Yvonne Taube ist eine der LVB-Fahrerinnen, die dafür sorgen, dass in Leipzig Tag und Nacht Busse und Bahnen fahren. Sie liebt ihren Beruf – trotz schlechter Arbeitsbedingungen. Nicht nur die, sondern auch Mangel beim Ausbau und der Instandhaltung des Streckennetzes sorgen für Bahnausfälle, Verspätungen und vor allem auch dafür, dass eine Verlagerung der städtischen Mobilität hin zu den „Öffis“ nicht so einfach ist.
In den kommenden Monaten stehen jedoch die Verhandlungen und Streiks im Tarifvertrag Nahverkehr (TV-N). Die Leipziger Partei Die Linke nahm das zum Anlass, gemeinsam mit Politiker*innen, Gewerkschafter*innen und Beschäftigten das Thema am vergangenen Montag, dem 8. Januar, zu diskutieren.
„Ich habe meine Berufung gefunden“, erzählt Yvonne Taube bei der Diskussion. „Mir macht mein Job Spaß. Obwohl … naja, mittlerweile wird er ja besser bezahlt. Dafür haben wir uns auch den Popo aufgerissen, wenn ich das so sagen darf. Und jetzt versuchen wir an die Arbeitsbedingungen ranzugehen und sie zu verbessern. So wie es jetzt ist, kommen keine neuen Leute, weil sie hören: Wochenendarbeiten, Sonn- und Feiertagsarbeiten, Frühschicht, Spätschicht, Mittelschicht … nee.“
Auch Hans Kluge, ein ehemaliger Kollege, saß in der Diskussion. Nur ein Jahr arbeitete er in dem Beruf, dann musste er aufgrund vermehrter Krankschreibungen schließlich den Dienst quittieren – er entschied für sich selbst und für die Sicherheit der Fahrgäste, dass es so besser wäre.
„Was den Beruf unerträglich gemacht hat, waren die Arbeitsbedingungen, die durch diesen Sparzwang (…) entstanden sind“, so Hans. „Die Arbeit ist extrem verdichtet. Kollegen, die schon seit 30 Jahren fahren, berichten, dass früher noch der Vorderzug (vorhergehende Bahn am Wendeplatz, Anm. d. Red.) stand. Das heißt, dass ich Zeit hatte, den Zug zu kontrollieren, auf Toilette zu gehen, einen Schluck zu trinken und kurz runterzukommen.
Und „Es gibt eine inoffizielle Statistik, die sagt: Ein Straßenbahnfahrer rettet ein- bis zweimal pro Schicht einer Person das Leben, also durch beherztes Eingreifen und zackiges Bremsen. Das ist Stress und wenn man darauf nicht abgebrüht reagiert, dann steigt das persönliche Spannungslevel.“
Neben Yvonne Taube und Hans Kluge saßen auch Franziska Riekewald, Sprecherin für Mobilität der Linken-Stadtratsfraktion und Mitglied des Aufsichtsrats der LVB, sowie Paul Schmidt, ver.di-Landesfachbereichsleiter u.a. für Mobilität, auf dem Podium.
Mobilitätswende bei der LVB in weiter Ferne
Der ÖPNV ist unterfinanziert – eine Mobilitätswende so nicht möglich. 45 Millionen Euro hatte der Stadtrat lange Jahre für die Unterstützung der LVB freigegeben, damit beispielsweise Ticketpreise nicht ins Unermessliche steigen. Damit habe man die Fahrer*innen und das Schienennetz kaputt gespart, so Franziska Riekewald.
Im vergangenen Dezember sprach sich ihre Partei deshalb besonders für die Erhöhung des Budgets aus: Unter dem Titel „Liniennetz der Zukunft“ wurden unter anderem insgesamt 71,7 Millionen Euro für den Leipziger ÖPNV festgelegt.
„Jetzt geht es endlich in Richtung Entwicklung der LVB, also nicht nur um das Aufholen dessen, was die letzten Jahre falsch gemacht wurde, sondern auch in die Richtung: Wie können wir das Netz der Zukunft gestalten“, so Riekewald am Montag.
Ob das nun ausreichen wird? Man müsse erstmal die Fehler der letzten Jahre aufholen, so Riekewald. Jetzt werde an allen Ecken und Enden gebaut. Auch die schlechte Bezahlung der Fahrer*innen habe daraus resultiert: Deshalb habe sich die Linke im Stadtrat erfolgreichsowohl für eine Einsetzung des TV-N anstatt des Haustarifvertrags als auch für einen Inflationsausgleich eingesetzt.
