Kann Leipzig den Titel „Buchstadt“ bald begraben? Zum Beispiel, weil es kaum noch Buchhandlungen gibt, schon gar keine kleinen, die das Bücherleben in der Stadt in den letzten Jahren immer mitgestaltet haben? Viele von ihnen waren stets darauf angewiesen, dass auch die Stadtbibliothek bei ihnen Bücher bestellt. Doch seit 2023 ist alles anders. 80 Prozent des Beschaffungsetats der Stadtbibliothek wurden umgeschichtet und gehen damit den kleinen Buchhandlungen verloren.
80 Prozent von 3,1 Millionen Euro. Das ist eine Menge Geld. Grund für die Neuorganisation, die im Stadtrat schon für deutliche Debatte sorgte: Das EU-Beschaffungsrecht, um das man keinen Bogen machen könnte, wie das Leipziger Kulturdezernat betonte.
Aber das kann doch nicht der Sinn städtischer Aufträge sein, findet die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen und sucht nun einen neuen Weg, die engen Bandagen zu lösen, die eine freihändige Vergabe der Lieferaufträge der Stadtbibliothek scheinbar unmöglich machen. Eigentlich müsste doch nur das sächsische Vergaberecht auch in diesem Punkt novelliert werden.
Denn die Grenze, um die es die ganze Zeit geht, steht im Sächsischen Vergabegesetz: „Der Höchstwert für eine freihändige Vergabe nach § 3 Abs. 5 Buchst. i VOL/A wird auf 25.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) festgesetzt. Freihändige Vergaben nach § 3 Abs. 5 VOB/A* sind bis zu einem geschätzten Auftragswert in Höhe von 25.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) zulässig.“
Deswegen hat die Grünen-Fraktion einen neuen Antrag geschrieben: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, sich im Rahmen der Novellierung des Sächsischen Vergabegesetzes dafür einzusetzen, im zu verabschiedenden Gesetzentwurf eine Erhöhung und Dynamisierung der Schwellenwerte für freihändige Vergaben zu erreichen.
Ziel ist es, eine Rechtsgrundlage zu bekommen, die es der Stadt ermöglicht, die Ausschreibung beispielsweise des städtischen Bibliotheksetats so zu gestalten, dass der Etat auch kleineren, meist inhaber/-innengeführten Buchhandlungen vor Ort zugutekommen kann.“
Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
2025 geht’s um die Buchstadt Leipzig
Der Anlass ist ein höchst aktueller, wie die Grünen feststellen: „Die ‚Buchstadt Leipzig‘ steht im Fokus des geplanten Themenjahres 2025. Zur Buchstadt Leipzig gehören nicht nur die Leserinnen und Leser, die Autorinnen und Autoren, die Leipziger Buchmesse, die Verlage, Druckereien, Bibliotheken etc., sondern gehört eben auch die bunte, vielfältige Buchhandlungslandschaft.
Buchhandlungen sind nicht nur schlicht Verkaufsläden, sondern Kulturträger (beispielsweise durch Buchlesungen, so etwa im Rahmen von ‚Leipzig liest‘).“
Doch während Buchmesse und Lesefest für den Buchhandel meist ein richtiges Feuerwerk sind, gibt es auch Flautezeiten, in denen Bestellungen der Stadtbibliothek den Buchhändlern die Lage erleichtern. Bzw. erleichtert haben, denn 80 Prozent des Etats ging ihnen mit der Veränderung der Bestellmodalitäten 2023 verloren.
„Durch die 2023 auch in Leipzig erfolgte europaweite Ausschreibung der Städtischen Bibliotheksetats (EU-Vergaberecht) gerieten kleinere (meist inhaber/-innengeführte) Buchhandlungen ins Hintertreffen. Diese kleineren Händler/-innen sind allerdings auf jeden Auftrag angewiesen; der Wegfall der bisherigen Vergabepraxis ist für diese Buchhandlungen existenzgefährdend“, stellen die Grünen in ihrem Antrag fest.
Leipzig wäre also dringend auf die Novellierung des Sächsischen Vergabegesetzes angewiesen, um Alternativen zur aktuellen, europaweiten Ausschreibung der Städtischen Bibliotheksetats anwenden zu können.
Neue Regeln ab 2026?
Da die aktuellen Vergaberegeln bis 2025 gelten, könnte die Stadt Leipzig nach entsprechender Novellierung des Sächsischen Vergabegesetzes 2026 neue Rahmenvereinbarungen treffen.
Dabei wäre so eine Änderung wichtig für die regionale Wirtschaft, betonen die Grünen: „Sowohl in kultureller und auch ökologischer Hinsicht (kurze Wege) als auch in Hinblick auf Mittelstandsförderung ist die Unterstützung kleinerer Buchhandlungen in der Buch- und Messestadt Leipzig ein Gebot der Stunde.
Im Übrigen: Eine wesentliche Intention der aktuellen Novellierung des Sächsischen Vergabegesetzes ist die Schaffung eines Rechtsrahmens zur Förderung fairer, sozialer und ökologischer Bedingungen für den Wettbewerb.“
Im Februar hat das Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr den Entwurf für ein völlig neu gefasstes Vergabegesetz vorgelegt. Aktuell befindet sich das Gesetz in der Anhörungsphase. An dieser Stelle müsste sich Oberbürgermeister Burkhard Jung also einbringen.
Erst wenn so eine Intervention Erfolg hat und die Wertgrenzen für die freihändige Vergabe deutlich angehoben werden, kann Leipzig daran gehen, die Buchbestellungen der Stadtbibliothek wieder großenteils über die hiesigen Buchhandlungen abzuwickeln.
Aber das kann dauern. Der Erfolg ist nicht sicher.
Weshalb die Grünen in einem dritten Antragspunkt auch die langfristige und nachhaltige Förderung kleiner Buchhandlungen in der Stadt beantragen. Geeignete Maßnahmen sollen dem Fachausschuss Kultur und dem Fachausschuss Wirtschaft, Arbeit und Digitales bis Ende des 3. Quartals 2024 vorgelegt werden.
„Zum geplanten Themenjahr ‚Buchstadt Leipzig – Stadt des freien Wortes‘ 2025 führt die Stadt Leipzig mit geeigneten Partner/-innen eine öffentlich wirksame Kampagne zur Förderung des lokalen Buchhandels durch.“ Doch die Zeit läuft. Denn auch der Weg des Antrags durch die Gremien des Stadtrates braucht seine Zeit.
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