Sechs Jahre ist das inzwischen her, dass das Bundesverfassungsgericht die aktuell geltende Grundsteuer für verfassungswidrig erklärte. Grund waren Verzerrungen bei der Wertbemessung von Grundstücken, die über Jahrzehnte entstanden waren. Ein neues Grundsteuergesetz musste her. Aber das dauerte. Bis 2022. Wirklich in Kraft tritt die neue Grundsteuer nun erst 2025. Am 29. Februar war sie deshalb auch Thema im Leipziger Stadtrat.
Denn wie die 2022 endlich vom Bundestag beschlossene neue Grundsteuer in den Kommunen umgesetzt wird, regelt zwar zuerst die jeweilige Landesgesetzgebung. Und der Freistaat Sachsen hat sich schon 2023 entschlossen, die neuen Grundsteuerhebesätze transparent und so zu gestalten, dass es in der Summe möglichst nicht zu einer Erhöhung der Grundsteuer für die Betroffenen kommt.
Aber zu Änderungen wird es kommen. CDU-Stadtrat Claus-Uwe Rothkegel konnte dazu schon aus eigener Betroffenheit berichten. Denn natürlich geht es bei der Reform darum, dass der Gleichheitsgrundsatz auch im Grundsteuerrecht umgesetzt wird.
Darauf wies auch das Finanzministerium des Freistaats Sachsen im Oktober 2023 hin: „Die individuelle Steuerzahlung für die einzelnen Grundstücke wird sich aber aufgrund der Verwendung aktueller Werte verändern. Das Recht der Gemeinden, den Hebesatz eigenverantwortlich festzulegen, wird damit auch weiterhin nicht angetastet. Der Aufbau der entsprechenden Datensammlung soll sukzessive bis Frühjahr 2024 abgeschlossen sein.“
Und um dieses Grundrecht ging es am 29. Februar. Da lag nämlich eine Vorlage aus dem Finanzdezernat vor, in dem dieses schon einmal skizzierte, wie man in Leipzig die neuen Hebesätze festlegen will. Die gibt es nämlich noch nicht. Also musste im Einvernehmen mit dem Stadtrat erst einmal geklärt werden, wie man die neuen Hebesätze ermitteln will.
Jedes Grundstück wird neu bewertet
„In Sachsen gelten die vom Bund beschlossenen Reformgesetze und landeseigene Steuermesszahlen, die im Sächsischen Grundsteuermesszahlengesetz festgelegt sind. Die Städte und Gemeinden tragen für diese Situation keine Verantwortung, sind aber an einer rechtmäßigen Besteuerungsgrundlage und einem geordneten Erhebungsverfahren interessiert“, schrieb das Finanzdezernat dazu in einer eigenen Stellungnahme auf einen AfD-Antrag, der augenscheinlich die Komplexität des Verfahrens völlig verpeilte.
Und man kann sich gut vorstellen, dass der wiedergewählte Finanzbürgermeister Torsten Bonew das nur zu gern selbst vorgestellt und erklärt hätte. Aber aus gesundheitlichen Gründen war er ausgerechnet an diesem Tag verhindert.
Im Finanzdezernat ist man sich dessen sehr wohl bewusst, dass trotz einer solch kulanten Lösung wie in Sachsen viele Grundstückseigentümer vor Gericht ziehen werden, um gegen die neuen Festlegungen zu klagen. Denn natürlich haben einige Eigentümer in der Vergangenheit sehr kräftig von den nicht gleichwertigen Regelungen profitiert. Und möchten gern weiter profitieren.
„Jedes Grundstück wird im Rahmen der Reform neu bewertet. Die Finanzämter ermitteln derzeit die neuen Grundsteuerwerte. Der Bewertungsprozess wird sich bis weit in das Jahr 2024 erstrecken. Aus diesen Werten und der gesetzlich festgelegten Steuermesszahl wird der Grundsteuer-Messbetrag errechnet“, stellte das Finanzdezernat fest. Betonte aber auch: „Aus den Bescheiden des Finanzamtes geht die ab dem Jahr 2025 zu zahlende Grundsteuer nicht hervor.“
Denn dazu fehlt noch der neue kommunale Hebesatz.
„Erst mit Bekanntwerden des künftigen Hebesatzes der Stadt Leipzig, der mit dem Grundsteuer-Messbetrag multipliziert wird, lässt sich für den Einzelnen die Höhe der Grundsteuer berechnen“, betont das Finanzdezernat. Und gesteht auch zu: „Die Ungewissheit über die künftige Grundsteuer sorgt bei den betroffenen Steuerzahlern naturgemäß für Verunsicherung.“
Auf diese Sorgen sollte nun mit dem am 29. Februar vorgelegten Grundsatzbeschlusses reagiert werden.
Mehreinnahmen durch die Reform sind nicht beabsichtigt
Die wichtigste Prämisse bei der Festlegung der neuen Hebesätze: „Die Stadt Leipzig beabsichtigt nicht, aufgrund der Reform Mehreinnahmen zu erzielen. Daher soll sich die Gesamtsumme der Einnahmen aus der Grundsteuer für die Stadt Leipzig, das sogenannte Grundsteueraufkommen, durch die Reform nicht verändern (sog. Aufkommensneutralität)“, so das Finanzdezernat.
