Baurecht schlägt Naturschutz. So kann man eine Antwort des Amtes für Bauordnung und Denkmalpflege an die Linksfraktion interpretieren, als diese jetzt nach der Umsetzung eines Stadtratsbeschlusses von 2022 fragte. Da wurden die vielen riesigen Glasfronten im Leipzig thematisiert, an denen jedes Jahr hunderte Vögel ihr Leben lassen. In dem Beschluss wurde auch eine Berichtspflicht verankert. Aber irgendwie ist das nicht so das Ding des Bauordnungsamtes.

„Am 15. Juni 2022 beschloss der Stadtrat den Antrag 06716 ‚Glasklar für Vogelschutz‘, welcher das Ziel verfolgt, Vögel vor dem Tod an durchsichtigen Glasflächen zu bewahren. Bauantragsstellenden soll dabei ein Beratungsangebot nachgewiesen werden“, hatte die Linksfraktion in ihrer Anfrage festgestellt.

„Außerdem wurde der Oberbürgermeister gebeten, dem Landesgesetzgeber gegenüber auf präventive Regelungsmöglichkeiten hinzuwirken, die über §44 BNatSchG hinausgehen. Dem Stadtrat soll jährlich bis zum 30. Juni über die Umsetzung des Beschlusses berichtet werden. Diese Berichterstattung fand bis heute nicht statt.“

Den Beschluss schätzte der NABU Leipzig sowieso als nicht ausreichend ein.

Rüffel und Rügen bekam Leipzigs Verwaltung für zu spät vorgelegte Beschlussvorlagen und fehlende Informationen in der Dezemberratsversammlung jede Menge. Was – wie in diesem Fall – dazu führt – dass die Ratsversammlung einfach nicht erfährt, welche Folgen ihre Beschlüsse haben.

Wenigstens ein paar Merkblätter

Ganz vergessen hat das Bauordnungsamt den Beschluss nicht.

„Alle Bauantragstellenden werden mit der Eingangsbestätigung durch das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege (ABD) unter Verweis auf den Beschluss der Ratsversammlung vom 15.06.2022 darauf hingewiesen, dass von durchsichtigen Glasflächen Gefahren für wildlebende Vögel ausgehen können. Auf das entsprechende Merkblatt des Amtes für Umweltschutz zum Artenschutz bei Bauvorhaben und das Beratungsangebot der Bauberatung wird verwiesen. Eine entsprechende Information erfolgt ebenso über die Webseite des ABD“, antwortet das Amt entsprechend auf die Anfrage der Linksfraktion.

Aber dann wurde es schon dünn: „Wie vielen Bauantragstellende wurde seit dem Beschluss des Antrages am 15. Juni 2022 ein Beratungsangebot über die Gefahr von durchsichtigen Glasflächen gemacht?“, fragte die Linksfraktion.

Und das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege verwies auf das verteilte Merkblatt: „Der o.g. Hinweis wurde im Jahr 2023 bisher mehr als 1.800 Mal versendet.“

Und da sie so etwas schon ahnte, fragte die Linksfraktion extra noch: „Wie viele Bauantragsstellende haben von diesem Beratungsangebot Gebrauch gemacht?“

Und das Bauordnungsamt: „Wie zu 1. beschrieben, erhalten alle Bauantragstellenden einen entsprechenden Hinweis mit der Eingangsbestätigung. Inwieweit diese Information zu einer Anpassung von Planungen durch die Bauherren führt, kann nicht quantifiziert werden. Eine separate Erfassung von artenschutzrechtlichen Fragestellungen im Rahmen der Bauberatung ist nicht möglich.“

Was ja bekanntlich auch an anderer Stelle für Ärger im Stadtrat sorgte, dass in Bezug auf klare naturschutzrechtliche Ausnahmetatbestände einfach keine Informationen vorliegen. Anfragen der Linksfraktion hatten ergeben, dass es dazu in der Verwaltung – auch im Amt für Umweltschutz – einfach keine Erfassung gibt.

Ans Tageslicht kommen solche Ausnahmegenehmigungen immer nur dann, wenn Bürger und Naturschutzverbände gezielt nachfragen wie jüngst bei den Baumfällungen an der Weißen Elster. In der Dezemberratsversammlung verpflichtete der Stadtrat die Verwaltung, eine entsprechende Software in allen beteiligten Ämtern aufzuspielen.

Dann könnten auch überdimensionierte Glasflächen dort verankert werden.

Dem sächsischen Regionalminister ist das alles egal

Ob sie tatsächlich untersagt werden könnten, ist eine Frage, die auch die Linksfraktion umtrieb. Denn nach § 44 des Bundesnaturschutzgesetzes wäre die Stadt eigentlich zum Schutz besonders geschützter Tiere verpflichtet, wozu auch die meisten in der Stadt heimischen Vogelarten gehören. Eigentlich.

Doch im Bauordnungsamt nimmt man diese Rolle nicht wirklich an. Weshalb der Beschluss von 2022 den OBM auch verpflichtete, sich bei der sächsischen Staatsregierung dafür einzusetzen, dass ein Verbot von riesigen Glasflächen in der Bauordnung verankert wird.

Doch der zuständige sächsische Regionalminister Thomas Schmidt (CDU) stellt sich in dieser Frage genauso stur wie in der Frage des angespannten Wohnungsmarktes in Leipzig, die er absolut nicht erkennen will, sodass wichtige Mieterschutzregelungen nicht angewendet werden können.

Und so teilt das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege mit: „Durch das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege wurde das Sächsische Staatsministerium für Regionalentwicklung mit Schreiben vom 16.08.2022 im Sinne des Beschlusses informiert und um Prüfung gebeten, ob bei einer Novellierung der Sächsischen Bauordnung (SächsBO) eine Erweiterung des im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Fachrechts um artenschutzrechtliche Belange erfolgen kann.

Im Antwortschreiben vom 14.12.2022 teilt das Ministerium mit, dass derzeit keine derartigen Novellierungen der SächsBO beabsichtigt sind. Es wird darauf verwiesen, dass der zum Artenschutzrecht gehörende Vogelschutz in den fachgesetzlichen Regelungen verortet ist, jedoch nicht im Bauordnungsrecht.“

Womit man wieder am Anfang wäre: Es gibt das Bundesnaturschutzgesetz, das bei Baugenehmigungen geprüft werden muss. Und normalerweise könnten städtische Ämter wie das Amt für Umweltschutz ihre Ausnahmegenehmigung verweigern, wenn Bauprojekte gegen Vorgaben des Naturschutzgesetzes verstoßen.

Doch das passiert ganz offensichtlich nicht. Auch mit dem Verweis auf die Sächsische Bauordnung, die diese Dinge nicht regelt und den Bauherren das Gefühl gibt, dass Naturschutz bei Bauvorhaben immer nachrangig ist.

Womit der Verzicht auf große Glasflächen weiterhin nur im guten Willen der Bauherren seine Umsetzung findet.

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