Von einem (wie in der Mobilitätsstrategie 2018 festgelegten) Anteil von 23 Prozent des ÖPNV am Gesamtverkehrsaufkommen sei man aber noch weit entfernt.
Die Finanzierung des ÖPNV könne deshalb langfristig nicht nur auf den Schultern der Kommune ruhen, betont Riekewald. Man sei bereits so weit, dass der Freistaat Sachsen die sogenannten Regionalisierungsgelder an die Kommunen weitergebe. Diese Gelder erhält der Freistaat vom Bund, um unter anderem Aufgaben wie Ausbau oder Erhaltung des ÖPNV zu finanzieren.
Bessere Arbeitsbedingungen dringend nötig
Auch um die Beschäftigten drehte sich die Diskussion. In den nächsten drei Jahren braucht laut Riekewald es mehr als 150 neue Beschäftigte bei der LVB. Momentan werden es jedoch immer weniger. Im Dezember hatte ver.di die Forderungen für bessere Arbeitsbedingungen veröffentlicht.
Inhalt der Forderungen der Beschäftigten sind unter anderem eine Vergütung der Fahrtzeit, wenn der Dienst an einem anderen Ort beginnt oder aufhört, Samstagszuschläge und eine Begrenzung der sogenannten geteilten Dienste, bei denen die sieben bis acht Stunden Arbeitszeit am Tag zweigeteilt werden.
Wie zentral bessere Arbeitsbedingungen sind, verdeutlichte unter anderem ein Offener Brief der Leipziger Betriebsgruppe der LVB-Beschäftigten Mitte Dezember.
„Die wichtige Rolle des Nahverkehrs spiegelt sich jedoch nicht in den Arbeitsbedingungen der Beschäftigten wider. Daher ist es kein Wunder, dass es einen massiven Arbeitskräftemangel bei den LVB gibt, sodass das Angebot sogar eingeschränkt werden muss. So ist eine Verkehrswende in Leipzig schlicht unmöglich“, heißt es in dem Offenen Brief.
„Wenn wir wollen, dass mehr Beschäftigte im ÖPNV arbeiten, dann müssen wir die Arbeitsbedingungen in die Richtung gestalten, dass auch Menschen mit einem anderen Umgang mit Stress da arbeiten können. (…) Man muss für Entlastung sorgen“, so auch Hans Kluge.
#WirFahrenZusammen für bessere Arbeitsbedingungen und Ausfinanzierung des ÖPNV
Dem hat sich auch die Kampagne #WirFahrenZusammen verschrieben, eine bundesweite Allianz von ver.di und Fridays for Future. Neben der Unterstützung der Forderung Beschäftigter stehen die sie auch für eine Verdoppelung des bundesweiten ÖPNV-Budgets um mindestens 16 Milliarden Euro pro Jahr ein. Auch Aktive der Kampagne waren vor Ort im Publikum.
„Wir haben gemerkt, wie wichtig es für alle Leute ist, dass es einen gut funktionierenden ÖPNV gibt“, so Caro, aktiv bei #WirFahrenZusammen. „Zum Beispiel für Leute, die auf dem Land wohnen, die auf das Auto angewiesen sind und gar nicht anders können, aber gern anders würden. Für Personen, die eine Behinderung haben oder mobilitätseingeschränkt und die, wenn Busse und Bahnen zu voll sind oder gar nicht fahren, überhaupt nicht teilhaben können.“
Seit dem Klimastreik hat die Kampagne in Leipzig 4000 Unterschriften für ihre Forderungen. Am Samstag, dem 13. Januar wird zu einem Auftakttreffen eingeladen, für alle, die sich selbst engagieren wollen. Am 20. Januar ruft Die Linke selbst zu einer gemeinsamen Unterschriften-Sammelaktion um 11:00 Uhr am Willy-Brandt-Platz auf. Übergeben werden soll die Petition den lokalen Politiker*innen schließlich am 8. Februar in einer Stadtversammlung.
Am 24. Januar steht laut Paul Schmidt von ver.di der erste Verhandlungstag im TV-N an.
Linke kritisiert SPD und Grüne
Scharfe Kritik von Franziska Riekewald ging in Richtung der CDU-Fraktion, bei der in Sachen soziale und ökologische Verkehrswende gar nichts zu holen sei, aber auch in Richtung der Grünen, die zu sehr auf das Fahrrad fokussiert seien.
Auch die Politik von Bundesverkehrsminister Wissing, die das Deutschlandticket über April hinaus momentan keineswegs abgesichert hat, fand euphemistische Erwähnung: „Herrn Wissing sehe ich momentan nicht als großen Vorreiter im Bereich ÖPNV.“
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