Es ist etwas schiefgelaufen bei der Leipziger Stadtratswahl. Aber das lag augenscheinlich nicht an der Stadt, die die Wahl organisiert hat, vielleicht auch nicht am Vertrieb, der in Leipzig die Wahlbenachrichtigungen und Briefwahlunterlagen transportiert, der LVZ-Post. Aber woran lag es dann? Logisch, dass die Linksfraktion dazu eine sehr dringliche Anfrage in der Ratsversammlung am 19. Juni stellte. Und auch Nachfragen hatte. Aber das Problem benannte die Stadt schon in ihrer schriftlichen Antwort.

„Es gingen insgesamt 289 schriftliche Nachfragen bezüglich verspäteter oder fehlender Briefwahlunterlagen beim Amt für Statistik und Wahlen ein. Dies entspricht ca. 0,2 % der ausgestellten Wahlscheine. Die Anfragen, die rechtzeitig vor dem Wahltag gestellt wurden, wurden für gewöhnlich mit einer Bearbeitungsdauer von einem Tag bearbeitet. In einigen Fällen klärten sich die Anfragen durch das Eintreffen der Unterlagen.

In den restlichen Fällen erfolgte durch das Amt für Statistik und Wahlen eine fundierte Beratung, wie das Wahlrecht trotzdem wahrgenommen werden kann. Insbesondere mit näher rückendem Wahltag wurde hier die Empfehlung ausgesprochen, versendete Wahlscheine ungültig zu machen und neue Wahlscheine persönlich in der Briefwahlstelle abzuholen. Von einer postalischen Versendung wurde ab dem 31. Mai 2024 abgeraten“, beantwortet das Verwaltungsdezernat eine entsprechende Frage der Linksfraktion.

Und es betont dazu: „Es ist davon auszugehen, dass in zahlreichen Fällen die Übermittlung von Unterlagen aufgrund von Problemen in der Zustellung nicht erfolgte: Der Postdienstleister wurde angewiesen, Rückmeldung zu nicht zugestellten Briefwahlunterlagen zu geben. Ergebnis war, dass in 269 Fällen Briefwahlunterlagen nicht zugestellt werden konnten. Zu den näheren Gründen für die Nicht-Zustellung liegt uns bisher keine detaillierte Rückmeldung vor.“

Über 11.000 nicht zustellbar

Und das sind nur die Nicht-Zustellungen von beantragten Briefwahlunterlagen, zu denen die Stadt Rückfragen bekommen hatte.

Aus verschiedene Grünen konnten auch Wahlbenachrichtigungen zuvor an vieler Adressaten nicht zugestellt werden: „Der städtische Postdienstleister informierte das Amt für Statistik und Wahlen, dass von den über 484.000 versendeten Wahlbenachrichtigungen insgesamt 11.421 (~2,4 %) nicht zugestellt werden konnten. Hauptgrund für die Nicht-Zustellung war dabei nach Aussage des Postdienstleisters ‚Name nicht an Briefkasten und Klingel‘.

Hiervon waren mehr als 9.000 (~1,9 %) Sendungen betroffen. Weitere durch den Postdienstleiter zurückgemeldete Gründe mit größerer Häufung waren: ‚Name an Klingel, aber nicht an Briefkasten‘, ‚Empfänger verzogen‘, ‚Briefkasten überfüllt, keine persönliche Übergabe möglich‘ oder ‚Fehlende Übereinstimmung Briefkastenbeschriftung/Wohnungsnummer‘.“

Aber richtig verärgert waren natürlich all jene Wählerinnen und Wähler, die ihre Briefwahlunterlagen beantragt hatten, diese aber vor dem Wahltag 9. Juni nicht bekamen. Und entsprechend hektisch wurde es natürlich in den Tagen vor der Wahl. Auch, weil viele Beantragungen augenscheinlich erst spät bei der Stadt ankamen. Was dann zu dem durchaus neuen Phänomen führte, dass die Stadt noch am Donnerstag und Freitag, dem 6. Juni und 7. Juni, Berge von Briefwahlunterlagen versendete, damit potenzielle Briefwähler tatsächlich noch per Brief wählen konnten.

