Wenn man sich durch die Beschlüsse der Leipziger Ratsversammlungen arbeitet, bekommt man erst mit, welche Fülle an Aufgaben so eine Ratsversammlung tatsächlich hat und in wie vielen Feldern der Verwaltungsarbeit sie ein Wörtchen mitreden möchte. Die Vorlage des Referats für Beschäftigungspolitik zum Wechsel der Trägerzuständigkeiten im Jobcenter Leipzig hat seinen Grund auch in der deutlichen Unzufriedenheit des Leipziger Stadtrats mit der Zusammenarbeit mit dem Jobcenter Leipzig.

Ein Unmut, der in den letzten Monaten noch hörbarer wurde, als das Jobcenter die Mittelkürzungen durch den Bund auch zum Anlass nahm, viele Plätze in Fördermaßnahmen zu streichen. Von der Linksfraktion auch gern als „Kahlschlag auf dem sozialen Arbeitsmarkt“ bezeichnet.

Aber die Diskussionen im Stadtrat machen auch deutlich, dass die Stadt kaum Mitspracherechte hat bei den Entscheidungen des Jobcenters – was so manchen Stadtrat dann doch verblüffte, hat Leipzig doch seit 2010 den Vorsitz in der Trägerversammlung des Leipziger Jobcenters. Da müssten dann doch Beschlüsse des Stadtrates von der Stadt auch problemlos ins Jobcenter transferiert werden.

Wurden sie aber nicht, was auch die Rückmeldungen von Wirtschaftsbürgermeister Clemens Schülke im Stadtrat deutlich machten. Wie das Jobcenter seine Mittel konkret einsetzt, entscheidet ganz allein dessen Geschäftsführung. Das Modell, das die Stadt da 2010 gewählt hat, funktioniert also nicht wirklich.

Die Probleme einer Stadt im Niedriglohnland

Ob freilich alle von Linke-Stadtrat Volker Külow aufgezählten negativen Folgen für Leipzig auf falsche Entscheidungen des Jobcenters zurückzuführen sind, bezweifelte in der Ratsversammlung am 29. Februar auch OBM Burkhard Jung. Denn der Abbau der Arbeitslosigkeit hat – wie Külow richtig bemerkte – auch mit einem Arbeitsmarkt zu tun, auf dem das Niedriglohnsegment bis heute erlebbar ist. Und das auch beim Bürgergeld, denn tausende Bürgergeldempfänger sind nach wie vor Aufstocker, haben eine Arbeit, werden aber so schlecht bezahlt, dass sie zusätzlich Geld beim Jobcenter beantragen müssen.

Aber die Diskussionen im Stadtrat haben trotzdem Folgen. Die Stadt soll bei der Gestaltung der Förderpolitik im Jobcenter mehr Einfluss bekommen. Und das heißt: Die Leitungsstruktur soll verändert werden.

Das Referat für Beschäftigung schildert den Vorgang so: „Auf Grundlage des Ratsbeschlusses RBV-614/10 vom 15.12.2010 wurde zwischen den Trägern des Jobcenters die ‚Gründungsbegleitende Vereinbarung der Agentur für Arbeit Leipzig und der Stadt Leipzig zur Ausgestaltung der gemeinsamen Einrichtung Jobcenter Leipzig‘ abgeschlossen. Darin ist derzeit u. a. geregelt, dass:

der Vorsitz der Trägerversammlung von der Stadt Leipzig übernommen wird (§ 9) und im Gegenzug
der/die Geschäftsführer/-in von der Agentur für Arbeit und dessen/deren Stellvertreter/-in von der Stadt Leipzig besetzt werden (§ 10).

Vor dem Hintergrund, dass die derzeitige Geschäftsführerin im Februar 2024 in Ruhestand tritt, haben sich die beiden Träger einvernehmlich darauf verständigt, dass die o. g. Zuständigkeiten in der Form zu wechseln, dass ab 2024:

1. die Agentur für Arbeit Leipzig den Vorsitz der Trägerversammlung übernimmt,
2. der/die Geschäftsführer/-in von der Stadt Leipzig und dessen/deren Stellvertreter/-in von der Agentur für Arbeit besetzt werden und
3. zukünftig die Trägerversammlung einvernehmlich über einen Zuständigkeitswechsel entscheiden kann, ohne dass eine erneute Änderung der Grundsatzvereinbarung notwendig wird.“

Offizielle Wahl für die Geschäftsführung 2024

Da die Geschäftsführerin/der Geschäftsführer vom Jobcenter bezahlt wird, erzeugt das keine zusätzlichen Kosten im Haushalt der Stadt.

Aber auch das Leipziger Wirtschaftsdezernat betont einen wichtigen Vorteil der neuen Regelung: „Des Weiteren verspricht sich die Stadt Leipzig durch den Zuständigkeitswechsel in der Geschäftsführung, eine unmittelbare Einbringung der kommunalen Interessen, wie bspw. die Höhe der kommunalen Beteiligung am Verwaltungshaushalt (KFA) oder den Einsatz der Eingliederungsmittel, u.a. für öffentlich geförderte Beschäftigung. Dennoch hat sich ein(e) kommunale(r) Geschäftsführer/-in auch an die Weisungen des BMAS und der Bundesagentur für Arbeit zu halten.“

Da man nicht einfach so aus der Hüfte eine Kandidatin oder einen Kandidaten für die Geschäftsführung in der Hinterhand hat, sieht die Vorlage eine Übergangsregelung vor: „Die Stadt Leipzig schlägt für den Zeitraum ab 01.03.2024 einen Geschäftsführer bzw. eine Geschäftsführerin für die gemeinsame Einrichtung vor, zunächst kommissarisch die stellvertretende Geschäftsführerin des Jobcenters Frau Nadia Arndt bis zum Abschluss eines Auswahlverfahrens unter Beteiligung des Stadtrates.“

Das gibt Zeit für eine Kandidatenkür im Leipziger Stadtrat, die noch 2024 erfolgen soll.

Wahrscheinlich löst das dann trotzdem nicht alle Konflikte, obwohl dann wahrscheinlich der Draht zwischen Geschäftsführung und Trägerversammlung kürzer wird. Denn nach wie vor wird die Bundespolitik auch in die Arbeit des Leipziger Jobcenters hineinwirken. So wie die rigiden Sparmaßnahmen von Bundesfinanzminister Christian Lindner die Verwerfungen der letzten Monate erst erzeugt haben.

Eine Gegenrede zum Vorhaben, dass die Stadt die Geschäftsleitung im Jobcenter besetzt, gab es am 29. Februar nicht. Die Ratsversammlung stimmte der Vorlage einstimmig zu.

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