Das konnte sich Linke-Stadtrat Steffen Wehmann dann doch nicht verkneifen, den doch eigentlich hochverehrten Finanzbürgermeister Torsten Bonew daran zu erinnern, dass dieser einmal strikt gegen den Bürgerhaushalt gewesen war. „Ein kleines Stück direkter Demokratie“, wie es Wehmann nennt. Am 24. Januar bestätigte die Ratsversammlung – einstimmig – dass es auch im Doppelhaushalt 2025/2026 wieder einen Bürgerhaushalt geben wird.

Dass der gestrenge Finanzbürgermeister auch ganz berechtigte Ängste hatte, gab Torsten Bonew in seiner Einleitungsrede für den neuen Bürgerhaushalt am 24. Januar auch zu. Denn wenn die Bürger direkt eingebunden werden in Prozesse, die nach Sächsischer Gemeindeordnung allein Verwaltung und Gemeinderat vorbehalten sind, dann steht natürlich auch die Furcht im Raum, dass es dabei kontrovers und laut zugeht. Viele Bürger wünschen sich zwar mehr direkte Demokratie.

Aber das nutzen bekanntlich auch diverse Parteien aus, um diese Forderungen mit falschen Vorstellungen von „das Volk bestimmt“ zu verquicken. Die parlamentarische Demokratie ist nicht ohne Grund auch als Mittel etabliert worden, laute und rücksichtslose Partikularinteressen einzuhegen und tatsächlich regelhafte Entscheidungen zu etablieren, bei denen eben nicht eine laute Minderheit bestimmt, was „Volkes Wille“ ist.

Vorschläge, die Respekt verdienen

Umso mehr war Torsten Bonew überrascht von den qualifizierten und guten Vorschlägen aus der Leipziger Bürgerschaft zum ersten Leipziger Bürgerhaushalt, der 2022 etabliert wurde und mit dem Doppelhaushalt 2023/2024 in die Umsetzung kam.

Der hat eine lange Vorgeschichte, wie der finanzpolitische Sprecher der Linksfraktion, Steffen Wehmann, betont. Schon 2003 habe die damalige PDS-Fraktion den Vorschlag eines Bürgerhaushalts gemacht. Erhört wurde die Linksfraktion aber erst 2019, als sich endlich eine Stadtratsmehrheit fand, die die Idee eines Bürgerhaushalts unterstützte. Und mit dem Doppelhaushalt 2023/2024 wurde das Ganze dann auch erstmals umgesetzt.

Und zwar mit beachtenswerten Vorschlägen aus der Bürgerschaft, denen Bonew am 24. Januar seinen ganzen Respekt zollte.

Vorschläge, die davon zeugten, dass sich die 344 Personen, die Vorschläge einreichten, eben genauso intensiv mit ihrer Stadt und der Stadtpolitik beschäftigen wie der Großteil der Stadträte.

Und die Erfahrung hat Bonew auch bestärkt darin, dass das Anliegen des Bürgerhaushalts mehr Aufmerksamkeit verdient und deshalb in der Beratungsphase zum nächsten Doppelhaushalt deutlich vorgezogen werden muss. Sie soll diesmal noch vor der Sommerpause abgeschlossen werden. Vom 1. März bis zum 14. April, so sein Vorschlag, sollen auf der Plattform zum Bürgerhaushalt die neuen Vorschläge gesammelt werden, sodass die Verwaltung noch vor der Sommerpause Stellungnahmen dazu erarbeiten kann.

Und vom 19. August bis zum 8. September sollen dann direkt angeschriebene Bürger online über die eingereichten Vorschläge befinden. Ziel ist es dabei, die besten zehn Vorschläge zu ermitteln, die dann nach Befassung im Stadtrat auch in den Doppelhaushalt 2025/2026 Eingang finden.

Wie macht man den Bürgerhaushalt bekannter?

Die Vorlage des Finanzbürgermeisters, der den ersten Bürgerhaushalt deutlich als „eine kleine Erfolgsgeschichte“ beschrieb, enthält eine sehr ausführliche Analyse des ersten Beteiligungsprozesses zum Leipziger Bürgerhaushalt.

