Dass die Bezahlkarte für Menschen im Asylverfahren kommen wird, ist mittlerweile bundesweit beschlossene Sache. Kommunen und Landkreise liefern sich derzeit auch in Sachsen ein Wettrennen, wer die Einführung am schnellsten über den Tisch bringt. Auch die CDU-Fraktion im Stadtrat beteiligt sich daran mit einem Antrag für eine Einführung „zum schnellstmöglichen Zeitpunkt“ nach dem Vorbild von Greiz und Eichsfeld, wo die Karte mit massiven Einschränkungen der Asylantragsteller*innen einhergeht.

Nach einem Statement des Sozialamts, in dem es hieß, die Stadt wolle die Karte einführen, sobald es bundeseinheitliche Regelungen gebe, womit Ende 2024 zu rechnen sei, war die CDU bereits zufrieden und zog ihren Antrag zurück. 

Damit wurde auch ein eigentlich relevanter Änderungsantrag der Linken hinfällig: Die Fraktion hatte dafür plädiert, einen Verzicht auf die Einführung der Karte zu prüfen und sich im Falle einer Einführung an einer liberalen Ausführung der Karte wie in Hannover zu orientieren. Auch solle die Stadt sich auf Bundes- und Landesebene dafür einsetzen, dass jede Stadt selbst über die Einführung entscheiden dürfe.

Bezahlkarte beschränkt Freiheit von Asylantragsteller*innen

Die Bezahlkarte soll die Bargeldauszahlungen an Personen im Asylverfahren beziehungsweise Personen, die Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, wozu auch abgelehnte Asylantragsteller*innen gehören, ablösen. Was im ersten Moment nach weniger Aufwand klingt, wird in der Realität genutzt, um die Betroffenen stark in ihrer Freiheit einzuschränken.

Der dahinterstehende Diskurs bezieht sich auf das widerlegte Argument von sogenannten Pull-Faktoren. Die Fabulierung: Je mehr wir Personen im Asylverfahren in ihren Rechten beschränken, umso weniger Menschen kommen – vollkommener Irrsinn, denn die Menschen fliehen vor Verfolgung, Krieg und schlechten Wirtschaftslagen und nicht weil man sich in Deutschland so schön ausruhen kann.

Land und Kommune können selbst über die Beschränkungen, die mit der Bezahlkarte einhergehen, entscheiden: So ist es in Greiz und Eichsfeld, wo CDU-Landrät*innen den Testlauf mit den Karten veranlasst hatten, für die Personen nicht möglich Geld abzuheben. Das bedeutet: Einkäufe auf Ebay oder beim Wochenmarkt sind nicht mehr möglich.

Auch ist die Karte auf Einkäufe in der jeweiligen Region beschränkt. Auslandsüberweisungen, das ist bundesweiter Konsens, sind nicht möglich, um zu verhindern, dass das wenige Geld, das die Menschen erhalten, an ihre Familien im Ausland geht. Außerdem kann der Landkreis ein Guthaben-Limit setzen. Wenn das Limit erreicht ist, kann kein weiteres Geld auf die Karte gebucht werden.

Liberales Modell in Hannover

Diese Freiheitsbeschränkungen über die Hintertür sind nach den aktuell auf Bundes-, Landes- und Kommenenebenen geführten Diskursen zu erwarten. So hatte Söder bereits nach dem Motto „Leberkäse ja, Alkohol nein“ angekündigt, auch beschränken zu wollen, was gekauft werden könne mit den Karten. Man mag sich Söders Empörung darüber, würde ihm selbst eine solche Beschränkung auferlegt, gar nicht vorstellen.

Genau auf die Landkreise Greiz und Eichsfeld bezieht sich auch die Leipziger CDU-Fraktion, anstatt auf Hannover, wo die Karte mit weniger Beschränkungen umgesetzt wurde. „Es wird keine Einschränkungen in Hannover geben“, hatte Grünen-OBM Belit Onay klargestellt.

Auch wird bereits davor gewarnt, dass eine Ausweitung auf Bürgergeldempfänger*innen drohen könnte.

