Sachsen leidet längst an einem veritablen Fachkräftemangel. Was bei einem Drittel der Wählerschaft immer noch nicht den Groschen hat fallen lassen, dass das Land ohne Zuwanderung schlichtweg nicht mehr zukunftsfähig ist. Doch vor der Zuwanderung steht heute schon eine dicht gemauerte Bürokratie in den Ausländerbehörden. Aber die haben längst ein weiteres Problem. Überraschung: Es fehlt an Fachkräften für das Ausländerrecht. Auch in Leipzig.

Und so werden die Haushaltsvorlagen aus der Verwaltung zur „Fachkräfteeinwanderung und Einbürgerung“ langsam zu einer langen Leine von Nachfolgeanträgen, die das Dilemma immer deutlicher zeichnen. Denn der Markt für Fachkräfte im Ausländerrecht ist ebenfalls abgegrast. Und eine Gesetzesänderung zum Jahresbeginn hat die Lage auch noch verschärft.

„In den kommenden Monaten sind zwei Gesetzesänderungen zu erwarten, welche die Arbeit der Ausländerbehörde und des Standesamtes, Bereich Familienstandsklärung, signifikant beeinflussen werden. Der Bundestag hat am 23.06.2023 das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung beschlossen, zudem plant die Bundesregierung, eine Reform im Staatsangehörigkeitsrecht (Einbürgerung) auf den Weg zu bringen.

Das Sächsische Staatsministerium des Innern geht davon aus, dass die Gesetze nach der Verkündung kurzfristig in Kraft treten werden – so wie es auch beim Chancen-Aufenthaltsrecht war. Die Vorlage zeigt die Bedarfe an Stellen der Ausländerbehörde und des Standesamtes auf“, stellte die Verwaltung noch im vergangenen Jahr fest.

Eigentlich eine Entwicklung, die selbst die Wirtschaft begrüßen dürfte, weil sie so wenigstens ein paar Löcher in ihrem Personalbedarf stopfen könnte.

Aber darauf waren die Ausländerbehörden personell gar nicht vorbereitet. Weshalb die Verwaltung darüber informierte: „Für die Umsetzung des Gesetzes zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts werden im Ordnungsamt ab 01.01.2024 zusätzlich 20 VzÄ in Übereinstimmung mit § 77 Abs. 3 Nr. 7 SächsGemO unterjährig in den Stellenplan aufgenommen.“

Und nicht nur um diese 20 zusätzlichen Stellen ging es. „Für die Umsetzung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung werden im Ordnungsamt ab 01.01.2024 zusätzlich fünf VzÄ in Übereinstimmung mit § 77 Abs. 3 Nr. 7 SächsGemO unterjährig in den Stellenplan aufgenommen.“

Da hoffte die Verwaltung noch, sie würde die Mehrarbeit tatsächlich noch mit mehr Personal aufgefangen bekommen, nachdem sie schon Ende 2022 in der Ratsversammlung heftige Kritik aus den Ratsfraktionen einstecken musste, weil sich die Einbürgerungsanträge schon damals in der Ausländerbehörde stapelten.

Vertrauen ist gut, Bürokratie ist besser

Womit Leipzig nicht allein war. In den vergangenen 33 Jahren wurde das Ausländerrecht derart bürokratisch aufgeladen und mit immer mehr Schikanen versehen, dass sich praktisch in allen Ausländerbehörden der Republik die Anträge stapeln und die Sachbearbeiter/-innen mit der Abarbeitung schon lange nicht mehr hinterherkommen.

Und dann endlich die zwei überfälligen Gesetze, die der Bundestag beschloss, auf die Leipzig tatsächlich glaubte, sich vorbereiten zu können.

„Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung wurde am 23.06.2023 vom Bundestag beschlossen und am 19.01.2024 mit dem Staatsangehörigkeitsmodernisierungsgesetz eine Reform im Staatsangehörigkeitsrecht (Einbürgerung) verabschiedet. Beide Gesetze werden zu einem deutlichen Anstieg der Fallzahlen führen, im Fall des Einbürgerungsrechts sogar sprunghaft, da mit Inkrafttreten des Gesetzes eine große Zahl von Betroffenen plötzlich die zeitlichen Voraussetzungen für die Einbürgerung erfüllt“, heißt es in der entsprechenden Verwaltungsvorlage.

„Die Vorlage ist eilbedürftig, da es gelingen muss, zügig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Ausländerbehörde und das Standesamt zu gewinnen und zu qualifizieren, um die mit den Novellen verbundenen Pflichtaufgaben zu erfüllen.“

Ohne Quereinsteiger geht es nicht

Doch die Suche nach Personal gestaltet sich schwierig: „Dabei besteht in der Einbürgerung wie in vielen Großstädten bereits ein beträchtlicher Bearbeitungsrückstand. Zudem erschwert der Fachkräftemangel auch für die Ausländerbehörde – ebenso wie für das Standesamt – zunehmend die Stellenbesetzung. Personal mit ausländerrechtlichen Fachkenntnissen ist auf dem Arbeitsmarkt nicht zu gewinnen. Bei neu eingestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern handelt es sich häufig um Quereinsteiger, welche über mehrere Monate nachqualifiziert werden müssen.“

Bei den Anträgen auf eine Aufenthaltserlaubnis rechnete die Stadt mit einer Steigerung von 3.397 Anträgen im Jahr 2022 auf 5.139 Anträge 2024, bei den Einbürgerungen von 505 im Jahr 2023 auf 2.400 im Jahr 2024. Da alle Anträge gebührenpflichtig sind, finanziert sich ein Tei der Arbeit in der Ausländerbehörde. Aber nicht alles. Akribisch rechnet eine neue Vorlage vor, dass die offiziellen Gebührensätze in keinem Verhältnis mehr zur aufgewendeten Arbeit stehen.

Ein Einbürgerungsantrag nimmt zum Beispiel eine durchschnittliche Bearbeitungszeit von 390 Minuten in Anspruch.

Und so warnt die Verwaltung: „Durch die Gesetzesänderungen im Aufenthaltsgesetz und im Staatsangehörigkeitsgesetz wird eine Vielzahl zusätzlicher Anträge in den Bereichen AKZESS (Fachkräfteeinwanderung), Einbürgerung sowie im Standesamt erwartet. Im Fall eines Nichtbeschlusses stünden der Ausländerbehörde und dem Standesamt die für die Bearbeitung der Anträge erforderlichen personellen Ressourcen nicht zur Verfügung.“

Man hat zwar noch nicht alle benötigten Sachbearbeiter/-innen beisammen. Aber die Gebühren werden die Arbeit der zusätzlichen Angestellten nicht decken, weshalb die Stadt jetzt vorsorglich 367.515 Euro bereitstellt, um den Mehraufwand in der Ausländerbehörde durchzufinanzieren.

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