Immer öfter sorgen Baumfällungen in Stadtgebiet für Diskussionen und Ärger. Jahrzehntealte Bestände von Stadtgrün werden oft radikal auf vorgesehenen Baugrundstücken gefällt. Die Stadt wächst zwar und wird auch verdichtet. Doch dabei gehen wertvolle Frischluftschneisen und Biotope im Stadtinneren verloren. Wie gerade erst wieder für ein LWB-Bauprojekt an der Johannisallee. Oft wird ohne Prüfung einfach drauflos gefällt.
Aber wer ist schuld? Wer trägt die Verantwortung? Glauben Bauherren tatsächlich, dass ein genehmigter Bauantrag auch schon die Fällung aller Grünbestände auf dem Gelände beinhaltet?
Der Fall Johannisallee
Am 19. Februar wurden – nachdem die Initiative Stadtnatur im Januar die ungenehmigten Fällarbeiten für das LWB-Bauprojekt Johannisallee/Ecke Straße des 18. Oktober stoppen konnte – dann trotzdem sämtliche Bäume und Sträucher auf dem Gelände gefällt.
Diesmal wohl mit Genehmigung der unteren Naturschutzbehörde, aber offensichtlich wieder unter Umgehung des Artenschutzrechts, wie die Initiative Stadtnatur kritisiert. Für das Bauvorhaben der LWB und die damit verbundenen umfangreichen Rodungen war am 8. Januar 2024 aufgrund von Hinweisen der Initiative Stadtnatur wegen Verstößen gegen das Artenschutzrecht ein Baustopp verhängt worden.
Am 19. Februar sind die Gehölze dennoch gefällt worden. Die untere Naturschutzbehörde hatte den Baustopp zurückgenommen. Ines Wangemann von der Initiative Stadtnatur formuliert die deutliche Kritik an diesem Vorgehen: „Diese Entscheidung widerspricht eindeutig den naturschutzrechtlichen Bestimmungen, denn die gesetzlich geschützten Lebensstätten insbesondere von Vögeln und Fledermäusen wurden erst gar nicht erfasst. Es geht offensichtlich nur um die Umsetzung einer politischen Agenda, wofür das
Naturschutzrecht leichtfertig geopfert wird!“
Die Initiative Stadtnatur hatte die untere Naturschutzbehörde frühzeitig und schriftlich darauf hingewiesen, dass es gemäß Artenschutzrecht bei weitem nicht genügen kann, nur den aktuellen winterlichen Bestand kurz vor der Rodung zu erfassen. In diesem Fall blieben nämlich die wesentlich umfangreicheren Verluste an Lebensstätten, die im Frühjahr bis Herbst von Tieren (insbesondere Vögeln und Fledermäusen) auf der Fläche genutzt werden, unberücksichtigt.
Solche Lebensstätten sind dauerhaft geschützt. Es ist daher rechtlich erforderlich, dass eine Brutvogelkartierung sowie eine Fledermauskartierung während der gesamten Aktivitätszeit der Tiere durchgeführt werden.
„Die untere Naturschutzbehörde hat diese Forderungen an ein rechtskonformes Vorgehen komplett ignoriert. Dies ist skandalös! Leider verstößt die untere Naturschutzbehörde jedoch regelmäßig gegen geltendes Naturschutzrecht“, ergänzt Axel Schmoll von der Initiative Stadtnatur. „Die Initiative Stadtnatur wird auch in dieser Angelegenheit Akteneinsicht beantragen, um den Fall weiter aufzuklären.“
Die Initiative Stadtnatur sieht hier einen Konflikt bei Baubürgermeister Thomas Dienberg, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der LWB ist, und den Grünen. Die Grünen sind derzeit ja an allem schuld, oder?
Nur: Wer hat eigentlich den Bauantrag gestellt? Wer hat ihn genehmigt? Wer hat die Baumfällungen genehmigt ohne Artenschutzgutachten? Hinter den Kulissen lässt es sich so gut verstecken.
