Wer einen dicken Lkw oder einen Traktor besitzt, der hat ganz andere Möglichkeiten, ganze Straßen zu blockieren. Am heutigen Montag, 15. Januar, protestieren die Bauern wieder einmal in Berlin. Am Montag, 8. Januar, fanden auch in Leipzig Versammlungen im Rahmen des sogenannten Bauernprotestes statt. Ursprünglich wollten Bauern, Fuhrunternehmer und Handwerker den Innenstadtring nur eine Stunde lang blockieren.

Aber dann verlängerten sie die Blockade auf fünf Stunden und verlärmten die City auch noch mit einem Hupkonzert. Das wirft Fragen auf.

Hintergrund der Proteste ist der Streit über die schrittweise Abschaffung der Agrardieselsubvention und die inzwischen zurückgenommene Abschaffung der KFZ-Steuerbefreiung, für die im Bundestag alle Parteien im Rechnungsprüfungsausschuss votiert hatten, betont die Grünen-Fraktion nun in einer Anfrage an die Leipziger Stadtverwaltung, die sich mit der durchaus berechtigten Frage beschäftigt, ob für die Besitzer von Lastkraftwagen und Traktoren anderen Demonstrationsrechte gelten als für nicht-motorisierte Demonstranten.

Zu den Protesten hatten unter anderem der Landesbauernverband Sachsen aufgerufen, die Initiative „Land schafft Verbindung“, aber auch rechte und rechtsextreme Splittergruppen. Ebenso hatte die Kreishandwerkerschaft in Persona eines CDU-Stadtrates für eine aktive Teilnahme geworben.

Durch die Blockade des Rings kam es in den Morgenstunden des 8. Januar auf dem Leipziger Innenstadtring zu erheblichen Staus und Beeinträchtigungen des ÖPNV sowie zu Beeinträchtigungen des Schulunterrichts.

Ein stundenlanges Hupkonzert

„Den ganzen Tag über fuhren offensichtlich Teilnehmende der Proteste um den Leipziger Innenstadtring und benutzen dauerhaft Schallzeichen, sodass es auch zu Beeinträchtigungen anliegender Wohnviertel kam und eine Reihe von Arbeitnehmer/-innen durch stundenlanges Hupen gestört wurden. Das Schallzeichen ist in § 16 der StVO geregelt und darf innerorts grundsätzlich nicht verwendet werden“, stellen die Grünen in ihrer Anfrage fest.

„Hinzu kamen weitere Aufzüge im Leipziger Stadtgebiet, darunter auch einige mit rechtsextremen Symbolen. Ein Pickup fuhr mit einem Galgen mit Stofffetzen in Ampelfarben über den Ring. Hier sei daran erinnert, dass in der Vergangenheit auch wegen plakativen Slogans auf Transparenten Ermittlungen aufgenommen wurden.

Die Blockade des öffentlichen Lebens hatte auch der zuständige Innenminister gutgeheißen, der offenbar aus wahltaktischen Motiven seine Liebe zu Straßenblockaden entdeckt hat.“

Auch die CDU-Fraktion im Stadtrat habe im Anschluss voller Freude verkündet, dass ursprünglich offenbar der Protest nur eine Stunde gehen sollte und dann auf 5 Stunden verlängert wurde.

Das Wohlwollen der CDU für Blockaden

Das wirft Fragen auf, wie Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek, landwirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion, feststellt: „Das Versammlungsrecht ist ein hohes Gut unserer Demokratie und Störungen sind unvermeidlich. Dass nun allerdings auch die CDU ihr Herz für Blockaden und damit Staus auf dem Ring entdeckt, hat uns überrascht. Insbesondere deswegen, weil bei den aktuellen Blockaden auch Rettungswege blockiert werden oder es zu Einschränkungen der Schulpflicht kommt sowie Symbole gezeigt werden, die als Gewaltaufruf verstanden werden müssen und sollen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass hier mit zweierlei Maß bei Blockaden gemessen wird, nur weil etwa der Innenminister diese begrüßt.“

Das Verhalten der Leipziger Versammlungsbehörde unterschied sich hingegen deutlich von einem viel restriktiveren Verhalten zu Demonstrationen, bei denen in der Vergangenheit keine Lastkraftwagen und Traktoren zum Einsatz kamen.

