Sie sind Orte von Abschied und letzter Ruhe, Refugium des gestressten Großstädters, Spiegel von Kultur und Stadtgeschichte, dienen der Trauerbewältigung, dem Innehalten und stellen nicht zuletzt einen ökologischen Faktor dar. Doch Friedhöfe in Leipzig stehen aus vielerlei Gründen unter gewaltigem Anpassungsdruck. Nun beschloss der Stadtrat, diese bedeutsamen Orte für die Zukunft zu rüsten.
Leipzig zählt insgesamt sage und schreibe 45 Friedhöfe, von denen sich das Gros (36) in kirchlicher Hand befindet. Dazu kommen zwei jüdische Friedhöfe, die restlichen sieben stehen in kommunaler Trägerschaft.
Friedhöfe stehen vor vielfältigen Herausforderungen
Was aber für alle gleich ist, sind die Herausforderungen, denen sie ausgesetzt sind: Flächenüberhang aufgrund vieler Urnenbestattungen, Klimawandel und entsprechender Mehraufwand bei der Bewässerung, die Anpassung mit Blick auf Pflanzen und Artenschutz. Hinzu kommen Unterhalt und Sicherung von Mauern, Grabmälern und Gebäuden, führte Stadträtin Anna Schneider-Kaleri (Grüne) am Mittwoch, dem 24. April, in der Ratsversammlung aus. Ihre Fraktion hatte einen Antrag „Leipziger Friedhöfe erhalten und aufwerten“ eingereicht.
„Besonders wichtig sind uns neben Klimawandelanpassung die weitere Öffnung in die Stadtgesellschaft, die Untersuchung der Infrastruktur sowie vielfältige Bestattungsformen, auch in Hinblick auf die Zunahme an transkulturellen Bestattungen“, betonte Schneider-Kaleri, selbst Mitglied im Aufsichtsrat Städtisches Bestattungswesen.
Bereits Ende 2022 sei der Evangelische Friedhofsverband wegen der Mehrbelastungen mit einem Schreiben an alle Fraktionen herangetreten. Die Bestandsaufnahme damals fiel ernüchternd aus: So stünde den kommunalen Friedhöfen pro Hektar noch etwas weniger Personal zur Verfügung. Die Lösung: Eine sogenannte Friedhofsentwicklungskonzeption musste her.
Stadt: Wir brauchen ein Jahr mehr Zeit
Die Stadt zeigte sich prinzipiell aufgeschlossen. Jedoch, so Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke) in einer Wortmeldung, sei der Zeitrahmen, ein Konzept bis zum 1. Quartal 2025 vorzulegen, nicht umzusetzen. Schließlich bedeutet die Aufgabe einen Kraftakt: Infrastruktur, ÖPNV-Anbindung und Denkmalschutz prüfen, Sanierungsbedarfe ermitteln, gesetzliche Handlungsmöglichkeiten etwa bei Bestattungsformen ausloten, Finanz- und Personalbudgets klären – all dies kostet schon bei den sieben Friedhöfen der Stadt Ressourcen und Zeit.
Hinzu kommt die erforderliche Koordination des ehrgeizigen Projekts mit nicht-kommunalen Friedhofsträgern. Rosenthal bat daher um einen realistischen Zeithorizont bis zum 1. Quartal 2026. Jürgen Kasek (Grüne) schlug gütlich vor, die Stadtverwaltung möge dem Fachausschuss bis Ende des 2. Quartals 2025 wenigstens einen Zwischenstand vorlegen. Dieser Frist stimmte Rosenthal zu.
Rosenthal widerspricht AfD-Fraktion
Dagegen widersprach er der AfD-Fraktion: Deren Stadtrat Christian Kriegel hatte in seiner Rede einen schlechten Zustand städtischer Friedhöfe beklagt und den angeblichen Abriss historischer Grabmäler „vor allem in dem letzten Jahrzehnt“ angeprangert. Zudem sei ein Antrag der AfD zur Bereitstellung von 200.000 Euro für die Friedhöfe abgelehnt worden. Den Grünen warf Kriegel vor, ihren „zustimmungsfähigen“ Ursprungsantrag per Änderungsantrag verwässert zu haben.
„Wir reißen keine Denkmale auf Friedhöfen ab“, stellte Heiko Rosenthal gegenüber der AfD klar. Zudem seien im Zuge des Doppelhaushalts auch Mittel für die Friedhöfe eingeplant.
Mehrheit für abgeänderten Antrag der Grünen
Während der Verwaltungsstandpunkt keine Mehrheit erzielte, wurde der Änderungsantrag der Grünen inklusive größerer Zeitschiene durch eine Mehrheit von 33 zu 22 Stimmen bei einer Enthaltung beschlossen. CDU und zwei linke Stadträte hatten ihre Änderungsanträge schon zurückgezogen. Damit ist OBM Burkhard Jung (SPD) offiziell beauftragt, Maßnahmen zum Erhalt und zur Entwicklung der städtischen Friedhöfe vorzulegen und dies im nächsten Schritt auch mit anderen Trägern abzustimmen.
Das Maßnahmenpaket hinsichtlich Klima- und Denkmalschutz, Ökologie, Mobilität, Öffnung zur Stadtgesellschaft und neue Bestattungsarten könnte in knapp zwei Jahren vorliegen, ein erster Arbeitsstand soll schon bis Ende Juni 2025 auf den Tisch kommen.
Keine Kommentare bisher