Beides geht nicht: Einmal den großen Lehrmeister spielen und Linke wie AfD darüber belehren, dass sie die Zuwanderungsprobleme nicht lösen – und dann ohne Skrupel für einen AfD-Antrag zu stimmen. Das Kunststück brachte am 22. Mai die CDU-Fraktion im Leipziger Stadtrat fertig. Den Oberlehrer spielte Michael Weickert. Der doch eigentlich selbst zum AfD-Antrag sagte, der sei „einfach nur ein Feigenblatt für den Satz ‘Wir wollen hier keine Ausländer.’“

Beides zugleich geht nicht. Oder es ist unehrlich. Anders kann man das nicht formulieren.

Dass der AfD-Antrag auch noch etwas suggerierte, was auch in den von AfD-Stadtrat Beyer in seiner Rede aufgezählten Landkreisen nicht geplant ist, gehört noch dazu. Denn das von ihm zitierte Asylbewerberleistungsgesetz ist auch dort gültig – genauso wie in Leipzig.

SPD-Stadtrat Heiko Bär ging darauf am Ende dieser wieder mal völlig sinnfreien Debatte ganz nüchtern ein, als er einfach aus dem § 5 des Asylbewerberleistungsgesetzes zitierte, der eben nicht nur im Satz 5 die arbeitsfähigen Leistungsbezieher verpflichtet, die angebotenen Arbeitsgelegenheiten auch anzunehmen, sondern die Kommunen dazu auch verpflichtet, solche Arbeitsgelegenheiten auch zu schaffen.

Betonung auf Arbeitsgelegenheiten.

Also genau jene Jobs, die einmal als 1-Euro-Jobs gehandelt wurden und für den Übergang in reguläre Beschäftigungsverhältnisse gedacht waren. Aber unter Druck rechter Ressentiments wurde die Vergütung für diese Arbeitsgelegenheiten um 20 Cent für Asylbewerber gesenkt. Was – wie Linke-Stadträtin Juliane Nagel zu recht erklärte – deutlich macht, wie die deutsche Politik Asylbewerber regelrecht als Menschen zweiter Klasse betrachtet, denen nicht mal ein Euro Vergütung für eine Arbeitsgelegenheit zustehen.

Leipzig hat 77 AGHs für Asylbewerber

Dass es diese Arbeitsgelegenheiten, die die Kommune extra schaffen muss, in Leipzig längst gibt, hatte das Sozialamt in seiner Stellungnahme schon deutlich erklärt: „Arbeitsgelegenheiten werden vorwiegend in den Gemeinschaftsunterkünften durchgeführt und umfassen Tätigkeiten in der Unterstützung der Hausmeister, bei der Reinigung oder Reparaturen, die Unterstützung in der Wäscherei, Sprachmittlungen etc. Derzeit bestehen in den Gemeinschaftsunterkünften der Stadt Leipzig 77 Arbeitsgelegenheiten, von denen 74 zum Stichtag 29.02.2024 besetzt waren.

Michael Weickert (CDU) im Leipziger Stadtrat am 22.05.24. Foto: Jan Kaefer

Eine Erweiterung dieser Arbeitsgelegenheiten und eine Verpflichtung der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG zu diesen Arbeiten ist derzeit in der Stadt Leipzig nicht vorgesehen. Einerseits wurden keine Bedarfe für weitere Arbeitsgelegenheiten seitens der Unterkünfte oder Dritter formuliert. Zum anderen bestehen auch keine finanziellen Ressourcen, um bei Dritten (z. B. KEE oder Stadtreinigung) Einsatzstellen zu schaffen, bei denen unter Anleitung sinnstiftende Tätigkeiten erbracht werden könnten. Eine Finanzierung für erforderliche Anleiter- und Kontrollstrukturen zur Prüfung der Aufgabenwahrnehmung bei einer Arbeitsverpflichtung gibt es nicht. Dies wäre jedoch erforderlich, um zum Beispiel bei einer Verweigerung einer Tätigkeit rechtssicher die nach dem AsylbLG zulässigen Leistungskürzungen vornehmen zu können.

