Stadtverwaltung prüft zusätzlich die Einführung weiterer Anreize zur Teilnahme an allen U-Untersuchungen“) würde den Antrag in irgendeiner Weise retten, ging er am 19. September in Gänze unter. Der Punkt 3 bekam 12:44 Stimmen bei sieben Enthaltungen, der Rest des Antrags kam mit 12:43 Stimmen bei sieben Enthaltungen nicht besser weg.

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