Ob Leipzig eine Abrahamitische Schule bekommt, ist noch offen, denn dazu braucht es rührige Schulgründer, die das Projekt tatsächlich auf die Beine stellen. Beschlossen hat die Ratsversammlung am 21. August lediglich: „Die Stadt Leipzig befürwortet die Einrichtung einer Abrahamitischen Schule. Die Stadt Leipzig unterstützt die Suche nach Schulgemeinschaften oder Schulträgern freier Schulen, die ihre Schule zur Drei-Religionen-Schule entwickeln wollen, über ihre Kommunikationsmöglichkeiten und ihre Gremienarbeit.“

Die Idee hat vor allem CDU-Stadtrat Karsten Albrecht seit über zwei Jahren beschäftigt. Er hat andere Fraktionen mit ins Boot geholt – sogar die Linksfraktion, die ja eher für Konfessionslosigkeit bekannt ist. Die Kirchen sind mit im Boot, die Jüdische Gemeinde sowieso. Und das Besondere: auch die muslimische Gemeinschaft. „Das“, so Albrecht, „war der besondere Wunsch der Jüdischen Gemeinde.“

Denn das Abrahamitische bezieht sich natürlich auf den Urvater der jüdischen Religion Abraham. Und damit auf die gemeinsame Wurzel aller drei monotheistischen Religionen, die sich heute scheinbar völlig verfeindet gegenüber stehen.

Was aber nicht stimmt. Auch wenn sich die beiden Redner der rechtsextremen AfD Roland Ulbrich und Tobias Keller wieder alle Mühe gaben, das verdrehte Weltbild ihrer Partei als Wirklichkeit darzustellen. Zwei exemplarische Wortmeldungen, wie die AfD die Wirklichkeit verdreht, verzerrt und alles dafür tut, Zwietracht zu säen und Hass.

Worauf dann – diesmal ziemlich deutlich – SPD-Stadtrat Christopher Zenker hinwies. Es ist ein Zerrbild vom Islam, das Leute wie Ulbrich propagieren. Und es hat nichts mit der Wirklichkeit in Leipzigs Schulen zu tun, wovon Linke-Stadtrat Marco Götze als Lehrer aus eigener Erfahrung erzählen konnte. Die muslimischen Jungen in seinen Klassen hätten nichts mit dem Bild zu tun, das die AfD permanent von „kriminellen Muslimen“ malt, um die Menschen gegeneinander aufzuhetzen und die Angst zu schüren.

Es geht um Kennenlernen und Akzeptanz

Dabei zielt die Idee einer Abrahamitschen Schule genau auf das, was die AfD hasst und zerstören will: Verständigung, Kennenlernen und Akzeptanz. „Es ist ein Ort, wo die Schüler Akzeptanz lernen können“, hatte Albrecht gesagt. „Akzeptanz ist nicht Toleranz.“

Denn akzeptieren und als gleichwertigen Menschen verstehen kann man den Anderen nur, wenn man bereit ist, ihn kennenzulernen. Und in diesem Fall auch seine Religion.

Wobei Ulbrich auch hier Unfug erzählte: Das sächsische Schulgesetz untersagt nämlich nicht, dass in den Schulen auch Religion vermittelt wird. Im Gegenteil: Es gewährt diese Freiheit ausdrücklich. Ein Punkt, auf den Christopher Zenker deutlich hinwies. Auch mit Hinweis auf die Unterdrückung der Christen in der DDR. Eigentlich versuchte er mit dem Hinweis den bekennenden Christen Tobias Keller mit ins Boot zu holen. Aber der begriff augenscheinlich nicht einmal, dass das eine Handreichung war.

Stattdessen unterstellte er der ganzen Schulgründung Antisemitismus. Gründlicher kann sich die Verdrehung der Wirklichkeit in der Argumentation der AfD gar nicht zeigen: Ausgerechnet der Jüdischen Gemeinde, die zu den Initiatoren dieser Schulidee gehört, Antisemitismus vorzuwerfen. Scheinheiliger geht es kaum noch.

