Der Umgang mit der Bezahlkarte für Geflüchtete zeigt, was passiert, wenn eine rechtsextreme Partei wie die AfD seit Jahren schafft, das Land mit dem Thema Migration in Dauerpanik zu versetzen. Und statt gegenzuhalten und für bessere Abläufe zu sorgen, verstärken die konservativen Parteien das Gelärme und haben Druck gemacht, dass Geflüchtete in Deutschland nun Bezahlkarten bekommen sollen. Auch in Leipzig wird das ab November so.

Und Oberbürgermeister Burkhard Jung weiß jetzt schon, dass das den Arbeitsaufwand für die Verwaltung massiv erhöhen wird. Denn das ist eben einmal die Folge von verschärfter Kontrolle und Gängelei: Dazu braucht man mehr Personal. Ändern wird sich aber an der Migration gar nichts.

Auch wenn CDU-Stadtrat Michael Weickert am 21. August in der Ratsversammlung genau so argumentierte. Und damit letztlich zeigte, dass die CDU nur die Argumente der Rechtsradikalen nachplappert.

Wenn das Denken erst einmal im Kopf sitzt, man müsse Menschen, die aus Kriegsländern wie Syrien nach Deutschland geflüchtet sind, nur mit immer mehr Gängelei das Leben sauer machen, dann würden sie eben nicht nach Deutschland kommen, dann scheint alles – in der Logik der Abschieber und Grenzen-dicht-Macher – ganz logisch. Dann nimmt man ihnen die Möglichkeit der Bargeldabhebung oder schränkt die auf 15 Euro ein – und schon bleiben sie weg.

Im Grunde machte Michael Weickert mit seiner vorwurfsvollen Rede deutlich, wie sehr die CDU schon lange den Argumenten der deutschen Rechtsradikalen in Blau auf den Leim gegangen ist. Die müssen sich da gar nicht mehr melden, denn die Bezahlkarte ist ihr Erfolg. Einer der kleinen Schritte, mit denen das Asylrecht in Deutschland immer weiter aufgeweicht wird und Flüchtlinge diskriminiert werden.

Auch bei der Bezahlkarte geht es nur um Wahlkampf

Statt endlich die Integration zu verbessern. Denn auch Sachsen hat ein massives demografisches Problem, wie Linke-Stadträtin Juliane Nagel feststellte, die den neu gefassten Antrag der Linksfraktion zur Bezahlkarte einführte. Denn eigentlich will die Stadtratsmehrheit keine Bezahlkarte. Oberbürgermeister Burkhard Jung übrigens auch nicht. Das betonte er selbst am 21. August, denn die aktuelle Lösung sei die für die Verwaltung die praktikabelste.

Und an den eigentlichen Gründen der Migration werde die Einführung der Bezahlkarte gar nichts ändern. Da sei er sich sicher. Und das brachte auch FDP-Stadtrat Sven Morlok sehr schön auf den Punkt, der letztlich sehr deutlich sagte, warum von konservativer Seite derart Druck gemacht wurde, um die Bezahlkarte einzuführen. Da ginge es nämlich gar nicht um die Menschen, die seien auch Weickert völlig egal. Es ginge nur darum, die Stimmung der Wähler zu beeinflussen, also irgendwie Lorbeeren für den Wahlkampf zu sammeln.

Was aber mehr als dumm ist. Denn alle Verschärfungen für Asylsuchende bedeuten Wasser auf die Mühlen der Rechtsradikalen. Die können sich – wie am 21. August – einfach zurücklehnen und genießen, wie ihre schwarze Saat aufgeht. Wer auf die verdrehte Argumentation der Rechtsradikalen eingeht, der löst die Probleme nicht. Sondern sorgt dafür, dass deren boshaftes Bild vom „Ausländer“ sich immer mehr in den Köpfen der Menschen festsetzt. Die Bezahlkarte bestätigt dieses Bild.

Die Stadt darf das nicht entscheiden

Juliane Nagel hatte die falsche Logik in ihren Redebeitrag deutlich auf den Punkt gebracht: „In der Debatte um Bezahlkarten wird gern behauptet, dass Sozialleistungen Geflüchtete nach Deutschland ziehen würden, also Pullfaktoren wären. Der Blick auf die Leistungssätze nach Asylbewerberleistungsgesetz, um die es dabei geht, zeigt, dass das Unfug ist. Vielmehr erleben viele Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, jahrelange Unsicherheit im Asylverfahren auf dem Abstellgleis Asylunterkunft, erleben Einschränkungen bei der Gesundheitsversorgung sowie Alltagsrassismus.