„Der Begriff ‚Aufkommensneutralität‘ wird oft missverstanden. Er bedeutet nur, dass die Stadt Leipzig nach Umsetzung der Reform (das heißt im Jahr 2025) ihr Grundsteueraufkommen insgesamt stabil halten kann – also im Jahr 2025 so viel an Grundsteuer einnimmt wie im Jahr 2024.“
In der mittelfristigen Haushaltsplanung hat Leipzig für 2025 und 2026 Einnahmen aus der Grundsteuer von 104 bzw. 105 Millionen Euro eingeplant, wie Linke-Stadtrat Steffen Wehmann anmerkte, der einen Antrag seiner Fraktion vorstellte, welcher diese Zielgröße auch im Beschluss festzurren sollte. Auch wenn das sprachlich ein bisschen kompliziert war, wie der Einspruch von FDP-Stadtrat Sven Morlok deutlich machte. Aber im Ansinnen waren sich die demokratischen Fraktionen einig.
2023 hat Leipzig mit der Grundsteuer 99 Millionen Euro eingenommen, 2024 werden es – einfach durch die Bebauung weiterer Grundstücke – dann wohl 100 Millionen.
Nur der Redner der AfD-Fraktion unkte etwas von Steuererhöhungen, sichtlich völlig überfordert von der doch nicht so einfachen Materie. Entsprechend deutliche Gegenrede bekam er denn auch von Steffen Wehmann und SPD-Stadtrat Andreas Geisler.
Das Finanzdezernat selbst hatte formuliert: „Die Stadt Leipzig möchte damit der gelegentlich vorgetragenen Behauptung, die Kommunen würden die Reform zu verdeckten Steuereinnahmeerhöhungen im Jahr 2025 ausnutzen, die Grundlage entziehen.“
Den folgenden Passus hatte der AfD-Redner sichtlich nicht verstanden: „Aufkommensneutralität bedeutet jedoch nicht, dass die Grundsteuer für den einzelnen Grundstückseigentümer gleichbleibt. Die Grundsteuerreform soll ja gerade eine Aktualisierung der Grundsteuerwerte herbeiführen und zu mehr Steuergerechtigkeit führen. Es ist aus verfassungsrechtlichen Gründen unvermeidlich, dass ein Teil der Grundstückeigentümer künftig höher belastet wird als gegenwärtig, ein anderer Teil hingegen weniger Grundsteuer zahlen muss.“
Deswegen gab es ja nun seit Jahren die heftigen Debatten. Meist angeführt von Akteuren, die von der Ungleichbehandlung in der Vergangenheit immer profitiert haben.
Aber Sachsen habe, so Wehmann, als eines von zwei Bundesländern eine sehr transparente Lösung gefunden.
Entscheiden wird der neu gewählte Stadtrat
Mit der Reform verändern sich 2025 alle Grundsteuerwerte im Stadtgebiet, hatte das Finanzdezernat noch betont. Die daraus folgenden Bescheide zu den Grundsteuer-Messbeträgen der Finanzämter seien aber für die Stadt Leipzig bindend. „Bei vorgegebenen Grundsteuer-Messbeträgen ist damit der kommunale Hebesatz die variable Größe, um die beschriebene Aufkommensneutralität zu gewährleisten.“
Nur sind die neuen Hebesätze noch nicht festgelegt. Das kann erst im zweiten Quartal 2024 passieren. Und deshalb wird dann auch erst der im Juni neu gewählte Stadtrat über die neuen Hebesätze befinden.
„Die ab dem 01.01.2025 geltenden Hebesätze können zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht verbindlich festgelegt werden, weil die dafür erforderlichen Daten (Grundsteuermessbeträge) noch nicht abschließend vorliegen. Dennoch sollen die Bürgerinnen und Bürger über die Zielstellung und das Verfahren zur künftigen Hebesatzfestsetzung frühzeitig informiert werden“, erklärte das Finanzdezernat in seiner Stellungnahme zum AfD-Antrag. „Daher soll bereits im zweiten Quartal 2024 eine erste Aufbereitung der möglichen Entwicklung der Hebesätze durch die Verwaltung vorbereitet werden.
Die Finanzämter werden aber noch bis in die zweite Jahreshälfte 2024 hinein Grundstücke nach neuem Recht bewerten und zu erwartende Unschärfen in den Daten, z.B. aufgrund von Änderungsanzeigen oder Schätzungen, Stück für Stück abbauen. Die Entscheidung über die Höhe der Hebesätze ab dem 01.01.2025 trifft erst der aus der Kommunalwahl 2024 hervorgegangene neue Stadtrat, voraussichtlich im 4. Quartal 2024.“
Erst wenn sich dann abzeichnet, wie hoch das Aufkommen aus der Grundsteuer 2024 – noch nach der alten Festlegung – ausfallen wird, soll der entsprechende Wert auch in die Haushaltsplanung 2025 eingestellt werden, um den Grundsatzbeschluss zur Aufkommensneutralität im Jahr 2025 umzusetzen.
Und auch die Hebesätze, die jetzt im Frühjahr ermittelt werden, könnten erst einmal nur vorläufige sein, denn: „Zum Zeitpunkt der Festlegung der neuen Hebesätze und der darauf folgenden Erhebung der Grundsteuer 2025 wird es voraussichtlich so sein, dass noch nicht alle notwendigen Grundlagendaten vollumfänglich vorliegen bzw. die Finanzverwaltung später in Einzelfällen noch Änderungen übermittelt. Daher kann die Erstfestlegung der neuen Hebesätze auch nur auf einer verantwortungsvollen Schätzung basieren.“
Das Anliegen aus dem Antrag der Linksfraktion konnte OBM Burkhard Jung dann in die Vorlage der Stadt problemlos übernehmen.
Für den AfD-Antrag stimmten am Ende nur die vertretenen AfD-Stadträte, sodass er mit 10:43 Stimmen abgelehnt wurde. Während die Vorlage der Stadt mit 41:1 Stimmen eine klare Mehrheit bekam.
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