Wir haben uns entschlossen, im Wahlkampf zur Stadtratswahl 2024 den Fokus auf Kandidierende zu legen, die zum ersten Mal in den Stadtrat wollen. Der Sinn der Sache: Wir wollen die Menschen, die hinter einer Kandidatur stehen, vorstellen, mit ihren Biografien, ihren Motivationen und Zielen. Oft sind diese nicht so in Wahlprogrammen verankert.
Zu diesem Zweck wurden acht Erstkandidierende kontaktiert und im persönlichen Gespräch wurden fünf Fragen gestellt, die den Kandidierenden vorher nicht bekannt waren. Zu Beginn der Gespräche wurden die Kandidierenden gefragt, ob sie die „Sie“- oder „Du“-Anrede bevorzugen, entsprechend der Antwort wurden die Fragen gestellt. Also: Lernen Sie Menschen hinter den Kandidierenden kennen.
Wer bist Du und was motiviert Dich?
Ich bin Sascha Jecht, 36 Jahre alt und bin kein gebürtiger Leipziger. Ich bin aus der Grenzregion zwischen Sachsen-Anhalt und Thüringen, der Goldenen Aue. Ich habe keine besondere Biografie, habe meine Ausbildung und meinen Zivildienst in meiner Heimatstadt gemacht, bin dann zum Studium nach Thüringen gegangen, und in Erfurt und Weimar Architektur studiert.
Ich lebe seit neun Jahren in Leipzig und arbeite als Architekt in unserer Stadt. Meine Motivation ist tatsächlich ein ganz interessantes Gemisch aus mehreren Faktoren. Für Politik hatte ich mich schon immer auf allen Ebenen interessiert und durch die neue Parteigründung war die Frage: Findet BSW genug Kandidaten? Für mich war klar: Wenn das beginnt, da stehst Du bereit.
Mit dem Gedanken im Hinterkopf bin ich hingegangen, habe das Gespräch gesucht. Das ist der eine Faktor, dass man sagt: Ja, ich will jetzt in die Politik und etwas bewegen. Meine Grundmotivation ist generell politisch, ich sage: Wenn man sich die Gesamtentwicklung anguckt in der Stadt, aber auch in unserem Land, gibt es große Themen, wo man Sorge hat und sich fragen muss, wohin sich das alles entwickelt?
Wenn ich dann schaue, wie ist die Diskussion oder wie sind diese Themen gesetzt, das kannst du vielleicht besser machen, dich einbringen und auch Themen anders angehen.
Dieser Aspekt, dass man sagt, man bringt da vielleicht frischen Wind rein und schaut nochmal selbst in diesen Prozess, den man sonst nur von außen sieht und wirkt darauf ein. Das ist meine Hauptmotivation und ich will die Leute auch wieder ein bisschen für Politik motivieren. Die, die kein Interesse mehr haben und noch nicht ganz abgedriftet sind.
Was willst Du für Leipzig und Deinen Wahlkreis bewegen?
Berufsbedingt ist natürlich die Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik für mich ein zentrales Thema, auch wenn ich für andere Themen genauso offen bin. Gerade diese Wohnungsfrage, ich glaube, das ist eine ganz zentrale Frage. Auch in ganz Deutschland, insbesondere für die größeren Ballungsgebiete wie die Stadt Leipzig. Das betrifft die Mietentwicklung und die Verfügbarkeit.
Da einen Impuls zu geben, auch mit anderen Ideen voranzuschreiten. Vielleicht nicht unbedingt mit der Vorstellung, dass man das als Fraktion am Ende allein umsetzten kann, da mache ich mir nicht so viele Illusionen.
Ideen- und Impulsgeber zu sein, das ist für mich entscheidend für die gesamtstädtische Politik und für meinen Wahlkreis im Speziellen. Wir haben gerade in Mockau zum Beispiel noch ältere Punkthochhäuser, da ist auch ein enormer Sanierungsbedarf vorhanden. Auch der gesamte Ausbau, was zum Beispiel die Verkehrswege im Nordosten betrifft – ich bin da oft mit dem Fahrrad unterwegs, wenn ich zu manchen Baustellen fahren muss – die Situation ist da einfach angespannt. Da eine Verbesserung, innerhalb dieses Wahlkreises, herbeizuführen, das ist ein kleineres Anliegen.
Was weißt Du über Stadtratsarbeit?