Es gibt keinerlei empirische Belege über die Wirkung von Bargeld oder mickrigen Asylbewerberleistungen pro Monat als Pull-Faktor. Es ist ein reiner Mythos, der immer wieder durch die Manege getrieben wird. Es gibt vielmehr Pushfaktoren, und das sind Krieg, Gewalt und Not.“

Nur war der Frust natürlich bei der Antragsstellerin recht groß, als die Verwaltung in ihrer Stellungnahme dann deutlich machte, dass der Stadtrat von Leipzig kein Mitspracherecht bei der Einführung oder Nichteinführung der Bezahlkarte habe. Denn die Entscheidung darüber trifft der Freistaat.

Und dem ist herzlich egal, was die Städte sich wünschen. Obwohl Leipzig mit den anderen kreisfreien Städten zusammen versucht hat, das Thema abzubiegen. Und auch weiter versucht, eine möglichst soziale Lösung für die Bezahlkarte zu finden, wie Sozialbürgermeisterin Martina Münch betont.

Zum Beispiel die im Linke-Antrag erwähnte Variante aus Hannover: „Eine Alternative würde die ‚SocialCard‘ bieten, wie sie in der Stadt Hannover eingeführt wurde. Mit dieser Karte können die Berechtigten frei über die Verwendung ihres Guthabens inklusive Bargeldabhebung entscheiden, die Karte bietet aber eine Vereinfachung der Verwaltungsprozesse. Mit dem Antrag wollen wir erreichen, dass die Stadt Leipzig alle Wege nutzt, um die Option zum Ausstieg aus dem derzeit auch für Sachsen beabsichtigten Modell zu ermöglichen.“

Ein Antrag als Ersuchen

Eine Variante, die Martina Münch unbedingt unterstützenswert finde. Doch der Stadtrat kann das nicht beschließen, betonte der Verwaltungsstandpunkt: „Der Oberbürgermeister ist in Auftragsangelegenheiten vollständig dem Weisungsrecht der zuständigen Behörde des Freistaates unterworfen. Er bzw. die Stadtverwaltung kann daher einen Beschluss des Stadtrates keinesfalls als Erwägung im Ermessensfall heranziehen.

In gebundenen Entscheidungen zählt allein die rechtliche Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen, dabei ist für die Berücksichtigung politischer Meinungen in der Regel kein Raum. Wird dem Oberbürgermeister eine Weisung durch die übergeordnete Behörde erteilt, muss er diese befolgen und kann sich nicht auf eine entgegenstehende Stellungnahme des Stadtrates berufen.“

Weshalb die Linksfraktion ihren Antrag schon so umformuliert hat, dass der Oberbürgermeister ersucht wird, „gegenüber der Bundes- und Landesregierung und in den Gremien des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sowie des Sächsischen Städte- und Gemeindetages darauf hinzuwirken, dass Kommunen selbst über die Teilnahme an einem möglichen Modell einer Bezahlkarte für Geflüchtete entscheiden können.“

Nur wenn es auf Bundes- und Landesebene Regelungen gibt, dass die Kommunen Ermessensspielräume bekommen, hat der Stadtrat überhaupt eine Handlungsoption.

Aber die ganze Debatte machte letztlich deutlich, wie sehr es bei der Einführung der Bezahlkarte nur um „Kontrolle und Kleinhalten“ (Juliane Nagel) geht, nicht um eine bessere und vor allem schnellere Integration von geflüchteten Menschen, die oft jahrelang in Antragsverfahren festhängen und nicht arbeiten dürfen. Und damit auch als Fachkräfte fehlen in einem Land, das schon lange ein massives demografisches Problem hat. Darauf wies Juliane Nagel ja hin.

So gesehen war es trotzdem eher ein symbolischer Beschluss, den die Ratsversammlung am 21. August treffen konnte. Eine Mehrheit von 34 : 28 der Ratsmitglieder unterstützten den Antrag der Linken, einer enthielt sich der Stimme. Aber das war nicht OBM Burkhard Jung, dem es gut angestanden hätte, sich wenigstens diesmal der Stimme zu enthalten. Denn verbal unterstützte er das Anliegen ja. Da stimmt man dann als OBM nicht dagegen.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar