Dass beim ersten Aufschlag nicht gleich alle infrage kommenden Plätze benannt werden, die zu echten Stadtplätzen mit Aufenthaltsqualität umgestaltet werden können, ist verständlich. Bis 2018, bevor die ersten wirklichen Hitzejahre auch in Leipzig zu erleben waren, hat das auch niemandem wirklich interessiert. Mit der Hitze wuchs das Bewusstsein dafür, dass man in einer dicht bebauten Stadt auch schattige Plätze im Freien braucht, wo man mal Luft schnappen kann.
Also legte das Baudezernat im Dezember 2023 zum ersten Mal ein Stadtplatzprogramm vor, dessen Kargheit nicht nur die Linksfraktion überraschte. Dass das zuständige Dezernat dabei vor allem an seine personellen und finanziellen Ressourcen gedacht hat, ist nur zu verständlich.
Die Ortschaften wieder mal vergessen?
„In der Vorlage wurden innerstädtische Plätze stark priorisiert, obwohl es zuvor in der Antwort auf unsere Anfrage VII-F-09303 hieß, dass auch ‚eher dörfliche Plätze‘ in das Programm eingearbeitet werden. Diese Priorisierung zeigt einmal mehr, dass die Ortschaften in der Stadtentwicklung an zweiter Stelle stehen und nach dieser Veröffentlichung in naher Zukunft keine Umgestaltung erwarten dürfen“, kritisiert die Linksfraktion die Vorlage in ihrem Änderungsantrag.
In welchem sie auch gleich noch drei innerstädtische Plätze unterbringt, die spätestens ab 2025 ins Stadtplatzprogramm eingeordnet werden sollen: „Aufgrund des baulichen Zustandes ‚Schädigungen‘ und des hohen Entwicklungspotentiales werden die Gartenplätze Plagwitzer Rathausplatz, Floßplatz und Platz an der Arthur-Hoffmann-Straße als Maßnahmenbündel mit Planungsbeginn spätestens im 1. Quartal 2025 eingeordnet und anschließend in die Umsetzung im Haushalt 2027/2028 eingeordnet.“
Bestimmt schlägt der Sachbearbeiter im VTA schon die Hände über dem Kopf zusammen. Da unterbreitet man einen machbaren Vorschlag – und dann ist es den Ratsfraktionen wieder nicht genug.
Was freilich nur zu verständlich ist, denn die Hitzejahre haben nun einmal auch deutlich gezeigt, dass Leipzig für die kommenden Hitzeextreme überhaupt nicht gebaut ist. Während unsere Vorfahren vor 120 Jahren tatsächlich noch lauter Plätze und Alleen mit Bäumen anlegten, zeichneten sich gerade die Platzgestaltungen der jüngeren Zeit durch steinerne Einfallslosigkeit und fehlendes Grün aus – egal, ob Bayerischer Platz, Kleiner Wilhelm-Leuschner-Platz, Kleiner Willy-Brandt-Platz oder Huygensplatz.
„In dieser Form ist das Stadtteilplatzprogramm aus unserer Sicht unvollständig und verfehlt seine Zielvorgabe. Wir fordern, die Stadt als Ganzes zu sehen und das Konzept in enger Absprache mit den Ortschaften an die Bedarfe anzupassen. Insbesondere die Gartenplätze spielen angesichts des Klimawandels eine wichtige Rolle in der lebenswerten Stadt und können der Entstehung von Hitzeinseln entgegenwirken“, stellt die Linksfraktion in ihrem Änderungsantrag fest.
„Stadtwälder, Parks und Grün- sowie Sportplätze, aber auch für jedermann zugängliche und ausreichend dimensionierte Stadtplätze eine immer größere Rolle.
In den letzten Jahren hat der Stadtrat neben der Wohnungsbauförderung die Inanspruchnahme von Städtebaufördermitteln aus dem Bund-Länder-Programm ‚Sozialer Zusammenhalt im Quartier gemeinsam gestalten‘ für Schaffung von weiteren Begegnungsangeboten für Kinder, junge Leute und Ältere sowie für ständige und temporäre Freizeit-, Sport- und Einzelhandelsangeboten angeregt.
Ebenso wurden, beispielsweise an der Connewitzer Spitze auch Einnahmen aus Ausgleichszahlungen, für die Sanierungsgebiete eingesetzt.“
Kurzfristig braucht es Pop-up-Stadtplätze
Und nicht viel anders klingt das im Änderungsantrag der SPD-Fraktion.
„Mit dem Stadtplatzprogramm wurde ein überzeugendes Konzept zur schrittweisen baulichen Realisierung von Stadtplätzen vorgelegt. Vor dem Hintergrund der zugrunde gelegten Ressourcen würde es viele Jahrzehnte dauern, alle grundsätzlich geeigneten Stadtplätze zu realisieren. Dies wird dem großen Bedarf an klimaangepassten Stadträumen mit hoher Aufenthaltsqualität nicht gerecht“, heißt es da.
„Mit der Umsetzung von sogenannten Pop-up-Stadtplätzen kann durch niedrigschwellige Maßnahmen mit geringem Planungsaufwand, keinen oder geringen baulichen Eingriffen, ggf. einer Entwidmung der Straßenfunktion und temporärer Begrünung und Sitzmöbel den genannten Zielsetzungen entsprochen werden. Für die nicht als Komplett- oder Teilumbaumaßnahme vorgesehenen Stadtplätze kann damit eine Perspektive auf kurz- oder mittelfristige Umsetzung entstehen.