Die Grünen-Anfrage
Und die Grünen sind selbst langsam irritiert, was hier in Leipzigs Amtsstuben passiert und mit den vom Stadtrat beschlossenen Zielen zu Arten- und Klimaschutz nichts mehr zu tun hat.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat deshalb nach den zuletzt öffentlichen Zeitungsberichten und durch eine Reihe an Hinweisen von Bürger/-innen eine umfangreiche Anfrage zum Thema Baumfällungen im Leipziger Stadtrat eingereicht. Insbesondere soll geklärt werden, ob sich die Zahl an Hinweisen aus der Bevölkerung verändert hat und wie viele illegale Baumfällungen tatsächlich durch die Stadt in den letzten Jahren aktenkundig geworden sind.
Denn Zahlen dazu gibt es nicht. Die ungenehmigten Baumfällungen werden immer nur dann öffentlich, wenn sie von Anwohnern oder Umweltverbänden zur Anzeige gebracht werden. Und deswegen erwartet die Grünen-Fraktion eine Antwort darauf, wer die Verantwortung für die zuletzt auch in den Medien diskutierten Fällungen, etwa in der Holbeinstraße und der Johannisallee trägt.
„Fakt ist, dass Leipzig in den letzten Jahren unwiederbringlich Hunderte an Gehölzen ersatzlos verloren hat. Es ist auch nicht so, dass Baugenehmigungen oder Verfahren verlängert werden durch Umweltprüfungen“, stellt Jürgen Kasek, umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, dazu fest. „Viele Bauherr/-innen glauben leider, dass die Baugenehmigung bereits alle erforderlichen Genehmigungen einschließt, und kümmern sich nicht gesondert um etwaige Genehmigungen für Gehölzbeseitungen.
Die Schuld liegt somit oftmals nicht bei der Stadt, sondern ist bei den Bauherr/-innen zu suchen. Besonders ärgerlich sind die Fälle, wo die LWB handelt und mehrfach fehlende Sensibilität im Umgang mit Aspekten des Baumschutzes gezeigt hat. Das aktuelle Verfahren, auf das die Initiative Stadtnatur hinwies, spricht da Bände. Es ist auch ärgerlich, dass hier versucht wird, Wohnbebauung gegen Umweltschutz auszuspielen.
Für diesen scheinbaren Zielkonflikt gibt es gesetzliche Regelungen. Daher haben wir eine umfangreiche Anfrage eingebracht, um die Gesamtzahl an Baumfällungen, Ordnungswidrigkeiten, Bußgeldern und Anzeigeverhalten an den Tag zu bringen.“
Es gibt 12 Kommentare
@Rudi:
“Ob nun 2r oder 2e ist am Ende auch egal. Hauptsache irgendwas wird gedoppelt.
Dann nennen wir die Dorren eben Doreen”
Nicht nur der Vorname auch der Nachname ist falsch, wenn man Personen benennt, dann richtig. Anstatt oder so ähnlich.
@fra
Ob nun 2r oder 2e ist am Ende auch egal. Hauptsache irgendwas wird gedoppelt.
Dann nennen wir die Dorren eben Doreen
https://lwb.de/unternehmen/ueber-die-lwb/geschaeftsfuehrung
@Rudi: Bei der Kritik der Initiative Stadtnatur geht es meines Erachtens ja v.a. darum, dass die untere Naturschutzbehörde ihrer eigentlichen Aufgabe, nämlich der Umsetzung des Naturschutzrechtes, in diesem Fall – und auch regelmäßig bei anderen Vorhaben – nicht nachkommt.
Natürlich schreibt Herr Dienberg keine Bescheide selbst. Aber er trägt dennoch eine hohe Verantwortung. Er könnte sowohl als Baubürgermeister als auch als LWB-Aufsichtsratsvorsitzender dafür Sorge tragen, dass mit dem Stadtgrün besonders sensibel umgegangen werden soll und dass auch naturschutzrechtliche Anforderungen beonders in den Fokus genommen werden. Das tut er jedoch nicht, sondern das Gegenteil. Seine Agenda ist letztlich Bauen um jeden Preis.