Der Antrag ist daher aus fachlichen und finanziellen Gründen abzulehnen.“

Die AfD-Fraktion hatte also schlichtweg einen Antrag geschrieben, bei dem die Stadt Geld dafür aufbringen soll, dass Arbeitsgelegenheiten in den Asylunterkünften geschaffen werden, die niemand braucht.

Während das eigentliche Ziel – wie Juliane Nagel feststellte – doch lauten sollte, die Asylbewerber möglichst schnell in reguläre und sozialversicherungspflichtige Arbeit zu bringen.

Die AfD als Gastgeber …

Was für eine hochnäsige Haltung die AfD gegenüber den Asylbewerbern da einnimmt, betonte der Antrag genauso wie die Rede von Beyer: „Die AfD-Fraktion im Leipziger Stadtrat begrüßt diese gesetzliche Möglichkeit und sieht darin eine Chance, ausländischen Schutzsuchenden eine geordnete Tagesstruktur zu ermöglichen. Möglicherweise gibt es den Asylbewerbern auch ein gutes Gefühl auf diesem Wege der gastgebenden Gesellschaft etwas zurückgeben zu können. Einige Landkreise in Mitteldeutschland planen bereits eine Arbeitspflicht für Asylbewerber über geeignete Arbeitsgelegenheiten durchzusetzen. Leipzig sollte ebenfalls diesen richtigen Weg beschreiten!“

Ein patriarchalischer Subtext an Gönnerhaftigkeit. Nur dass – wie das Sozialamt feststellte – Leipzig das Angebot von Arbeitsgelegenheiten tatsächlich längst umsetzt. Nur nicht da, wo die AfD die asylsuchenden Menschen gern arbeiten sehen würde – in der Grünpflege und bei der Stadtreinigung. Also schön öffentlich, damit alle Leute sehen, wie die Asylsuchenden tatsächlich zum Arbeiten verdonnert werden.

Auch wenn diese Vorstellung Quatsch ist, denn bei Stadtreinigung und Grünpflege arbeiten Menschen in regulären, sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen. Es macht – wie SPD-Stadträtin Heike Böhm feststellte – überhaupt keinen Sinn, diese Jobs nun in Arbeitsgelegenheiten umzuwandeln. Wofür es überhaupt kein Geld im Haushalt gibt. Da muss man sich nur an die heftigen Diskussionen im Stadtrat erinnern, bei denen es um die vom Bund drastisch gekürzten Mittel für solche geförderten Beschäftigungsverhältnisse ging.

Juliane Nagel (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 22.05.24. Foto: Jan Kaefer

Es war also auch ein Schein-Antrag, der einfach ignorierte, dass Leipzig zusätzliche Arbeitsgelegenheiten irgendwie finanzieren müsste.

Und das einfach als symbolisches Instrument, mit dem die ach so fleißigen „Gastgeber“ den nicht so fleißigen Gästen das Arbeiten beibringen. Den genau das war ja der Tenor des AfD-Antrags zur „Arbeitspflicht” und von Beyers Rede.

Merkel ist weg

So gesehen stimmte es schon, was Michael Weickert sagte: Der ganze AfD-Antrag war wieder einmal nur ein verklausuliertes „Wir wollen hier keine Ausländer.“

Aber da war ihm wohl die Wahlkampfjacke zu nah und er belehrte lieber die Linke im Leipziger Stadtrat, tat so, als wenn allein die CDU die Komplexität der heutigen Migrationspolitik verstanden hätte. Dass er auch gleich noch Angela Merkels „Wir schaffen das“ für gescheitert erklärte, spricht Bände. Trotz seines Verweises auf den Deutschen Städtetag und die Feststellung der Kommunen, dass sie bei der Unterbringung der Geflüchteten an ihren Belastungsgrenzen angelangt sind. Aber dabei ging es schlichtweg um die bereitgestellten Mittel vom Bund, nicht um den „fehlenden Arbeitseifer“ der Asylsuchenden.

Und dann stimmte diese CDU-Fraktion tatsächlich ohne großes Nachdenken mit der AfD-Fraktion für den AfD-Antrag. Das Abstimmungsergebnis war – so gesehen – erhellend: Beide Fraktionen brachten 20 Stimmen zusammen. Die große Mehrheit der Ratsversammlung stimmte mit 39 Stimmen trotzdem gegen den Nebelkerzen-Antrag der AfD-Fraktion.

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