Arbeitet Leipzig nun mit seinen Nachbarkommunen eng zusammen, wenn es um Hochwasserschutz an Gewässern 2. Ordnung geht, oder nicht? Die CDU-Fraktion im Leipziger Stadtrat hatte da so ihre Zweifel. Auch weil es augenscheinlich aus dem Grünen Ring andere Signale gab, wie CDU-Stadträtin Sabine Heymann am 22. Mai in der Ratsversammlung in ihrer Rede andeutete.

Der Grüne Ring ist eine Arbeitsgemeinschaft der Stadt Leipzig mit ihren Nachbarkommunen bei Stadtgrenzen überschreitenden Themen wie Umweltschutz, Radwege, Wanderwege, Gewässerschutz. Da ist die Kommunikation nicht immer leicht und auch nicht immer eindeutig. Dabei ist Leipzig bei manchen Themen regelrecht darauf angewiesen, dass sie dabei Unterstützung von den Nachbargemeinden aus dem Grünen Ring bekommt. Wie eben beim Hochwasserschutz, den die CDU-Fraktion in ihrem Antrag thematisierte.

Denn hier können Ausgleichsmaßnahmen für Baumaßnahmen im Leipziger Stadtgebiet, bei denen wertvolle Naturgüter verloren gehen, sogar etwas Gutes für Leipzig und die Nachbarn bewirken, indem Gewässer 2. Ordnung renaturiert und damit im Hochwasserfall aufnahmefähiger werden. Das kann die Hochwassergefahr in den Nachbargemeinden genauso mindern wie die in Leipzig selbst, da ja die Gräben und Bäche in der Regel dann weiterführen ins Leipziger Stadtgebiet.

Gräben und Bäche wieder renaturieren

„Das Leipzig Grabensystem wurde über die Jahre in seiner Ausdehnung eingeschränkt. Der Pösgraben ist ein Beispiel dafür, dass diese Einschränkungen sowohl auf Leipziger Flur als auch auf den Gemarkungen von Borsdorf zu Gefährdungen für die Ortslage Kleinpösna im Starkregenfall führen“, stellte der CDU-Antrag für ein ganz besonderes Einzugsgebiet fest. Die Versäumnisse liegen meist Jahrzehnte zurück, als den damals Verantwortlichen völlig egal war, ob die Grabensysteme funktionieren oder gar zur biologischen Vielfalt beitragen. Aber das hat sich in den vergangenen 30 Jahren deutlich geändert.

Jürgen Kasek (Bündnis 90/ Die Grünen) im Leipziger Stadtrat am 22.05.24. Foto: Jan Kaefer

Und die Stadt Leipzig sucht heute stattdessen nach verfügbaren Flächen, wo sie überhaupt noch Ausgleichsmaßnahmen für Verluste im Stadtinneren umsetzen kann.

„Immer wieder suchen wir nach Ausgleichsmaßnahmen für Baumaßnahmen in Leipzig. Diese sind immer weniger in Leipzig selbst zu verorten aus Mangel an Flächen. Als Alternative wird dann im Extremfall ein Feld im Umland gekauft, welches bewaldet wird. Dies sollte aus unserer Sicht deutlich koordinierter erfolgen“, forderte deshalb der Antrag der CDU-Fraktion, über den sich einer besonders freute: Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek. Denn damit werde die CDU-Fraktion erstmals auch auf dem Gebiet des Hochwasserschutzes aktiv. Auch wenn der Antrag ein Problem hätte: Die Stadt Leipzig arbeite ja schon genauso und suche längst schon außerhalb des Stadtgebiets nach Ausgleichsflächen.

Ist es schon Verwaltungshandeln?