Wie spät viele Anträge auf Briefwahl eintrafen, hat das Verwaltungsdezernat auch aufgelistet: „Die Briefwahlstelle erhielt ab dem 31.05. noch 15.973 Anträge auf Briefwahlunterlagen, die alle tagesaktuell bearbeitet und versendet wurden (31.05.: 2.828; 03.06.: 3.977; 04.06.: 3.246; 05.06.: 2.244; 06.06.: 2.261; 07.06.: 1.382; 08.06. nur persönlich bis 12 Uhr: 35).“

Wenn die Briefwahlunterlagen trotzdem nicht kamen

Das sorgte dafür, dass die Mitarbeiter der Stadt hier noch bis kurz vor dem eigentlichen Wahltermin jede Menge zu tun hatten. Wie trotzdem versucht wurde, allen Wählerinnen und Wählern die Wahl zu ermöglichen, erläuterte nach den Nachfragen von Franziska Riekewald und Sören Pellmann neben Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning auch Dr. Christian Schmitt, der Leiter des Amtes für Statistik und Wahlen und damit auch Wahlleiter der Stadt.

Und natürlich kam auch zur Sprache, wie nun die doch Übriggebliebenen reagieren konnten, die ihre Briefwahlunterlagen trotzdem nicht bekommen hatten. Ihnen bleibt dann immer noch eine Möglichkeit, wie die Stadt erläutert: „Wählerinnen und Wähler können bei allen Wahlen beantragte, aber nicht zugegangene Briefwahlunterlagen entwerten lassen, um am Wahltag im Wahllokal wählen zu können, bzw. sich einen neuen Wahlschein ausstellen lassen.

Über diesen Sachverhalt und die konkreten Fristen für die Beantragung der Entwertung nicht zugestellter Briefwahlunterlagen wurde über die amtliche Bekanntmachung auch im Vorfeld der Europa- und Kommunalwahl 2024 informiert.“

Im elektronischen Amtsblatt der Stadt Leipzig vom 11. Mai wurde z.B. informiert: „Versichert ein Wahlberechtigter glaubhaft, dass ihm der beantragte Wahlschein nicht zugegangen ist, kann ihm bis zum Tag vor der Wahl, 12.00 Uhr, ein neuer Wahlschein erteilt werden.“

Natürlich macht auch das Stress. Und dabei beantragt man ja die Briefwahl in der Regel, um dem Stress zu entgehen.

Es gibt noch Klärungsbedarf

Dabei bestätigte sich auch bei dieser Doppelwahl, dass immer mehr Leipzigerinnen und Leipziger ihre Stimme lieber schon vor dem Wahltag per Brief abgeben. Die Zahlen der Stadt: „Es wurden insgesamt 117.171 Wahlscheine für Briefwähler zur Europawahl und 115.354 Wahlscheine für Briefwähler zur Stadtratswahl ausgestellt.

Briefwahlunterlagen konnten dabei entweder persönlich in der Briefwahlstelle der Stadt Leipzig abgeholt oder auf postalischem Weg erhalten werden. Der postalische Versand der Briefwahlunterlagen fand mit dem städtischen Postdienstleister LVZ-Post statt.“

Wobei natürlich auch am 19. Juni noch nicht geklärt werden konnte, wie viele Wählerinnen und Wähler tatsächlich „durchs Raster gefallen“ waren. Augenscheinlich gibt es in den Fraktionen des Stadtrates – wie der Linksfraktion – noch ein paar mehr Rückmeldungen, als sie bei der Stadt selbst registriert wurden.