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Es gibt 9 Kommentare

Hallo Sebastian,
ich sehe die Sache gar nicht mal groß anders als Sie. Abgesehen von meinem persönlichen Eindruck, dass manche Betreiber ordentlich Schindluder treiben. So wusste ich lange nicht, dass die Geflüchteten unterschiedlich viel Geld vom Sozialamt ausgezahlt bekommen, je nachdem in welcher Unterkunft sie leben. Denn die Kosten für ihre Unterbringung sind je nach Standort und Betreiber unterschiedlich groß und werden vorher abgezogen. Ich mag falsch liegen, aber nachdem was ich mitbekomme haben die großen kommerziellen Firmen oft nicht nur zu wenige sowie dreckige Toiletten- sie berechnen auch mehr Geld als kleinere. Sprich den Geflüchteten wird dort weniger Geld ausgezahlt- bei deutlich schlechteren Bedingungen. In den kleineren Unterkünften können die Menschen auch eher selbst kochen, dafür erhalten sie Geld, welches sonst direkt an das Catering bezahlt wird.

Natürlich braucht es in einer Krise auch die großen Player. Und bei denen arbeiten jede Menge anständige Menschen. Aber ein paar Leute verdienen sich garantiert mal wieder dumm und dämlich am Elend Anderer. Ich finde es genauso wichtig diese Brüder zur Strecke zu bringen, wie den Missbrauch unserer Sozialsysteme zu bekämpfen. Das sieht die CDU halt anders. Siehe Corona und Maskendeals, den Tanz um das Register für Lobbyisten, die Nebeneinkünfte.

Ansonsten sehe ich bei den Bezahlkarten auch Vorteile: die Geflüchteten müssen sich nicht erst ein Konto bei einer Bank besorgen, was oft lange dauert und wo auch einiges schief gehen kann. Und klar kann man auch zunehmend beim Bäcker mit Karte zahlen.

Schwierig finde ich wirklich die digitalen Geschichten wie z.B. den Kauf eines Handys mit Mobilfunk. Das Internet ist heutzutage extrem wichtig, da müssen die Bezahlkarten dann auch wirklich funktionieren.
In schāʾa llāh! 😉

> “Wer schon mal versucht hat mit Karte beim Bäcker, in der Gastro etc. pp. zu zahlen, weiß, dass das schlichtweg nicht möglich ist.”
So pauschal stimmt das doch gar nicht. Abgesehen davon, ob Bäcker oder Kneipe zu den Menschenwürde-definierenden Geschäften zählen, und weiterhin für vor Krieg und Elend geflüchtete Menschen elementare Orte sind, und demnach das Beispiel als Solches gegen die Bezahlkarte fragwürdig ist, gibts doch da Unterschiede je nach Region und konkreten Laden.
Beim Wendl kann man mit Karte zahlen, und im Viet Village Musikviertel ging das plötzlich auch, als ich gefragt habe, wie lange das Terminal denn schon kaputt sei und was konkret der Fehler ist. Ist doch echt nur vorgeschoben….

Wer schon mal versucht hat mit Karte beim Bäcker, in der Gastro etc. pp. zu zahlen, weiß, dass das schlichtweg nicht möglich ist. D.h. man schließt mit der Bezahlkarte viele Menschen aus. Die Gutscheinproblematik in der Vergangenheit hat des Bundesverfassungsgericht zu Recht für einen Verstoß gegen die Menschenwürde geurteilt. Mit der Bezahlkarte erwarte ich ähnliches, wenn man mit der Karte nicht ganz regulär auch Geld an Automaten abheben kann.

> Ich wette, dass Betreiber wie „Saxonia Catering“ deutlich mehr Geld veruntreuen als alle Bewohner zusammen.
Bei dem Gedanken, dass jede Idee, die für mehr Akzeptanz von Flüchtlingen sorgt, und gleichzeitig auch nur die Chance eines Pull-Faktors weniger auf Leute hat, die sich auf den Weg machen könnten und über Handys mit Leuten im Austausch stehen, die schon hier sind, würde ich für die zitierte Aussage das Neuwort “Whataboutism” verwenden.
Auch meine Werkstatt veruntreut, wenn sie mir die Räder “ohne Rechnung” wuchtet, es hat aber rein gar nichts mit Flüchtlingen zu tun, von denen wir aktuell ganz schön viele haben. Und bei uns im Betrieb macht Saxonia Catering seit Jahren nen guten Job, nebenbei gesagt…

Ralf,
sehe ich auch so.
Gerade zeigt aktuell das E-Rezept, wie Deutschland in Sachen Digitalität aufgestellt ist. Elektronische Gesundheitskarte oder elektronische Amtsgänge dasselbe.

