War das nun wieder eine der doppelten und dreifachen Anträge zu einem Thema, das der Stadtrat schon mehrfach beschlossen hat? Oder war der Antrag sogar zu klein gedacht, nicht mutig genug vor dem Hintergrund des Klimawandels, des Artensterbens und der zunehmend versiegelten Stadt? Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek gab sich am 22. Mai jedenfalls alle Mühe, für den Antrag „‚Grüne Inseln‘ in der versiegelten Stadt“ zu werben. Es half aber nicht.
„Der Oberbürgermeister wird beauftragt, im Rahmen der Umsetzung des Ratsbeschlusses zur Netto-Null-Versiegelung des Stadtplatzprogrammes, des Maßnahmenprogrammes für die Anpassung an den Klimawandel und im Zuge der Wärmeplanung sowie im täglichen Verwaltungshandeln, die Entsiegelung und Planung mit blaugrünen Gestaltungselementen auf kommunalen Flächen zu priorisieren“, hatte sich die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit ihrem Antrag gewünscht.
Und: „Hierbei sollen Liegenschaften von Stadt und kommunalen Unternehmen, insbesondere stark versiegelte und hitzebelastete Straßen und Plätze berücksichtigt werden.“
Dazu nannte die Fraktion vier kommunale Flächen, wo das eigentlich möglich sein sollte – Kasek ging in seiner Rede besonders auf den Bayerischen Platz ein, der natürlich ein eklatantes Beispiel für eine weitgehend versiegelte Stadtfläche ist.
Der Grünverlust geht nach wie vor weiter
Aber gleichzeitig wies auch der Grünen-Antrag darauf hin, dass es schon vier große Programme gibt, mit denen die Stadt sich insbesondere an den Klimawandel anpassen soll und gleichzeitig das Artensterben möglichst minimierten soll. Denn mit jeder verlorenen Grünfläche verschwinden ja auch wichtige Tierarten aus der Stadt.
Am selben Tag demonstrierten vorm Neuen Rathaus die Leipziger Umweltschutzverbände. Es war ja auch gleichzeitig Tag der biologischen Vielfalt. Und die ist in Leipzig nun einmal bedroht. Von mehr Grün kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Mit jedem neuen Bauprojekt gehen immer mehr gewachsene grüne Inseln verloren.
Eine wirkliche Strategie der Stadt, diesen Trend umzukehren, ist nicht in Sicht. Die großen Programme – vom Stadtplatzprogramm bis zur Klimaanpassung – werden Jahre dauern in ihrer Umsetzung. Und so sah es das Stadtplanungsamt schon richtig, wenn es den Grünen-Antrag so interpretierte: „Die Geschäftsstelle der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beauftragt den Oberbürgermeister mit der Erarbeitung eines Entsiegelungsprogramms und der Qualifizierung dieser Flächen im Sinne einer blau-grünen Infrastruktur (wassersensible Grünstrukturen) auf kommunalen Flächen. Weiterhin wird die zeitnahe Umsetzung diverser Pilotprojekte gefordert.“
Natürlich wird genau das gebraucht: Ein Programm, das sämtliche versiegelten Flächen in kommunaler Hoheit auflistet, die problemlos entsiegelt und begrünt werden können. Davon gibt es nicht nur vier oder zehn, sondern hunderte. Vier mögliche Pilotprojekte hatten die Grünen benannt. Doch zu jedem einzelnen führte das Stadtplanungsamt aus, dass man ausgerechnet hier gar nichts machen könnte. Zumindest vorläufig nicht.
Was das Stadtplanungsamt zu den vier vorgeschlagenen Pilotprojekten sagt
Vorplatz des Bayrischen Bahnhofes: Das Gelände des unmittelbaren Vorplatzes des Bayerischen Bahnhofs (Bahnhofsvorfläche auf dem Flurstück 3835/37 der Gemarkung Leipzig) befindet sich im Eigentum der Deutschen Bahn. Auf dieser Fläche konnte bereits die Anlage einer öffentlichen Grünfläche („Vorplatz Bayerischer Bahnhof“, GFK: 021.014) erfolgreich umgesetzt werden, welche durch das Amt für Stadtgrün und Gewässer bewirtschaftet wird. Eine räumliche Vergrößerung des vorhandenen öffentlichen Grüns bedarf einer Abstimmung.
Der Bayrische Platz, einschließlich der Bahnhofsvorfläche, ist zudem im Stadtplatzprogramm enthalten und über den Rahmenplan zur Mobilitätstrategie eingeordnet. Darüber hinaus steht die Umgestaltung des Platzes im Zusammenhang mit der Komplexmaßnahme des Verkehrsknotens Bayrischer Platz i-39. In Hinblick auf die bestehende Maßnahmenreihenfolge des Rahmenplans, sollte auf eine zeitliche Neueinordnung verzichtet werden.
Kohlweg: Durch die antragstellende Fraktion erfolgte an diesem Standort keine nähere Konkretisierung, welche Flächen tatsächlich entsiegelt werden sollen. Grundsätzlich befindet sich der Kohlweg als öffentlich gewidmete Verkehrsfläche in Fachliegenschaft des Verkehrs- und Tiefbauamtes, ebenso wie der Parkplatz auf der südlichen Teilfläche des Flurstücks 836 der Gemarkung Schönefeld zwischen Kohlweg und Shukowstraße.