Das, was man erfährt, wenn man sich selbst informiert, Zeitungen liest, die Videos anschaut und die Aussagen der aktuellen Stadträte hört. Ich denke, dass man die Arbeit nicht unterschätzen soll, auch vom Stundenaufwand her, da wird schon einiges zusammenkommen, gerade jetzt für uns als neue Partei. Da kommt dazu, dass man nicht auf bestehende Strukturen zurückgreifen kann. Ich denke da wird man viel Energie hereinstecken müssen, weil man einen gewissen Nachholbedarf hat und aufholen muss.
Natürlich muss man schauen: Wie kann man die Ideen und die Vorschläge, die man hat, dann wirklich umsetzen und wie kann man notwendige Mehrheiten organisieren? Das ist ein Bereich, den ich sehr spannend finde, auch die Kooperation und wo ich zumindest denke, das ist vielleicht gar nicht so unähnlich zu meiner bisherigen Arbeit als Architekt.
Da hat man immer mit einer gewissen Breite zu tun und muss auch immer mit Kompromissen arbeiten und da freue ich mich auch drauf, wie sich das darstellt. Ich denke, das ist eine der größten Herausforderungen für uns, wenn wir dort arbeiten.
Was sagen Freunde, Familie und Kollegen zu Deinem Engagement?
Politisch engagiert bin ich schon immer, tatsächlich ist die Reaktion ein bisschen gemischt, gerade jetzt im diesjährigen Wahlkampf, mit den Angriffen und so weiter. Das ist auch für mich ganz unsäglich, muss ich sagen, dass dort die politische Arbeit so beeinträchtigt wird.
Da haben natürlich die Eltern auch ein bisschen Angst und machen sich Sorgen. Ich hab selbst auch geschluckt und dachte, jetzt ist das auf der kommunalen Ebene angekommen, diese Härte und Polarisierung. Aber insgesamt, von dem Umfeld her, von Freunden und auch tatsächlich von unbekannten Leuten, mit denen man ins Gespräch kommt, sind es tatsächlich eher positive Reaktionen.
Gerade wenn man sagt, man will etwas verändern und hat noch große Hoffnungen und Pläne, stößt das doch auf eine positive Reaktion. Meine Freundin unterstützt mich da auch und ich würde sagen, insgesamt ist das auf jeden Fall eine positive Reaktion.
Auch wenn man sagen muss: Gerade jetzt mit dem Thema BSW muss man schon gucken: Wie kommuniziert man das? Innerhalb des beruflichen Umfelds habe ich es nicht an die große Glocke gehängt, da muss man schauen, wie es wird, wenn man dann überhaupt erst mal gewählt wird. Dann hat das nochmal einen anderen Drive und kann nochmal anders mit umgehen, glaube ich.
Welche positiven oder negativen Erfahrungen hast Du bisher im Wahlkampf gemacht?
Mehr positive tatsächlich, ich hatte im Wahlkampf der Linkspartei früher mitgeholfen, es ist tatsächlich eine andere Stimmung in der Bevölkerung. Da gibt es ganz andere Reaktionen, als ich das vorher erwartet hatte. Insgesamt ist es natürlich viel Arbeit, das merkt man kurz vor der Wahl, auch weil vieles bei uns ein bisschen schnell gehen muss und improvisiert ist.
Plakate aufhängen, Flyer verteilen, die Organisation der Leute, die da jetzt zum ersten Mal zusammenkommen, dabei kommen dann auch ganz andere Themen auf, auch inhaltliche, wo man zusätzlich Rede und Antwort stehen soll.
Es ist tatsächlich anstrengend, aber in einem positiven Sinne. Man lernt über diese Arbeit auch neue Leute kennen. Anfeindungen und ähnliches, wo ich Sorgen hatte, als es durch die Medien ging, gab es bisher gar nicht. Die Leute sind wirklich alle sehr offen und positiv. Klar, man hat doch mal jemanden stehen und der weiß auch, was er will und sagt: Ich wähle AfD und dabei bleibe ich auch. Mit Euch Spinnern rede ich nicht oder so etwas.
Aber, dass die einen irgendwie angehen oder so, gab es gar nicht. Ich würde nicht sagen, dass es negative Erfahrungen gab, außer der Erkenntnis, dass eine erschreckend große Anzahl von Menschen kein Interesse an Politik oder Hoffnung hat.
Sascha, ich danke Dir für das Gespräch.
„Fünf Fragen an Erstkandidierende zur Stadtratswahl: Sascha Jecht (BSW)“ erschien erstmals im am 31.05.2024 fertiggestellten ePaper LZ 125 der LEIPZIGER ZEITUNG.
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Ein informativer Beitrag. Ich freue mich auf weitere Erstkandidierende zur Stadtratswahl.