Oder für Kenner von George Orwell: Das ist Neusprech, die Verzerrung der Wirklichkeit durch die Verdrehung der Sprache.

Wie gründet man so eine Schule?

Die Frage ist tatsächlich: Wer gründet jetzt so eine Schule? Denn die Stadt selbst wird es nicht tun. Das Schuldezernat hat in seiner Stellungnahme mehrere Varianten aufgeführt, wie es passieren könnte.

„Um ein Schulkonzept für eine Drei-Religionen-Schule nachhaltig tragfähig zu etablieren, ist es aus Sicht der Stadt Leipzig unabdingbar, dieses aus der Schulgemeinschaft heraus zu entwickeln und auszugestalten. Es wird daher nicht als zielführend erachtet, ein Konzept durch die Stadt Leipzig ohne eine Schulgemeinschaft oder über diese hinweg zu erarbeiten. Das Schulprogramm muss zwingend an den Akteuren und Belangen der Schulgemeinschaft sowie auf die Herausforderungen und Rahmenbedingungen der Schule ausgerichtet sein“, fasst das Dezernat diese Grundbedingung zusammen.

„In einem auf Konsensbildung ausgerichteten Prozess ist auszuhandeln, welches ‚Gesicht‘ die Schule langfristig entwickeln wird, wie sie sich profilieren möchte und mit welcher didaktischen Herangehensweise. Vor diesem Hintergrund werden durch die Stadt Leipzig, ergänzend zu den Aktivitäten der Politik und der Religionsgemeinschaften, in erster Linie bestehende Grundschulen und freie Schulträger angesprochen, um auf das Bestreben laut Antrag aufmerksam zu machen.“

Wobei das Modell der konfessionellen Schule ja in Leipzig nicht unbekannt ist – man denke nur an das Evangelische Schulzentrum.

Aber auch andere Ansatzpunkte sind möglich, so das Schuldezernat: „Sollte die Umsetzung des trialogischen Schulkonzeptes durch eine Schule in freier Trägerschaft aufgegriffen werden, unterstützt die Stadt Leipzig mit Kontakten zu anderen relevanten Stellen der Stadtverwaltung, der Prüfung temporärer (ein bis zwei Jahre) Lösungen der Unterbringung von Klassen in kommunalen Schulen sowie der Grundstücks- bzw. Flächensuche. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Stadt Leipzig selbst auch Flächen für Interime und Auslagerungsstandorte benötigt, um ihre Sanierungsstrategie für Schulbauten zu erfüllen.

Sollte die Schule nach dem Gesetz für Schulen in freier Trägerschaft anerkannt und neu gebaut werden, dann wäre der Neubau der Schule bzw. die Sanierung von bereits vorhandenen Objekten über das Förderprogramm Schulinfrastrukturverordnung (SchulInfraVO) bis zu einer maximalen Quote von 60 % der förderfähigen Ausgaben denkbar. Auch eine Förderung über die städtische Förderrichtlinie Schulplätze (FRL Schulplätze) wäre für die Schule in freier Trägerschaft möglich.“

Da die Verwaltung die wesentlichen Punkte des gemeinsam von der Fraktionen von CDU, SPD und Linken und Stadträten der FDP gestellten Antrags zum Inhalt ihrer eigenen Vorlage gemacht hatte, stellte Karsten Albrecht diese Verwaltungsvorlage zur Abstimmung – ergänzt um den Punkt „Es werden muslimische, jüdische und christliche Religionsräume/Andachtsräume und einen Raum der Stille für weitere Religionsgemeinschaften und Konfessionslose eingeplant.“

Und in der Abstimmung wurde dann mehr als deutlich, wer im Leipziger Stadtrat für Verständigung und friedliches Miteinander ist, und wer einfach nur Streit und Zwietracht im Sinn hat. Der Antrag in Form der Verwaltungsvorlage wurde mit 48:8 Stimmen bei drei Enthaltungen angenommen.

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