Das war eine verpasste Chance. Aber vielleicht wollen ja tatsächlich alle Fraktionen in den ab Herbst beginnenden Haushaltsverhandlungen für die Jahre 2025 und 2026 noch einmal ausgiebig über den Leipziger Gewerbesteuer-Hebesatz diskutieren. Obwohl alle wissen, wie dringend die Stadt die Gewerbesteuer braucht, um überhaupt ausgeglichene Haushalte aufstellen zu können. Nicht grundlos hatte der Finanzbürgermeister empfohlen, den AfD-Antrag dazu abzulehnen.
Denn natürlich ist nicht abzusehen, wie sich Leipzigs Einnahmen in den nächsten Jahren entwickeln.
Dass ein AfD-Mann wie Christoph Neumann dabei lieber an die alten Weihnachtsmärchen des Neoliberalismus erzählt, dass die Gewerbesteuereinnahmen steigen, wenn man die Gewerbesteuersätze senkt, überrascht nicht. Die AfD ist eine zutiefst neoliberale Partei, die in ökonomischen Fragen ganz allein die Interessen der Reichen und Vielverdiener bedient.
Und die jeden für soziale Zwecke ausgegebenen Euro für rausgeschmissenes Geld deklariert. Das sagte der AfD-Mann am Rednerpult, wo er den AfD-Antrag zur Senkung der Leipziger Gewerbesteuersätze vortrug, deutlich genug.
Neoliberale Glaubenssätze
Dass seine Fraktion auch von der Rolle einer funktionierenden Metropole keine Ahnung hat, die – trotz etwas höherer Steuersätze – für Unternehmen attraktiv ist, das war dann dem AfD-Antrag selbst zu entnehmen. Denn in der Welt der neoliberalen Flickschusterei kommt die Erhebung von Gewerbesteuern einfach nicht mit der Tatsache zusammen, dass davon vor allem die Infrastrukturen bezahlt werden, die eine Stadt wie Leipzig für Unternehmensansiedlungen attraktiv machen – Straßen, ÖPNV, Schulen, Kitas, Kultur …
Der ganze „Bämbel“, den Unternehmer auch benennen, wenn sie mal erklären, warum sie sich in Städten wie Leipzig ansiedeln.
Aber im AfD-Antrag stand dann: „Mit einem Gewerbesteuer-Hebesatz von 460 Prozent hat Leipzig sachsenweit, verglichen mit den durchschnittlichen Hebesätzen in anderen sächsischen Kommunen, den höchsten Hebesatz überhaupt. Selbst im bundesweiten Vergleich ist er überdurchschnittlich hoch. In Zeiten einer weltweit unsicheren Wirtschaftslage sollte die Stadt Leipzig ihre heimische Wirtschaft mit allen denkbaren Mitteln fördern, entlasten und zukunftsfähig machen.“
Das hat noch nie so funktioniert. Tatsächlich konkurrieren Städte mit ihren Hebesätzen gegeneinander, wenn sie sie immer wieder senken, und versuchen so, sich gegenseitig Unternehmen abzuwerben. Das ist eine Spirale nach unten, wenn man so tickt wie die AfD. Mit dem Ergebnis, dass in kommunalen Haushalten Geld fehlt.
Nicht einmal im sächsischen Vergleich sind die Hebesätze in Leipzig exorbitant hoch – auch wenn Dresden und Chemnitz mit einem Hebesatz von 450 leicht darunter liegen. Will Leipzig also den beiden anderen Großstädten Unternehmen abspenstig machen? Das wäre ziemlich sinnlos.
Das Finanzdezernat hat deutlich gewarnt
Tatsächlich hat das Leipziger Finanzdezernat deutlich formuliert, dass sich Leipzig ein Absenken des Hebesatzes gar nicht leisten kann: „Der Gewerbesteuer-Hebesatz der Stadt Leipzig beträgt seit 2003 kontinuierlich 460 %. Somit haben die Unternehmen Planungssicherheit. Zudem entspricht die Höhe des Hebesatzes auch dem Durchschnittshebesatz in Städten mit über 500.000 Einwohnern; dieser liegt gemäß einer Erhebung im Jahr 2020 bei 457 %.“
Besonders attraktive Städte wie München leisten sich sogar einen Hebesatz von 490.
Und das Finanzdezernat betonte auch: „Ein stabiler Gewerbesteuer-Hebesatz ist ein wichtiger Faktor für die Sicherung der Gewerbesteuereinnahmen der Stadt Leipzig. Daher wird unter dem Erfordernis der Erfüllung der gesamtstädtischen Aufgaben derzeit kein Spielraum für eine Senkung des Gewerbesteuer-Hebesatzes gesehen.
Zur Stärkung der Wirtschaft und Schaffung guter Rahmenbedingungen für eine weiterhin positive wirtschaftliche Entwicklung werden erste Maßnahmen auch aufgrund des Antrages VII-A-09100 ‚Neue Kraft für eine starke Leipziger Wirtschaft – Nachhaltigkeit als Wirtschaftstreiber‘ erarbeitet. Mit Beschluss des zugehörigen VSP (geplant in der RV am 13.03.2024) wird die Verwaltung dabei verpflichtet, erste konkrete Maßnahmen vorzulegen.“ 25 Millionen Euro beschloss der Stadtrat dafür in seiner April-Versammlung.
Eigentlich ein klares Signal auch an die Ratsfraktionen, dass Leipzig gut daran täte, die Hebesätze nicht zu verändern, stattdessen die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft weiter zu verbessern.
Verwiesen zur weiteren Debatte
Aber die Botschaft kam bei CDU-Stadtrat Claus Uwe Rothkegel völlig anders an. Der tat dann gar so, als würde das Geld ausgerechnet dem Finanzbürgermeister fehlen und eben nicht gerade den Maßnahmen für eine bessere Infrastruktur. Statt den AfD-Antrag, wie er da vorlag, einfach abzulehnen, beantragte er, den Antrag in die Beratungen zum Doppelhaushalt zu verweisen, „wo er normalerweise hingehört“. Das heißt: die am 9. Juni neu zu wählende Ratsversammlung soll dann darüber beraten, ob die Hebesätze abgesenkt werden.
Und da nur Rothkegels Antrag zur Abstimmung stand und kein Stadtrat aufstand, den eigentlich gut verständlichen Verwaltungsstandpunkt zur Abstimmung zu stellen, ging es also nun um die Verweisung eines AfD-Antrags ins Haushaltsverfahren. Schon das ein seltsamer Vorgang. Aber irgendwie sitzt das falsche Denken über Steuersenkungen und Wohlstand, das Neumann vorexerziert hatte, auch in den Köpfen vieler anderer Stadträte. Rothkegels Antrag bekam mit 31:24 Stimmen eine Mehrheit.
Und jetzt wird die nächste Ratsversammlung also darüber debattieren, ob der Gewerbesteuersatz in Leipzig gesenkt wird. Oder ob man klugerweise beim alten Hebesatz bleibt und davon lieber den riesigen Investitionsstau in Leipzig, der weit über 3 Milliarden Euro liegt, weiter abarbeitet.
Keine Kommentare bisher
Schon erstaunlich: Da stellt sich der AfD-Stadtrat hin und beschimpft Linke/Grüne/SPD und die SPD stimmt dann trotzdem geschlossen dafür im Herbst über den Antrag zu debattieren. Und was genau läuft bei Norman Volger von den Grünen nicht ganz richtig? Geht er konsequent den Weg aller Bananen?