@Rudi:
“Auch wenn Dienberg Vorsitzender der LWB ist, so ist für die Beantragung und Durchführung die Geschäftsführerin zuständig. Konkret Dorren Bock, da diese für Bauen zuständig ist.”
Der zweite Name dürfte wohl falsch sein.
Für die Beseitigung des Stadtgrüns ist das Dezernat III zuständig.
Für die Fällung muss ein Antrag bei der unteren Naturschutzbehörde gestellt werden. Das Amt für Umweltschutz erlässt dann einen Bescheid in dem auch geklärt ist, wie viele Bäume/Sträucher Ersatz gepflanzt werden müssen.
Auch wenn Dienberg Vorsitzender der LWB ist, so ist für die Beantragung und Durchführung die Geschäftsführerin zuständig. Konkret Dorren Bock, da diese für Bauen zuständig ist.
@ Rudi: Ich stimme zu, dass das Bauen gewünscht ist und über alle anderen Belange gestellt wird. So ist das auch in Leipzig. Aber natürlich kann der Baubürgermeister und Aufsichtsratvorsitzende der LWB zur Verantwortung gezogen werden, wenn systematisch geltendes Naturschutzrecht missachtet wird. Und das müsste er auch! Es ist ja nicht so, dass er das nicht weiß, nur ist es ihm leider völlig egal.
Dienberg ist auch dafür verantwortlich, wenn überall physisch vorhandener Außenbereich zum Innenbereich erklärt wird, wo es sich leichter bauen lässt. Das widerspricht zwar auch sogar dem Baurecht, wird aber so praktiziert.
Es ist meist nicht so, dass die Kommune sich gegen überbordende Bebauung und das Plattmachen des Stadtgrüns nicht zur Wehr setzen kann (wie Sie schreiben), sondern sie unterstützt dies aktiv.
Das kann man ja alles ganz toll finden. Dann sollte man das aber auch so sagen.
Perfiderweise versuchen die Grünen jedoch immer so zu tun, als würden sie sich für Naturschutz und Klimaschutz bemühen, mit leicht durchschaubaren Papiertigern, Ablenkungsmanövern, Konzepten die nichts konkretes bringen können usw. usf.
@robin W.
§34 SächsBO hat kein Baubürgermeister (und auch keine Baubürgermeisterin) zu verantworten. Man kann sich als Kommune nicht dagegen wehren, dass nach der geltenden Bauordnung gebaut werden darf, wenn das Gebäude sich in die Umgebung einfügt. Heißt: Um Baurecht zu verhindern, haben die Kommunen nur wenig Handhabe. Zumal man jetzt sogar bauen darf, wenn man nicht innerhalb von 30 Tagen nach Eingang des Bauantrages etwas gegenteiliges vom Amt fristgerecht zugestellt bekommt. Der Gesetzgeber will das gebaut wird. Die 400.000 Wohnungen/Jahr schafft man nun mal nicht, wenn die Kommunen an jedem Bauantrag ewig rumkriddeln. Und damit man dann auch gleich losbauen kann, wenn die Baugenehmigung vorliegt, werden im Winter vorsorglich auch alle Bäume gefällt um Baufreiheit zu schaffen. Die Strafen von bis zu 50.000 Euro sind bei Bauprojekten im Millionenbereich für die Investoren irrelevant.