In der Auswahl und Umsetzung ist denkbar, dass Stadtplätze aus der durch die Verwaltung erstellten Liste durch Stadtbezirksbeiräte vorgeschlagen werden und/oder eine Beantragung getragen von bürgerschaftlichem Engagement erfolgt.“
Und die SPD-Fraktion betont auch die wichtige Rolle der Stadtplätze in der Klimafolgenanpassung: „Stadtplätze bieten die große Chance auf eine umfassende Entsiegelung und Begrünung von Stadträumen. Als Rahmensetzung für Beteiligungs-, Planungs- und Umsetzungsschritte sind dementsprechende Leitlinien in Abstimmung mit den beauftragten Gesamtkonzept für Klimawandelanpassung zu entwickeln.“
Ein Maßnahmenplan für die Ortsteile
Und auch sie benennt das Thema der fehlenden Dorfplätze: „Insbesondere in den Ortschaften gibt es viel Potential für Garten- und Dorfplätze. Die im Stadtplatzprogramm vorgesehene Umsetzung von zwei Projekten wird diesem Bedarf nicht gerecht. Analog zum eigentlichen Stadtplatzprogramm ist deshalb ein Maßnahmenplan zu entwickeln, der geeignete Plätze identifiziert und Umsetzungsschritte formuliert. Die notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen für die Realisierung sind zu benennen und im Doppelhaushalt 2025/26 bereitzustellen.“
Und die Grünen? Auch sie haben einen Änderungsantrag vorgelegt, der genauso wie der SPD-Antrag die Forderung nach Pop-up-Plätzen und einem Maßnahmeplan für Garten- und Dorfplätze, der bis zum 4. Quartal 2024 vorzulegen ist, aufgreift. Da kann man eigentlich erwarten, dass sich diese Fraktionen noch zusammentun und einen gemeinsamen großen Antrag stellen.
Denn in einem sind sich diese Fraktionen einig: Leipzig muss viel mehr und viel engagierter für grüne Stadtplätze tun, auf denen sich die Bürger der Stadt im Sommer ein wenig Abkühlung holen können, wenn die Hitze auf den Dächern brütet und manche Wohnung in einen Glutofen verwandelt.
Es gibt 2 Kommentare
Die Grünen fangen zumindest mit dem Dringensten und Notwendigsten an, nämlich der konsequenten Beseitigung von Hindernissen. Immerhin…
Auch ich habe kein Verständnis mehr für das immer extremere und eklatantere Fehlverhalten der Autoführenden, ergo ist eine konsequentere Anordnung und Durchsetzung von stringenten Halteverboten mehr als geboten, auch wenn manche wieder jammern werden, daß ihre als “Grundrechte” mißverstandene Fehlgewohnheit unterbunden wird. Lernen durch Schmerz bzw. Abschleppen.
Ich würde gar noch weitergehen und die Parkordnung derart umgestalten, daß ein Halteverbot generell gilt, außer die Ausschilderung erlaubt das Parken.
Dann wiederumist es irgendwie bezeichnend, daß dem rechten Bärchen trotz verfehlter Thematik einmal wieder mehr seine eigene Monothematik auffällt, wenn er sich in der Situation wähnt, daß dem Automobilfetischismus einmal wieder von ihm selbst erdachte Grundrechte entzogen würden. In Konsequenz muß er die eigene selektive Wahrnehmung der Bezirkstreffen nutzen, um in bekannter rechtsregressiver Manier seine irrelevanten pseudonostalgischen Anekdoten auszupacken, um einmal mehr in die faschistoide Grünenhasserkerbe zu schlagen.
Das Muster ist bekannt, das Kind wird benannt.
Die Lügenmuster der Rechten ziehen weiterhin nicht, ich bleibe in Zukunft bei der Sache.
Immer, wenn ich das ehemalige Rathaus Südwest sehe, befällt mich Wehmut. Wieso nur hat sich die Stadtverwaltung einfach so aus der Stadtbezirklichen Fläche zurückgezogen? Daß nun schon seit Jahren darin Wohnungen sind, beschönigt eine schlechte Entwicklung. Aus dem o.g. abgebildeten Portal sind unzählige Brautpaare geschritten, dort standen die legendären weißen Kutschen der Firma Felgentreff, und einen Eingang weiter erreichte man die kommunale Verwaltung von Plagwitz. Tempi passati.
Das einzige, was mir zum “Stadtplatzprogramm” einfällt, sind absehbare drastische Halteverbote, die insbesondere B90/DG gerade auch für den Plagwitzer Anger im Sinne hat. Ich vernahm das einmal im Herbst 2022 während einer Sitzung des Stadtbezirksbeirates Südwest, zu der ich eingeladen war. Da versteht man keinen Spaß bei den Vertreterinnen und Vertretern von B90/DG. Die baulichen Vermessungen sind m.E dort bereits gelaufen, haarklein ist alles kartiert worden, was noch nicht kartiert war.
Nicht, damit ich falsch verstanden werde, ich kann mich an ingesamt drei, wahrscheinlich sogar vier generelle Umgestaltungen dieses Plagwitzer Angers erinnern. Zuerst war es weithin eine häßliche Hundewiese, dann kamen Stäucher, die den Platz an der Südspitze abweisend werden ließ, dann kam ein Brunnen mit Spinnereimotiven, der ist längst weg, und vielleicht vor 20 Jahren erreichte der Platz seinen Ist-Zustand. Ob es Aspekte zu ändern gäbe, die die Anwohner sich künftig dort einfinden lassen würden? EIn paar sicher (B90/DG bekämpfen zunächst einmal die abgestellten Autos). Aber das nun gleich noch dort die dräuenden Dürren im Quartier entscheidend bekämpft werden könnten, halte ich zwar für visionär, aber nicht für realistisch. Und Bäume stehen ja nicht wenige, zum Teil länger als das Menschengedenken reicht.