In Leipzig gibt es nicht nur eine Waffenverbotszone, die öffentlich auch ausgeschildert ist, sondern auch mehrere Bereiche in der Stadt, die als „Gefährliche Orte“ eingestuft sind. Aber nicht von der Stadt selbst, sondern von der Polizei. Und die gibt ungern Auskunft über die konkreten Straßen und Plätze und auch nicht über die Gründe, warum sie diese Plätze als „Gefährliche Orte“ deklariert. Das Leipziger Jugendparlament wollte das gern ändern.
Auch wegen der polizeilichen Geheimniskrämerei um diese Orte, wie Hannah Lilly Lehmann als Sprecherin für das Jugendparlament am Mittwoch, 19. Juni, in der Ratsversammlung feststellte.
Auch der Antrag des Jugendparlaments betonte das: „Die Lage solcher ‚Gefährlichen Orte‘ wird z.B. nicht öffentlichkeitswirksam vom Freistaat Sachsen kommuniziert, sondern ist nur durch kleine Anfragen von Landtagsabgeordneten zu erfahren. Damit wird es den Bürger/-innen natürlich erschwert, über ihre Rechte bspw. im Fall einer sogenannten ‚verdachtsunabhängigen Polizeikontrolle‘ informiert zu sein“, liest man da.
„Zudem werden auch die Lageerkenntnisse zur Begründung der Einstufung nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 als ‚VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH‘, also nicht öffentlich, eingestuft, da sonst ‚potentielle Täter ihre Vorgehensweise darauf einstellen könnten‘ (s. dazu kleine Anfrage der Abgeordneten Julia Nagel (DIE LINKE) Drs.-Nr. 7/13077).
Diese generelle Intransparenz öffnet natürlich Tür und Tor für verschiedenste Möglichkeiten des Amtsmissbrauchs, sei es eine willkürliche Erklärung eines Ortes für ‚gefährlich‘, Racial Profiling bei ‚verdachtsunabhängigen Kontrollen‘ oder Fehlverhalten jeglicher Art bei ebendiesen (bspw. übermäßige Gewaltanwendung, Belästigung etc.). Und da wir hier von der Polizei Sachsen reden, sind jene Szenarien zumindest nicht ganz unwahrscheinlich und vielleicht auch nicht nur Einzelfälle.“
Aber was kann Leipzig da tun?
Beantragt hatte das Jugendparlament: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, alle Orte nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 SächsPVDG (im Folgenden auch ‚Gefährliche Orte‘ genannt) im Leipziger Stadtgebiet mittels einer wissenschaftlichen Evaluation bis zum 4. Quartal 2024 auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. – Ein besonderer Fokus soll dabei auf die Notwendigkeit der an diesen Orten auftretenden Grundrechtseinschränkungen gelegt werden.“
Doch dem hatte schon das Ordnungsdezernat in seiner Stellungnahme widersprochen: „Bei § 15 Abs. 1 Nr. 2 Sächsisches Polizeivollzugsdienstgesetz (SächsPVDG) handelt es sich um eine Befugnis, die ausschließlich dem Polizeivollzugsdienst (§ 1 SächsPVDG) zur Erfüllung seiner Aufgaben zusteht.“
Denn: Anders als bei der Waffenverbotszone braucht die Polizei zur Definition „Gefährlicher Orte“ keine Zustimmung der Stadt. Das bestätigte auch Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal.
Wobei das Ordnungsdezernat durchaus einige der Befugnisse, die sich die Polizei dadurch verschafft, kritisch sieht. Denn wer nicht weiß, dass die Polizei hier Sonderrechte hat, kann ziemlich schnell zum Objekt polizeilicher Identifikationsfeststellung werden.
„Es wird von der Stadtverwaltung nicht verkannt, dass es sich bei einer Identitätsfeststellung um einen Grundrechtseingriff handelt, der abhängig von den Umständen des Einzelfalles von beachtlicher Intensität sein kann“, stellt das Ordnungsdezernat fest. „Vorzugswürdig erscheint es aber, sich in die politische Debatte einzubringen, um eine Änderung der Rechtslage zu erreichen, oder als Betroffener individuellen Rechtsschutz zu ersuchen.“
Das kann nur der Landtag ändern
So sah es am 19. Juni auch Juliane Nagel, die neben ihrer Arbeit als Stadträtin auch Landtagsabgeordnete der Linken ist und genau jene Landtagsanfragen stellt, die überhaupt ein paar Informationsbrocken zu „Gefährliche Orten“ öffentlich machen. Sachsens Innenminister geben sich jedenfalls mehr als zugeknöpft, wenn es um solche Informationen geht.
Weswegen es – so dann Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek – gerade richtig wäre, dem Anliegen des Jugendparlaments zu folgen und die „Gefährlichen Orte“ in Leipzig (zu denen unter anderem das Hauptbahnhof-Umfeld samt Schwanenteich gehören) zu evaluieren. Doch wie soll das gehen, wenn die Landespolizei dazu keine Daten herausgibt?
Da wird wohl eher Juliane Nagel recht haben, wenn sie die Regierungskoalition in der Verantwortung sieht, hier etwas zu ändern. Was sicher nicht passieren wird, solange die CDU die stärkste Fraktion in der Regierung ist. Da das Jugendparlament den Verwaltungsstandpunkt nicht zielführend fand, stand also der Antrag des Jugendparlaments selbst zur Abstimmung, bekam aber mit 15:46 Stimmen bei einer Enthaltung keine Mehrheit.
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