Auch noch interessant ist das Video zum Fall Johannisallee: https://www.youtube.com/watch?v=mbpKQWq-_Fg&t=15s
Zu dem Satz im Artikel: “Die Grünen sind derzeit ja an allem schuld, oder?” Die Fakten sind halt wie sie sind. Unter keinem Baubürgermeister wurden so viele Baumfällungen beschlossen wie unter dem jetzigen von der Fraktion der Grünen. Und die Pläne vom Bauamt und seinem Leiter werden von der Fraktion der Grünen stets mitgetragen, begrüßt und beschlossen. Und die LWB – der Aufsichtsratvorsitzende ist halt Dienberg (und es sitzen noch weitere Parteimitglieder im Aufsichtsrat) – verstößt regelmäßig gegen das Naturschutzgesetz. Das lässt sich nicht beschönigen. Es wäre ja sicherlich schöner, wenn es anders wäre, aber wir müssen halt den Fakten ins Gesicht schauen. Und sicherlich sind auch die anderen Fraktionen nicht besser. Aber die Grünen stellen sich halt so gerne als Partei dar, die etwas für den Naturschutz und den Erhalt des Stadtgrüns übrig hätte. Und dies ist halt leider faktisch nicht der Fall. Es ändert daran auch nichts, dass die Grünen regelmäßig irgendwelche hübsche Konzepte fordern oder beschließen, so den Stopp der Nettoneuversiegelung 2023, die aber bloße Papiertiger sind und es auch bleiben müssen. Es ist diese Heuchelei und dieses Greenwashing, was so besonders nervt. Und auch, dass den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt letztendlich Sand in die Augen gestreut wird. Man kann das gerne auch als bewusste Täuschungsmanöver bezeichnen. Und auch jetzt versuchen sie sich wieder als die großen Aufklärer darzustellen. “Grüne wollen es jetzt wissen” – so sogar der Titel dieses Artikels. Sie sollten aber wissen (und sie tuen es, diese angebliche Unwissenheit nehme ich ihnen nicht ab, sorry), was sie an Baumfällungen ständig beschließen, auf dem Leuchnerplatz sogar als ökologisches Leuchtturmprojekt bejubeln.
@ zu gerd stefan: Es gibt reichtlich Leitfäden und auch Rechtsprechungen zu dem Thema Fortpflanzungs- und Ruhestätten. So sind laut LANA z.B. Reviere der Nachtigall ganzjährig geschützt. Fortpflanzungsstätten sind i.d.R. Reviere, die regelmäßig besetzt werden (davon ist auszugehen wenn die Habitatstrukturen vorhanden sind). Fledermäuse beziehen auch in Spalten etc. Quartiere. Auf dem Grundstück sind z.B. die gefällten Birken und die gefällte Silberpappel geeignete Bäume für Fledermausquartiere. Außerdem wurde auch vor dem ersten Baustopp ein Höhlenbaum gefällt. Nahrungshabitat sind dann geschützt, wenn sie essenziell für die Reviere sind. Das hätte man untersuchen müssen, das wurde aber von der unteren Naturschutzbehörde nicht gefordert. Gerade in einer Stadt sind Nahrungshabitate häufig der limitierende Faktor für Reviergründungspotenztiale. Somit kommt diesen in der Stadt eine besondere Bedeutung zu. Haussperlinge hatten auf der Fläche auch Ruhestätten, die ebenfalls geschützt sind nach dem Artenschutzparagraphen. Insofern liegt gerd stefan mit seinem Kommentar hier insgesamt sehr falsch.
Wie wäre es denn mal, liebe Stadt Leipzig, wenn eine Baugenehmigung erst dann erteilt wird, wenn *alle* in Frage kommenden Ämter ihren “Segen” (Genehmigung) dazu erteilt haben, und nicht nur eines!?
Es geht hier nicht nur um eventuelle Quartiere für Fledermäuse, lieber Gerd Stefan.
Einfach mal die Lesebrille rauskramen.
Zumindest das was ich an den gefällten Bäumen erkennen kann, sind da keine Quartiere von Fledermäusen schon aufgrund des geringen Alters der Bäume zu erwarten. Nur diese sind geschützt, allgemeine Nahrungshabitate nicht. Einfach Mal ins Gesetz schauen. Artenschutzparagraph im BNatSchG.