Was macht man mit einer Mobilitätsstrategie, wenn man eigentlich das Geld nicht hat, sie umzusetzen? Was eigentlich schon 2018 klar war, als der Leipziger Stadtrat mit überwältigender Mehrheit die „Mobilitätsstrategie 2030“ beschloss. Doch alles dauert viel länger, ist zäher und unüberschaubarer als gedacht. Zumindest kommt jetzt ein bisschen Ordnung ins Verfahren. Der Stadtrat hat es sich so gewünscht.
„Mehr Transparenz in der Umsetzung“, wie es Baubürgermeister Thomas Dienberg am Donnerstag, dem 25. April nannte. Da legte er in der Ratsversammlung die „Fortschreibung des Rahmenplans zur Umsetzung der Mobilitätsstrategie 2030 für Leipzig“ vor, die eigentlich ein Novum war. Denn erstmals bekamen die Stadträtinnen und Stadträte damit eine sehr konkrete Liste der Maßnahmen, die die Stadt allein in den Jahren 2025 bis 2028 im Rahmen der Mobilitätsstrategie umsetzen will.
Die Maßnahmenliste für 2025/2026.
Die Maßnahmenliste ab 2027 ff.
Parallel schaltete das Dezernat Stadtentwicklung und Bau ein Dashboard frei, in dem ein Teil dieser Maßnahmen auf einer Leipzig-Karte abgebildet ist. Allein dort sind 231 Maßnahmen in einem Wertumfang von 1,3 Milliarden Euro abgebildet, wovon 197 gerade in Planung bzw. im Bau sind.
Das ist eine Hausnummer. Aber gerade das zeigt, wie groß der Investitionsaufwand für die Verkehrswende in Leipzig tatsächlich ist. Was das Dashboard nicht zeigt, ist das, was Grünen-Stadträtin Kristina Weyh im zeitweilig beratenden Ausschuss Verkehr und Mobilität erlebt hat, wo sie für die Grünen-Fraktion Mitglied ist.
Denn sie hatte nicht einmal geahnt, welch einen riesigen Berg an Investitionsstau Leipzig vor sich herschiebt, Ergebnis jener langen und radikalen Sparphase, welche die Leipziger Politik im Grunde bis 2018 bestimmt hatte.
In diesem Berg stecken Dutzende große Brücken- und Straßenbauprojekte, die allesamt schon vor 2020 hätten umgesetzt werden müssen – ganz ohne Verkehrswende, einfach zur Ertüchtigung und zum Erhalt des Leipziger Straßennetzes. Damals wurden auch die Zuschüsse für die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) radikal heruntergefahren, was auch beim wichtigen ÖPNV-Dienstleister der Stadt die Spielräume für dringend notwendige Investitionen drastisch beschnitt.
Endlich ein Fahrplan
Der Investitionsstau war so groß, dass wahrscheinlich selbst im Baudezernat niemand mehr die wirkliche Übersicht hatte, was dringend zuerst gebaut werden musste und wie man überhaupt so etwas wie Ordnung in die Verkehrswende bekommen könnte. Weshalb der Stadtrat genau so einen Ablaufplan beauftragte – wahrscheinlich selbst nicht ahnend, was das für einen Berg von Arbeit im zeitweilig beratenden Ausschuss Verkehr und Mobilität mit sich bringen würde.
Aber Kristina Weyh zeigte sich hinterher trotzdem heilfroh, dass man sich die Menge von Arbeit gemacht hat. Denn was das Baudezernat nun vorgelegt hat, gibt tatsächlich zum ersten Mal eine relative Transparenz dessen, was geplant und gebaut wird.
Und die Stadträte täten gut daran, mahnte FDP-Stadtrat Sven Morlok, sich in den nächsten Jahren in Disziplin zu üben und die in gemeinsamer Abstimmung festgezurrte Liste nicht wieder durch neue Anträge und Priorisierungen durcheinanderzubringen. Obwohl er auch gleichzeitig kritisch anmerkte, dass ihm in den vom Baudezernat gelieferten Maßnahmenlisten die ÖPNV-Projekte fehlen, also eigentlich der Kern der ganzen Mobilitätsstrategie.
Aber allein der Blick auf die sogenannte Südsehne zeigt auch, worauf Linke-Stadträtin Franziska Riekewald hinwies: wie elend lang allein die Prozesse bis zu einer Machbarkeitsstudie sind. Ergebnis: Eigentlich ist in der 2018 beschlossenen Mobilitätsstrategie längst Halbzeit, aber die Leipziger spüren kaum etwas von der Verkehrswende.
CDU-Fraktion bringt noch vier Antragspunkte durch
Lediglich die CDU-Fraktion hatte noch einen Änderungsantrag zur Vorlage geschrieben, weil sie ihrerseits viele Dinge in der Vorlage vermisste, die der Stadtrat eigentlich auch schon beschlossen hatte. Die aber auch schon Verwaltungshandeln sind, wie Thomas Dienberg erklärte.