Diese Zahlen gab das Verwaltungsdezernat mit der Antwort auch heraus: „Es gingen insgesamt 235 schriftliche bzw. elektronische Nachfragen von Bürgerinnen und Bürgern bezüglich fehlender oder verspätet eingehender Wahlbenachrichtigungen ein. Alle Anfragen und Beschwerden wurden dahingehend beantwortet, dass das individuelle Wahlrecht auch ohne Vorlage der Wahlbenachrichtigung wahrgenommen werden kann. Die anfragenden Wählerinnen und Wähler wurden ferner auf das Erfordernis hingewiesen, sich bei fehlender Wahlbenachrichtigung im Wahllokal ausweisen zu müssen.“

Nur den Sperrvermerk als Briefwähler musste man vorher aufheben lassen.

73 Beschwerden aus den Wahllokalen

Und natürlich fragte insbesondere Sören Pellmann nach, wie das dann mit den Protokollvermerken der Wahlleiter in den Wahllokalen aussah, wenn es trotzdem zu Problemen kam.

„Nach aktuellem Stand der Wahlprüfung für die Europawahl liegen Protokollvermerke zu 73 Beschwerden aus den 414 Urnenwahlbezirken von Personen, die aufgrund eines Sperrvermerks nicht wählen konnten, vor“, teilte das Verwaltungsdezernat mit. Und listete dann auf, was in den Protokollen vermerkt war:

„In 18 Fällen ist eine Nachverfolgung nicht möglich, da der Wahlvorstand weder Namen noch Nummer im Wählerverzeichnis zur Beschwerde notiert hat. 

 In 6 Fällen haben Wahlvorstände einen Sperrvermerk fälschlicherweise erkannt (vermutlich durch Verrutschen in der Zeile beim Einblick ins Wählerverzeichnis). In diesen Fällen liegt objektiv kein Sperrvermerk vor. 

In 3 Fällen liegt kein detailliertes Rechercheergebnis vor.

In 2 Fällen wurden die Unterlagen zwischenzeitlich als unzustellbar an die Wahlbehörde zurückübermittelt.

In 23 Fällen der Antragstellung vor dem 31.05.2024 wurde eine verlängerte Bearbeitungszeit von Antragstellung bis Postausgang von bis zu einer Woche festgestellt. In all diesen Fällen wurden die Briefwahlunterlagen jedoch bis spätestens 31.05.2024 in den Postversand gegeben.

In 18 Fällen, in denen die Antragstellung ab dem 03.06. oder später stattfand, wurden die Unterlagen tagesgenau bzw. mit maximal einem Arbeitstag Bearbeitungsdauer in den Postlauf gegeben.

In 3 Fällen wurden die Unterlagen zwischen 01.06. und 03.06. beantragt mit einer Bearbeitungszeit von 2 bis 3 Tagen.

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass in 12 Fällen der o.g. Fälle eine Antragstellung am 06.06.24 oder später stattfand, wobei ein nicht-fristgerechter Zugang bei Antragstellung in Kauf genommen wurde.“

Die Wahlhelfer wurden zuvor zwar geschult, wie sie jede Unregelmäßigkeit zu protokollieren haben. Aber man darf auch nicht vergessen, dass es über 6.000 Wahlhelferinnen und Wahlhelfer waren, die am 9. Juni die Doppelwahl in Leipzig absichern halfen. Ganz klären konnte man das Problem in der Fragestunde im Stadtrat natürlich noch nicht.

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Es gibt 2 Kommentare

Von einer Anforderung der Wahlunterlagen ins mitteleuropäische Ausland muß ich abraten. Die “LVZ-Post” (wieso soll die städtisch sein?) braucht zwei volle Wochen bis in die CH. Zusammen mit dem verwalterischen Vorlauf kommen vier Wochen zusammen, da kann man sich den Unterlagen-Versand gleich ganz sparen.

Bei mir wiederum trafen für mich und ein weiteres Familienmitglied jeweils 2 Wahlbenachrichtigungen – an unterschiedlichen Tagen – ein.
Offensichtlich funktionierte hier die LVZ-Post, jedoch die Rechentechnik bei der Stadt nicht so, wie sie sollte…

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