Am 19. Juni machte AfD-Stadtrat Sebastian Kriegel recht deutlich, wie unbedarft und undurchdacht AfD-Anträge im Leipziger Stadtrat sind. Man hört irgendetwas aus anderen Städten – so wie aus Erfurt, wo das Thüringer Oberverwaltungsgericht in Weimar die dortige Umweltzone 2021 für rechtswidrig erklärte. Auch in anderen Städten wird über so eine Aufhebung diskutiert. Aber dazu braucht man eine faktische Grundlage. Ob die in Leipzig gegeben ist, weiß die AfD-Fraktion nicht.
Faktische Grundlage heißt: Kann Leipzig die Grenzwerte der EU-Verordnung zur Luftreinhaltung ohne Umweltzone einhalten oder nicht?
Ein Blick auf die Homepage der Stadt zeigt, dass da durchaus nicht so einfach zu beantworten ist. Man findet dort zwei Karten, die die Belastung mit Feinstaub und Stickstoffdioxid mit und ohne Luftreinhaltemaßnahmen modellieren. Zwar für das Jahr 2020 – aber man darf auch nicht vergessen, dass es nicht nur um Feinstaub geht, der 2011, als Leipzig seine Umweltzone einführte, das zentrale Diskussionsthema war. Und es wurde viel diskutiert.
Ohne Prüfung keine Entscheidung
Darauf wies am Mittwoch, dem 19. Juni, auch CDU-Stadtrat Falk Dossin hin. Es gäbe eine Menge Ausnahmetatbestände und es gab eine Menge Anträge, das eigene Fahrzeug auch ohne Grüne Umweltplakette ins Stadtgebiet fahren lassen zu dürfen. Das waren in den ersten Jahren noch tausende Fahrzeug – vor allem Wirtschaftsfahrzeuge – die ohne Grüne Plakette in die Umweltzone einfahren durften. Weshalb es – trotz Umweltzone – einige Jahre brauchte, bis Leipzig die EU-Grenzwerte endlich einhielt.
In den letzten Jahren fiel es schon leichter. Denn es stimmt ja, was Falk Dossin sagte: Es gibt kaum noch neue Fahrzeuge, die die EU-Vorgaben nicht erfüllen.
Würde Leipzig also die Grenzwerte einhalten, wenn die Umweltzone einfach abgeschafft wird? Das weiß aber niemand. Und mit einigem Recht lehnte die Verwaltung in ihrer Stellungnahme den Antrag der AfD-Fraktion auch ab.
Was Kriegel als reine bürokratische Sturheit interpretierte. Aber eigentlich ist er nun lange genug im Stadtrat, um zu wissen, dass der Stadtrat über verkehrsrechtliche Anordnungen nicht befinden darf. Es liegt schlicht nicht in seiner Kompetenz. Die Ablehnung durch die Verwaltung war schlicht folgerichtig.
Schafft Leipzig die Grenzwerte auch ohne Umweltzone?
Denn bevor über eine Aufhebung der Umweltzone entschieden werden kann, muss belastbar nachgewiesen werden, dass Leipzig – oder wichtige Teile von Leipzig – nicht hinterher doch wieder unter einer zu hohen Luftbelastung leiden. Das muss untersucht und modelliert werden.
Weshalb die CDU-Fraktion gleich am 19. Juni einen eigenen Antrag ins Verfahren gab, der die Verwaltung auffordert, genau das zu prüfen. Das merkte Dossin in seiner Rede zum AfD-Antrag an und merkte auch gleich an, dass die CDU-Fraktion dem AfD-Antrag nicht zustimmen werde.
Für eine Aufhebung der Umweltzone wär man, wenn nachgewiesen werde, dass sie keinen Sinn mehr ergeben würde.
Auch wenn das im ersten Punkt des CDU-Antrags etwas verzwickt klingt. Der lautet: „Der Oberbürgermeister solle prüfen,
1. ob die 2011 eingeführte Umweltzone für die Stadt Leipzig noch sinnvoll erscheint, insbesondere weil sich die Luftqualität laut Aussagen des Amtes für Umweltschutz und dem Dashboard ‚Luftqualität‘ in Leipzig deutlich verbessert habe. So würden die Feinstaubwerte an allen Messstationen unterhalb des gesetzlichen Grenzwertes liegen.“
Altbackene Lösungsvorschläge
Aber zur Wahrheit gehört eben auch, dass die Messwerte auch deshalb unterm Grenzwert liegen, weil es einerseits die Umweltzone gibt und damit die „bürokratischen“ Vorschriften für die Erteilung der Grünen Plakette. Und es gibt einen ganzen Berg flankierender Maßnahmen, die alle im Luftreinhalteplan der Stadt verankert sind und die an weiteren Stellen dafür sorgen, dass es weniger Luftbelastung gibt. Das Ergebnis gibt es nur im Zusammenwirken aller Maßnahmen.
Die Stadt müsste also prüfen, ob die anderen Maßnahmen alle genügen, trotzdem die EU-Grenzwerte einzuhalten, wenn man die Umweltzone aufhebt.
Aber dieser CDU-Antrag ging am 19. Juni erst einmal ins Verfahren und wird dann wohl vom neu gewählten Stadtrat im Herbst votiert.
Jetzt ging es erst einmal um den hemdsärmeligen Antrag der AfD-Fraktion, der dann auch wieder ein Bündel von Vorschlägen machte, die in den vergangenen Jahre allesamt nicht funktioniert haben, wie „flüssiger Verkehrsfluss“ und Quartiersgaragen. Oder andere Wege zur Senkung der Luftbelastung unterlaufen, weil der Fokus immer nur auf den motorisierten Verkehr gerichtet ist und eben nicht auf den wesentlich umweltfreundlicheren Umweltverbunds.
Der Prüfauftrag der CDU sollte durchaus mehr Chancen auf Zustimmung haben. Der AfD-Antrag jedenfalls wurde mit 9:46 Stimmen in den Papierkorb geschickt. Womit der dritte Versuch der AfD-Fraktion zur Abschaffung der Umweltzone scheiterte.
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