Herr Steffen Wehmann (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 24.01.24. Foto: Jan Kaefer
Steffen Wehmann (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 24.01.24. Foto: Jan Kaefer

Die Linksfraktion schrieb dann doch noch einen Änderungsantrag. Und auch hier wurde sichtbar, dass die Positionen der Ratsfraktionen und des Finanzbürgermeisters längst nicht mehr so weit auseinanderliegen wie zu Zeiten vor dem Bürgerhaushalt. Drei Punkte übernahm Totsen Bonew ohne Diskussion mit in die Verwaltungsvorlage.

Punkt 1 war nur eine Ziffernkorrektur. Viel spannender war Punkt zwei, bei dem es vor allem um den Zeitraum der Beteiligung geht: „Der Zeitplan in Abschnitt IV. Sachverhalt, 2. Beschreibung der Maßnahme, 2.3 Ablauf Bürgerbeteiligungsverfahren 2025/2026 (S.15) wird wie folgt geändert:

  • a. Öffnung der Beteiligungsplattform vom 01.03. bis 23.04.2024 (plus 9 Tage)
  • b. Übergabe der Bürgervorschläge an die Verwaltung: 25.04.2024
  • c. Festlegen der Zuständigkeiten aller Bürgervorschläge in der DB des OBM: 30.04.2024“

Das sind dann neun Tage mehr, in denen Bürgervorschläge eingereicht werden können.

Auch Punkt 4 konnte Bonew ohne Probleme übernehmen: „Die Verwaltungsspitze lädt die Leipzigerinnen und Leipziger im Zeitraum vom 01.03. bis 15.04.2024 zu mindestens vier stadtbezirksübergreifenden Bürgerinformationsveranstaltungen ein.“

Und da sollten möglichst auch alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister mit dabei sein, wünschte sich Steffen Wehmann. Denn die Haushaltsvorschläge der Bürger betreffen alle Dezernate, nicht nur das meist im Mittelpunkt stehende Baudezernat.

Nur Punkt 3 führte, wie Bonew erklärte, auch im Finanzausschuss zwar zu heftiger Diskussion, aber zu keiner Einigung. „Für das Online Beteiligungsverfahren zur Abstimmung der Vorschläge werden 20.000 Leipzigerinnen und Leipziger per Zufallsprinzip ‚anhand einer Stichprobenziehung (gemäß Einwohnerbeteiligungssatzung VII-DS-08901) aus dem Melderegister zu einer repräsentativen Onlinebewertung eingeladen‘ und angeschrieben“, hatte die Linksfraktion beantragt. Vorher hatte sie sich sogar 25.000 gewünscht.

Aber das werde nicht wirklich helfen, den Bekanntheitsgrad des Bürgerhaushalts zu erhöhen, wie nachher FDP-Stadtrat Sven Morlok argumentierte. Dadurch würden nur mehr Einladungsschreiben an eine repräsentativ ausgewählte Gruppe von Leipzigern versendet, die dann die Bürgervorschläge bewerten soll.

Aber zur Popularisierung des Bürgerhaushalts wäre es viel besser, wenn das Geld in eine Öffentlichkeitskampagne vor dem Einreichen der Bürgervorschläge gesteckt würde. Damit eben möglichst viele Leipzigerinnen und Leipziger vorher erfahren, dass sie jetzt kluge Vorschläge für den nächsten Haushalt der Stadt Leipzig machen können.

So sah es dann auch die Stadtratsmehrheit, die diesen Punkt des Linken-Vorschlags mit 18:38 Stimmen ablehnte.

Die andere drei Punkte hatte Bonew ja mit in die Verwaltungsvorlage übernommen, die am Ende einstimmig von der ganzen Ratsversammlung angenommen wurde, sodass das Rathaus jetzt daran gehen kann, die Werbekampagne für den neuen Bürgerhaushalt zu starten.

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