Trotzdem warb CDU-Stadträtin Sabine Heymann für den Änderungsantrag, durchaus auch mit der Befürchtung, dass diese Dinge dann doch wieder im alltäglichen Verwaltungshandeln untergehen. Und einige der Punkte fanden auch das Wohlwollen der Linksfraktion, weshalb Franziska Riekewald eine punktweise Abstimmung des CDU-Antrags beantragte.
Es wurde richtig bunt.
Von den acht Antragspunkten hatte Dienberg einen schon für die Stadt übernommen: „Dem Rahmenplan wird eine (vor Änderungen zu schützende) EXCEL-Tabelle beigelegt, die es dem Stadtrat, den Stadtbezirksbeiräten und Ortschaftsräten erleichtert, die Realisierung zu verfolgen.“
Drei Punkte aus dem CDU-Antrag fanden keine Mehrheit. Das sind diese hier:
„Im Rahmen der Umsetzung der 30 km/h-Abschnitte lt. Anlage 3 ist die Auswirkung auf Verkehrssicherheit und Verlärmung in den umliegenden Nebenstraßen zu prüfen. Der Prüfkatalog ist dem Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau umgehend vorzulegen. Bei deutlicher Verschlechterung der Situation für die Nebenstraßen wird von der Umsetzung der 30 km/h verzichtet. Für Hauptstraßen und Straßen, auf denen ÖPNV verkehrt, ist diese Prüfung verpflichtend.
Planung und Durchführung von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen erfolgt ausdrücklich nur in enger Abstimmung mit den Anliegern, um insbesondere Arbeits- und Wirtschaftsverkehr nicht über Gebühr einzuschränken. Die kompakte Stadt erfordert das effektive Zusammenspiel aller Verkehrsarten.
Streichung der Handschwengelpumpen und weiterer Aspekte, die nicht dem Thema Mobilität zuzuordnen sind, sondern in anderen geeigneten Programmen abzuarbeiten sind.“
Über den letzten Punkt kann man wirklich grübeln, denn nicht nur die Leipziger Handschwengelpumpen haben eigentlich nichts mit der Mobilitätsstrategie zu tun, sondern auch nicht die vielen Projekte zur Gewässerrenaturierung, die ebenfalls im Maßnahmenplan stehen.
Vier Antragspunkte aber fanden tatsächlich eine Mehrheit in der Ratsversammlung. Das sind diese hier:
„Verbesserung und Beschleunigung des P+R Angebotes. Zu diesem Zweck sind die Ausbaustandards zu verbessern, wie durch die Einordnung von öffentlichen Toiletten und eine bessere Anbindung an den ÖPNV.
Durch die Einbindung in das Tarifsystem der LVB soll die Nutzung des P+R Angebot attraktiv gemacht werden.
Einordnung von klar abgegrenzten Radverkehrsfurt über die LSA an Leipziger Ring, beispielsweise am Goerdelerring. Auf diese Weise soll das Miteinander von Fuß- und Radverkehr vereinfacht werden.
Verbesserung der Standards der P+R Anlagen durch Überdachung (begrünt oder mit Solaranlagen) und, wenn technisch möglich, mit öffentlichen Toiletten.
Verbesserung der Funktionalität der LSA, um auf tageszeitliche Schwankungen besser reagieren zu können. Auf diese Weise soll z.B. der Stau auf der Brandenburger Straße zwischen 15.30 und 17.00 Uhr sowie auf dem Martin-Luther-Ring vermieden werden.“
Also noch ein bisschen mehr Arbeit für die Planer im Verkehrs- und Tiefbauamt. Erstaunlich war dann eher, dass die CDU-Fraktion am Ende – obwohl etliche ihrer Antragspunkte nun Teil der Vorlage wurden – mehrheitlich gegen den Maßnahmenplan stimmte.
Was freilich dessen Annahme durch die Ratsversammlung mit 35:20 Stimmen nicht verhinderte. Womit Leipzig jetzt tatsächlich erstmals einen Investitionsfahrplan für die Mobilitätswende hat, der zumindest bis 2028 recht genau auflistet, welche Projekte für welches Geld umgesetzt werden. Eine Transparenz, so betonte auch Bürgermeister Thomas Dienberg, die es vorher so nicht gab.
Keine Kommentare bisher
Dafür, das es sich um eine Mobilitätsstrategie handelt, sind im Plan aber seltsam viele Gewässerthemen drin. Renaturierung, Offenlegung Elstermühlgraben, Hochwasserschutz? Erschließt sich zumindest nicht auf den ersten Blick. Kennt jemand den Zusammenhang?