Das Amt für Stadtgrün und Gewässer erklärte zu diesem Anliegen: „Maßnahmenflächen sind nicht ausschließlich auf das Gebiet der Stadt Leipzig beschränkt. Zum Thema besteht von Beginn an eine enge Zusammenarbeit mit den Kommunen des Grünen Ringes Leipzig / AG Interkommunales Flächenmanagement.“

Und auch Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal betonte am 22. Mai: „Aus unserer Sicht berücksichtigen wir das.“

Doch es scheint sich manchmal doch ziemlich zäh zu gestalten. Auch Rosenthal schränkte ein: „wo es rechtlich möglich ist“. Denn auch der Hochwasserschutz stößt in Sachsen immer wieder auf Einschränkungen – mal durch Baurecht, oft genug durch Besitzrechte. Denn oft gehören die für eine Renaturierung der Bäche und Gräben notwendigen Flächen (man sehe nur ins Gebiet der Nördlichen Rietzschke) gar nicht den Gemeinden, sondern Hauseigentümern und Landwirten. Die erst sensibilisiert werden müssen.

Und wie schwer es ist, Grundstücksbesitzer in Deutschland für vorbeugenden Hochwasserschutz zu sensibilisieren, haben die jüngsten Hochwasser wieder gezeigt. Da ist es egal, ob das in Niedersachsen, Saarland oder Bayern passiert. Jeder sieht nur auf sein eigenes kleines Stück Land. Die Vorstellungskraft, dass Wasser keine Besitzgrenzen kennt und im Starkregenfall einfach genug Fläche zur natürlichen Ausbreitung braucht, ist sichtlich vielen Menschen nicht gegeben. Lieber zahlen sie viel Geld für Versicherungen.

Sind die Handlungsempfehlungen von 2003 noch aktuell?

Eine Frage aus dem CDU-Antrag war freilich auch: Sind die Leipziger Arbeitsgrundlagen zur Revitalisierung der Gewässer 2. Ordnung überhaupt noch aktuell? Immerhin hat sich ja auch auf Landesebene das Denken zum vorbeugenden Hochwasserschutz deutlich geändert.

„Ggf. kann es aber an der Zeit sein, dass sich Leipzig aktiv in eine Novellierung der Bewertung von Ausgleichsmaßnahmen in Sachsen. Die Handlungsempfehlungen von 2003 benötigen dringend der Aktualisierung“, liest man im Antrag. „Dies können wir nicht beschließen, sondern nur anregen, dass Leipzig sich, wie vor 20 Jahren, aktiv einbringt und dies einfordert.“

Und so stand die Ratsversammlung am 22. Mai vor der Wahl, einfach den Verwaltungsstandpunkt abzustimmen und damit die Aussage der Verwaltung „wir machen das schon“ einfach zu akzeptieren. Oder doch noch einmal deutlich zu machen, dass das Thema hochaktuell ist. Dafür warb dann auch SPD-Stadtrat Andreas Geisler. Der CDU-Antrag kam so wie er war zur Abstimmung und erreichte mit 35 „Ja“-Stimmen ein klares Votum. 23 Stadträt/-innen enthielten sich der Stimme, niemand stimmte dagegen. Was schon etwas heißt in diesem Stadtrat: Das Thema Hochwasser wird tatsächlich für wichtig und drängend erachtet.

Da müssen alle Kommunen an einem Strang ziehen

Und ebenso, dass Leipzig das allein auf seinem Territorium nicht lösen kann. Weshalb der erste Antragspunkt aus dem CDU-Antrag durchaus auch ein Handlungsauftrag ist: „Bei der Akquise und Prüfung von Ausgleichsflächen ausdrücklich auch solche Flächen und Maßnahmen einzubeziehen, die dazu beitragen den Hochwasserschutz an den Gewässern II. Ordnung zu verbessern.“ Und dabei ist (Punkt 2) auch das Umland mit einzubeziehen. Denn solche „kleinen“ Gewässer, die im Hochwasserfall ebenfalls zu „großen“ Gewässern werden können, gibt es in jeder Himmelsrichtung. Und die meisten sind in einem eingeengten und eben nicht mehr natürlichen Zustand, im Starkregenfall also deutlich eingeschränkt.

Man möchte ja gern glauben, dass die Leipziger Gewässerverantwortlichen das alles schon im Blick haben. Aber der Klimawandel wartet nicht, sondern hält seine nassen Überraschungen allezeit parat. Leipzig und seine Nachbargemeinden sollten alles daran setzen, die ganz und gar nicht so unwichtigen kleinen Gewässer wieder aufnahmefähig und naturnah zu gestalten.

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