Der Kohlweg ist nicht im Rahmenplan der Mobilitätsstrategie enthalten.
Da der Rahmenplan das zentrale Priorisierungsinstrument ist, regelt er die Planungen der kommenden Jahre. Aufgrund der begrenzten Kapazitäten können Maßnahmen, die nicht im Rahmenplan enthalten sind, nicht umgesetzt werden.
Huygensplatz: Der Platz wurde im Stadtplatzprogramm aufgrund der Fördermittelbindung bis Dezember 2028 nicht priorisiert. Eine Weiterqualifizierung hinsichtlich blaugrüner Gestaltungselemente muss kritisch geprüft werden. Bei einer nachträglichen zusätzlichen Möblierung (Bänke, Bäume, Papierkörbe etc.) ohne Eingriffe in den baulichen Untergrund ist keine Fördermittelrückzahlung erforderlich.
Zu beachten ist jedoch das Urheberrecht des Architekten (Planungswerkstatt 2010), d.h. entsprechende Abstimmungen sind erforderlich und Planungsaufträge können nur an den Wettbewerbssieger vergeben werden.
Bei Eingriffen in den Bestand (Pflaster und unterirdischer Leitungsbestand) ist mit einer Fördermittelrückzahlung in Höhe von ca. 107 €/m² zusätzlich Zinsen zu rechnen. Diese Kosten müssen bei einer erneuten Umgestaltung mit eingeplant werden. Für den 3.042 m² großen Huygensplatz erhielt die Stadt Leipzig eine Städtebauförderung von insgesamt 324.480 €.
Eine qualitative Aufwertung durch Schaffung von öffentlichem Grün wird seitens Dezernat III und des Stadtbezirksbeirates Nordwest grundsätzlich befürwortet. 2013 erfolgte die Herstellung eines multifunktionalen Platzes als Veranstaltungs- und Marktplatzfläche. Aus diesem Grund befindet sich die Fläche in der Fachliegenschaft des Marktamtes. Bei Herstellung einer öffentlichen Grünfläche ist die Übernahme in die Fachliegenschaft des Amtes für Stadtgrün und Gewässer erforderlich.
Dreilindenstraße – Parkplatz: Die im Antrag aufgeführten Flurstücke befinden sich in Fachliegenschaft des Liegenschaftsamtes bzw. der Oper Leipzig. Die Flurstücke 306e und 306f (Oper Leipzig) werden aktuell als PKW-Abstellflächen für Mitarbeitende und Besucher der Musikalischen Komödie benötigt und genutzt.
Für die Flurstücke 305, 305 h, 305 b und 305/1 (Liegenschaftsamt) hat die Oper Leipzig bereits weitere Nutzungsbedarfe bzw. Entwicklungsabsichten angezeigt (Neubau Kulissenlager und Probebühne), deren bauliche Umsetzung mittel- bis langfristig angegangen werden soll. Damit sind diese Flächen sowohl aus kommunalwirtschaftlicher Sicht als auch aus Sicht der nachhaltigen Stadtteilentwicklung als Pilotprojekt für Entsiegelungsmaßnahmen nicht geeignet.
War der Antrag zu klein gedacht?
Vielleicht hat Jürgen Kasek das Thema wirklich aus der falschen Perspektive betrachtet – zu kindgerecht. Er hatte extra vier Lego-Steine mitgebracht um zu demonstrieren, dass es ein kleiner, wichtiger Baustein wäre, der in diesem Antrag steckte. Aber für CDU-Stadträtin Sabine Heymann konnte er trotzdem den Eindruck nicht zerstreuen, dass es wieder ein gedoppelter Antrag war.
Was eigentlich entschuldbar ist. Denn obwohl Leipzig seit ein paar Jahren immer mehr Konzepte bekommt, die Stadt klimaneutrral und klimaangepasst zu machen, scheint wenig bis gar nichts dazu zu passieren. Das Tempo, die Stadt umzubauen, hinkt den auf allen Nachrichtenkanälen sichtbaren Tempo der zunehmenden Wetterextreme sichtlich hinterher.
Ein wirklich die komplette Stadt umfassendes Entsiegelungsprogramm würde eigentlich eine notwendige Ergänzung zu den schon beschlossenen Programmen sein.
Doch das wird es jetzt nicht geben. Der neugefasste Grünen-Antrag wurde mit 27:30 Stimmen abgelehnt.
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Zunächst etwas von “Entsiegelung und Planung mit blaugrünen Gestaltungselementen auf kommunalen Flächen zu priorisieren” faseln, und direkt danach der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 482 „Stadtquartier Paunsdorfer Allee/ Permoserstraße“ mit 20 ha Neuversiegelung zum positiven Votum verhelfen. Ich würde mal sagen billigster und doch sehr leicht durchschaubarer Wahlkampf. Eigentlich lustig wenn’s nicht so traurig wäre… Natürlich (wer’s noch nicht bemerkt haben sollte): Die Grünen sind genau so eine Versiegelungspartei wie die anderen auch… Sie sind nur besser im Heucheln…