Da wollte die CDU-Fraktion im Leipziger Stadtrat gern mal einen Erfolg feiern. Mit einem Antrag, der am Ende gar nicht zur Abstimmung kam. Auch wenn die Idee dahinter gut war. Eine Idee, die zwei Probleme, die auch Leipzig hat, zu einer möglichen Lösung zusammenführt – nämlich den gravierenden Mangel an ausbildbarem Nachwuchs im Leipziger Handwerk und die in den letzten Jahren gewachsene Zahl von Jugendlichen, die keine Lehrstelle finden, auch weil sie mit persönlichen und sozialen Problemen zu kämpfen haben.

Die Idee der CDU-Fraktion war ein Modell namens „Social Impact Bond“. Das erklärt der CDU-Antrag sehr umständlich und letztlich unverständlich, auch wenn es vor allem darum geht, dass private Unternehmen Geld beisteuern, um Projekte zu finanzieren, mit denen Jugendliche den Weg in eine berufliche Zukunft finden.

Am deutlichsten beschreibt das dieser Abschnitt im CDU-Antrag: „Er sammelt Geld von privaten Investoren ein, um soziale Projekte vorzufinanzieren und neue innovative Konzepte und Wege der Sozialhilfe überhaupt erst zu ermöglichen. Erst nach einer messbaren Wirkung schüttet der Staat eine wirkungsbasierte Rendite aus. So kommt die Stadt in die komfortable Lage, nur bei erfolgreichen sozialen Projekten zahlen zu müssen.

Und auch, wenn die Stadt an die Investoren das eingesetzte Kapital und eine Rendite ausschütten muss, ergeben sich langfristig gesehen durch Prävention weiterer und höherer Kosten für intensivere Sozialhilfemaßnahmen Einsparungen. Der Haushalt wird so entlastet.“

Idealer Anknüpfpunkt: das Projekt JugendWohnen

Die Idee im Allgemeinen fand die Verwaltung gut, weshalb CDU-Stadtrat Karsten Albrecht dann auch gleich mal den Verwaltungsstandpunkt übernahm.

Der hatte erst einmal einen Weg skizziert, wie Leipzig das tatsächlich machen könnte – gleich mal versehen mit einer freundlichen Kritik an den „Social Impact Bonds“: „Social Impact Bonds/Soziale Wirkungskredite als weitgehend neuartiges Finanzierungsinstrument für Maßnahmen der öffentlichen Verwaltung im sozialen Bereich sind in Deutschland noch selten zur Anwendung gekommen. Dementsprechend fehlt eine valide Grundlage, um über die Anwendung dieses Instrumentes zu entscheiden.

Mit einem modellhaften Projekt soll ein SIB pilotiert und anschließend grundlegend ausgewertet werden, um schließlich über die mögliche weitere Anwendung und Übertragbarkeit auf andere Vorhaben zu entscheiden.

Das Vorhaben ‚Kommunales JugendWohnen‘ ist hierbei als Modellprojekt umzusetzen.“

Denn im kommunalen JugendWohnen werden ja schon Jugendliche betreut, denen der Schritt in eine berufliche Zukunft aus verschiedensten Gründen erschwert ist. Mit den Worten aus der Verwaltungsvorlage: „Als wachsende Stadt hat Leipzig mit Herausforderungen an Mietmarkt zu kämpfen: Das stetig schrumpfende Wohnraumangebot geht mit steigenden Bestands- und vor allem Angebotsmieten einher. Gleichzeitig verzeichnet Leipzig weiterhin eine überdurchschnittliche Arbeitslosenquote (2023 7,1 % im Jahresschnitt inklusive steigender Jugendarbeitslosigkeit in Leipzig).

Zeitgleich können zahlreiche Betriebe vakante Stellen nicht adäquat bzw. überhaupt nicht besetzen. Besonders betroffen von diesen Verwerfungen auf dem Miet- wie auch auf dem Arbeitsmarkt sind Jugendliche und junge Erwachsene am Übergang ins Erwerbsleben, die ohne eigenes Einkommen gerade die hohen Angebotsmieten nicht aufbringen können, die aber auch – das zeigt die steigende Jugendarbeitslosigkeit – Probleme beim Einstieg in das Berufsleben haben.