Der frei verfügbare Betrag muss natürlich für Notwendigkeiten wie Mobilfunk etc. reichen.
Wochenmarkt oder Ebay finde ich – muss nicht zwingend sein.

Im englischen gibt es den Begriff „digital divide“. Also „digitale Kluft“. „Digitale Teilhabe“ finde ich persönlich schöner:
Im Artikel wird e-bay erwähnt. Was ist mit Mobilfunk und Internet? Kostenpflichtigen digitalen Sprachkursen? Ich finde die Idee der Bezahlkarten grundsätzlich in Ordnung, halte die digitale Infrastruktur Deutschlands aber für hoffnungslos überfordert.
Wer weiß, vielleicht liegt darin ja aber auch eine Chance auf Modernisierung. Also mehr „Deutschland-Talk“ als „Aldi-Talk“.

Im übrigen arbeiten Firmen wie
„Saxonia Catering“, die in Leipzig Unterkünfte für Geflüchtete betreiben, ungefähr wie folgt:
8 Toiletten, über 300 Menschen, unter der Woche wird nicht mehr nach 18:00 Uhr geputzt, am Wochenende sowie so nicht. Ich habe nicht nur Fotos gesehen- ich war da auch mehrfach pinkeln.

Ich wette, dass Betreiber wie „Saxonia Catering“ deutlich mehr Geld veruntreuen als alle Bewohner zusammen.

TLpz,
Auslandsüberweisungen sind mir egal, dafür soll ja ein ausgezahlter Betrag nicht verwendet werden.
Und wenn das sowieso keiner tut, ist die Regulierung auch nicht schlimm.

Ob nun Kriegs- oder Wirtschaftsflüchtling: ist es nicht auch legitim, diesen Menschen mit Bezahlkarte einen Teil(!) ihres Lebensbedarfs sicherzustellen?
Wenn Geld übrig bleibt, ist der Bedarf ja gesichert. Das kann und darf gern gespart werden.
Rationiert wird nichts (siehe Limit).

Wenn man mit der Karte die Akzeptanz in der Bevölkerung steigert, sollte das nicht verkehrt sein.
Wir haben zurzeit jedes Bisschen Akzeptanz nötig. Es geht hier um Sozialsysteme, deren Mittel alle erwirtschaften müssen und die knapp sind.
(Aufgrund diverser Krisen- oder Transformationssituationen).
Auch normale Bürger sind verschiedenen unerwünschten Zumutungen ausgesetzt.

Ich finde Entwicklungshilfe gut und richtig, aber die monatlichen Zuweisungen an Bedarfsempfänger sind dafür nicht gedacht.

@Christian
Nun ja, auch wenn der Bedarf offiziell ermittelt wurde kann man durchaus mit weniger für den täglichen Bedarf zurechtkommen. Insgesamt ist die Karte eine Augenwischerei. Man unterstellt ja grundsätzlich erstmal allen Kommenden, hier ausschließlich Geld abfassen zu wollen. Wirkliche Kriegsflüchtlinge werden dadurch gegängelt. Das eigentliche Problem, Wirtschaftsflüchtlinge von Kriegsflüchtlingen zu unterscheiden, schafft man auch mit der Karte nicht. Und wenn Auslandsüberweisungen mit der Karte nicht möglich sind, wird es andere Wege geben, dies zu tun. Genauso wenn man den Einkauf bestimmter Genussmittel rationieren würde…

Interessanterweise liest man unter solchen Artikeln recht wenig Kommentare…

Trotzdem muss ich mal fragen:
“…um zu verhindern, dass das wenige Geld, das die Menschen erhalten, an ihre Familien im Ausland geht.”

Dazu ist das Geld aber doch eigentlich nicht gedacht, oder?
Es soll doch den Lebensunterhalt des Bedürftigen sichern, und der Bedarf wurde ja offiziell ermittelt.
Oder ist da immer zu viel übrig?

Wenn man eine Bezahlkarte einführt, dann sollte sie in ganz Deutschland funktionieren.
Ein Limit sollte nur ausnahmsweise aktivierbar sein, wenn es grundhaft Probleme mit einer Person gibt.

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