„In der Vergangenheit hatte die Versammlungsbehörde auch der ungeplanten deutlichen Verlängerung von Versammlungen widersprochen und dies untersagt“, stellen die Grünen fest. „In der Vergangenheit hat die Leipziger Versammlungsbehörde ferner sehr genau darauf geachtet, dass bei Versammlungen auch die Rechte der nicht Versammelnden gewahrt sind, etwa durch Beschränkungen hinsichtlich Dauer und Lautstärke der Beschallung oder zum Freihalten von Rettungswegen und der Flüssigkeit des Verkehrs.“

Nichts davon aber war am 8. Januar zu sehen.

„Die Forderungen vieler Landwirt/-innen sind nachvollziehbar. Proteste gehören, unabhängig davon, wie man zum konkreten Anliegen steht, zum Kern der Demokratie. Die Grenze ist allerdings dort erreicht, wo es nicht mehr um die Auseinandersetzung in der Sache geht, sondern Hass und Hetze im Mittelpunkt stehen“, sagt Katharina Krefft, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Leipziger Stadtrat.

„Bei Galgen mit baumelnden Ampelmännchen und rechtsextremen Symbolen, die auch in Leipzig gezeigt wurden, ist die Grenze überschritten. Nicht nur die Bauernverbände, sondern auch die CDU, sind aufgefordert, sich klar von Gewaltaufrufen und Rechtsextremismus zu distanzieren, um unserer Demokratie keinen Schaden zuzufügen.“

Was hat die Versammlungsbehörde eigentlich getan?

Aber warum hat Leipzigs Versammlungsbehörde nicht reagiert? Oder hat sie reagiert und es hat nur niemand mitbekommen?

Fragen, die die Grünen jetzt einmal geballt für die Ratsversammlung gestellt haben.

Hier der komplette Fragebogen:

1. Wie viele angemeldete Versammlungen, wo und in welchen Zeitraum, gab es am 08.01.2024 in Leipzig?
2. Ist die Nutzung des Schallzeichens entgegen § 16 StVO durchgängig gestattet worden?
3. War auf dem Leipziger Ring eine dauerhafte Demonstration zwischen 8 und 17 Uhr angemeldet? Oder wurde eine bestehende Versammlung verlängert? Falls nicht, wie schätzt das Ordnungsamt das Geschehen ein, auch hinsichtlich der Frage, dass durch dauerhafte Nutzung des Schallzeichens und dessen Wirkung auf unbeteiligte Dritte?
4.  Sind Verstöße gegen das Versammlungsrecht geahndet wurden, wenn ja welche und wie viele?
5. Welche Folgen ergeben sich für die Versammlungsbehörde aus den Äußerungen des Innenministers, als Dienstherr des polizeilichen Vollzugdienstes, wenn dieser vorab Blockaden und Protest ausdrücklich gutheißt?
6. Wie wurde Sorge dafür getragen, dass die Rechte der sich nicht Versammelnden gewahrt werden durch Freihaltung von Rettungsgassen, Flüssigkeit des ÖPNV usw.?
7. Ist damit zu rechnen, dass künftig alle Versammlungen, die nach Meinung des Innenministers und der CDU-geführten Verbände eine Bedeutung haben, anders behandelt werden als andere Demonstrationen?
8. Teilt die Stadt die Auffassung, dass insbesondere die Sicherheitsbehörden streng neutral agieren müssen, um das Vertrauen in die Institutionen des Staates nicht zu erschüttern?
9. Wird die Darstellung des Galgens strafrechtlich geprüft bzw. wie bewertet die Stadtverwaltung die implizite Aufforderung, Menschen an den Galgen zu hängen und wird dies ggf. bei weiteren Anmeldungen berücksichtigt?

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Es gibt 3 Kommentare

Diese Anfrage ist peinlich. Gut so muss man sich mit den Problemen der Bauern nicht beschäftigen.

Manche sind eben gleicher!
Egal ob es die mit den “riesen Dingern” sind oder der gemeine Rechtslenker auf Gehwegen, gell.

Ist es wirklich adäquat, auf bundesweit als brennend anerkannte Probleme des sog. Agrarsektors mit Feinheiten des Versammlungsrechtes einzugehen? Selbstverständlich ist den protestierenden Bauern nicht pauschal recht zu geben, und mit den gewaltigen Maschinen haben sie es mit der Sichtbarkeit leicht. Aber die Versammlungsbehörde nun zur Rechenschaft zu ziehen, erscheint mir angesichts der Fundamentalität des Protestes als abseitig und albern.

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