Insbesondere das Verhältnis von Angebot und Nachfrage im Bereich der beruflichen Ausbildung, mit einem deutlichen Angebotsüberhang bei benannter, steigender Jugendarbeitslosigkeit, bildet diese negative Entwicklung ab.“

Zwei Jahre gesicherte Finanzierung

Damit wäre aber auch schon ein kommunaler Projektpartner benannt, an den sich Leipziger Unternehmen wenden können, wenn sie das Projekt gut finden. Und die Stadt benannte auch schon mal die Summe, die so etwas kosten wird: um die 700.000 Euro pro Jahr. Städtische Gelder, denn – so führte es dann auch Linke-Stadträtin Juliane Nagel aus: So ein Projekt braucht eine verlässliche Finanzierung. Das kann sich nicht allein auf private Gelder stützen.

Frau Juliane Nagel (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 19.06.24. Foto: Jan Kaefer
Juliane Nagel (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 19.06.24. Foto: Jan Kaefer

SPD, Linke und Grünen schrieben dann noch einen eigenen Änderungsantrag, der das Projekt weiter präzisierte. Denn mit dem jüngst erst diskutierten Objekt Bochumer Straße 26, wo eigentlich ein Offener Freizeittreff untergebracht werden sollte, hat die Stadt im Ortsteil Mockau ja schon ein Objekt, das sich gut für das Projekt JugendWohnen eignet. Eine Idee, für die besonders SPD-Stadträtin Christina März warb.

Frau Christina März (SPD) im Leipziger Stadtrat am 19.06.24. Foto: Jan Kaefer
Christina März (SPD) im Leipziger Stadtrat am 19.06.24. Foto: Jan Kaefer

Die Eignung des Objekts bestätigte auch Wirtschaftsbürgermeister Clemens Schülke. Das heißt: Das sowieso schon beschlossene Projekt JugendWohnen erfüllt schon die Kriterien, die der CDU-Antrag eigentlich intendierte. Aber es macht den Erfolg der Arbeit mit den jungen Leuten nicht abhängig von Geldern aus der Privatwirtschaft. In der Ursprungsfassung ihres gemeinsamen Antrags hatten Linke, Grüne und SPD noch den Passus stehen, private Finanzierungen sollte es hier nicht geben.

Doch diesen Satz strichen sie dann lieber. Denn er schließt ja eine wichtige Tür. Denn natürlich gibt es in Leipzig auch viele Unternehmen, die sich hier engagieren wollen – auch aus Eigeninteresse, wie Karsten Albrecht ja erklärt hatte: Hier kommen sie in Kontakt mit Jugendlichen, die noch keine Existenzgrundlage haben, und vielleicht zündet ja der Funke, dass die jungen Leute sich für eine Ausbildung in diesen Betrieben begeistern können.

Sowohl Verwaltungsvorschlag als auch der Änderungsantrag von SPD, Linken und Grünen gingen also deutlich über den CDU-Antrag hinaus. Was tun?

Am Ende ein deutliches Ja

Die CDU-Fraktion beantragte erst mal eine Auszeit. Auch ein wenig selbstverschuldet, weil sie eine zweite Lesung des SPD-Linke-Grüne-Antrags im Ausschuss verhindert hatte. Es gab also Klärungsbedarf: Was wird aus dem ursprünglichen CDU-Anliegen?

Nach Minuten der Spannung dann die Lösung: Die CDU-Fraktion übernahm den Verwaltungsstandpunkt und die Punkte 3 und 4 aus dem Antrag von SPD, Linken und Grünen. Der Vorschlag der Verwaltung wurde also akzeptiert, auch die Prüfung des Objekts Bochumer Straße 26 für das Projekt JugendWohnen. Und der Auftrag an die Kindervereinigung, an Stelle der Bochumer Straße 26 ein anderes Objekt zu suchen, wo dann ein Offener Freizeittreff im Nordosten möglich wäre.

Das erinnerte durchaus an Zeiten, als Fraktionen im Stadtrat tatsächlich kooperierten, um am Ende das für alle beste Ergebnis zu erreichen. Davon hätte man auch in der nun zu Ende gehenden Legislatur gern mehr gesehen.

Das Abstimmungsergebnis war dann entsprechend deutlich, mit 52 Stimmen für diesen jetzt so gründlich verwandelten CDU-Antrag.

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