Klare Worte fand die Berliner Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) für die Migrations-Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz im November. Die hatte auch für die Einführung von Bezahlkarten für Asylsuchende gestimmt. Eine Idee der Union, die damit einmal mehr versucht, in der Migrationsdebatte zu punkten. Dummerweise wieder einmal auf Kosten der Asylsuchenden, als wäre es in Deutschland nur möglich, sich auf Kosten Schutzsuchender zu profilieren. Die Leipziger CDU sprang gleich auf den Zug.

Hinter der CDU-Idee wabert die in Jahren völlig entgleister Migrationsdebatte geschaffene Vorstellung, Menschen würden nur deshalb nach Deutschland flüchten, weil sie hier eine schöne, geldgefütterte Hängematte vorfinden. Ganz ähnlich tickt die FDP. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) forderte ja sogar – um den Bundeshaushalt zu entlasten – Kürzungen für Asylbewerberleistungen.

„Es gibt Menschen, die sind nicht auf der Flucht, jedenfalls nicht vor Bürgerkrieg oder vor Naturkatastrophen. Sondern die kommen aus wirtschaftlichen Gründen zu uns“, behauptete er im Oktober in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. „Und die haben eigentlich kein Aufenthaltsrecht. Die wollen in Deutschland möglicherweise auch gar nicht arbeiten, sondern unseren Sozialstaat nutzen. Und das muss unterbunden werden.“

Eine Aussage, die mit Zahlen nicht untermauert ist. Die einfach immer wieder nur wiederholt wird und vor allem im rechten Spektrum auf fruchtbaren Boden fällt.

Auch Lindner warb für Bezahlkarten, „um Migrationsanreize zu senken“, wie der „Spiegel“ zitiert.

Es ist genau diese Erzählung über Asylsuchende, die nur wegen der Sozialleistungen nach Deutschland kämen, die seit Jahren Wasser auf die Mühlen rechtsradikaler Strömungen ist. Und die noch nie funktioniert hat, den Rechtsradikalen die Wähler abspenstig zu machen.

Im Gegenteil, so Cansel Kiziltepe, der von der Ministerpräsidentenkonferenz vorgezeichnete Weg würde „eine enorme Stigmatisierung von geflüchteten Menschen bedeuten“.

Schnellstmöglich auch in Leipzig?

Aber warum groß darüber nachdenken, was die Einführung so einer Bezahlkarte für die Stigmatisierung der in Leipzig lebenden Geflüchteten bedeutet, fand die CDU-Fraktion im Leipziger Stadtrat und beantragt jetzt: „Die Stadt Leipzig führt zum schnellstmöglichen Zeitpunkt in Abstimmung mit der Staatsregierung eine Bezahlkarte für Asylsuchende ein.“

Wobei die Abstimmung mit Teilen der Landesregierung wohl nicht so schwer sein würde. Denn die hatte sich ja schon im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz für die Chipkarte starkgemacht, wie der MDR berichtete.

Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) machte deutlich, dass er da ganz ähnlich tickt wie Christian Lindner: Er glaubt, dass die Einführung der Bezahlkarte die Zahl der ankommenden Flüchtlinge senken würde. „Jedes Instrument, was wir dafür haben, müssen wir nutzen“, zitiert ihn der MDR.

Eine Denkweise, die das bürgerliche Besitzstandsdenken einfach auf Menschen überträgt, die aus völlig anderen Gründen auf der Flucht sind. Mitgefühl sieht anders aus.

Und Mitgefühl zeigt auch die Leipziger CDU-Fraktion nicht, wenn sie ihren Antrag begründet: „Der Beschluss der Bund-Länderkonferenz gibt den Kommunen endlich die Möglichkeit, eine unbürokratische und sichere Auszahlung für Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz durchzusetzen.

Der Freistaat Sachsen kündigte die Einführung der von Bezahlkarten bereits an – die Thüringer Landkreise Greiz und Eichsfeld gehen bereits mit gutem Beispiel im bundesdeutschen Vergleich voran.
Leipzig sollte nun folgen und ebenfalls eine solche Prepaid-Geldkarte mit Funktionssperrung für Geldabhebungen und Überweisungen einführen.“

Womit im letzten Absatz auch wieder der gepflegt bürgerliche Verdacht aufscheint, die Asylsuchenden würden das schöne Geld, das sie bekommen, einfach in ihre Herkunftsländer überweisen. Es sei also doch so eine Art Sozialtourismus.

Dass so ein Antrag in der Ratsversammlung eine Mehrheit finden sollte, dürfte sehr infrage stehen. Auch weil bis heute nicht geklärt ist, ob den Kommunen durch die Einführung der Chipkarte Mehrkosten entstehen und ob es überhaupt eine grundsätzliche Regelung für ganz Sachsen, ohne die auch Leipzig nicht agieren kann, geben wird.

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Es gibt 4 Kommentare

Hallo “baschti”,
bitte ganz normal per Sie.

Also der offensichtlichste Unterschied bei Ihrem Gegenbeispiel wäre für mich, dass in der Schweiz arbeitende Deutsche eben das tun: arbeiten, und nicht von Almosen leben. Mir wäre neu, dass diskutiert würde, mit der Chipkarte hierzulande auch Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit für Leute ohne Aufenthaltstitel abzurechnen. Mir war so, als ob es in der Diskussion um die Bereitstellung von Sozialleistungen ginge. Ich hätte vielleicht dazu schreiben sollen, dass die bekannten Südamerikaner ebenfalls Flüchtlinge sind – im Zusammenhang mit diesem Artikel hab ich das nicht extra betont im ersten Kommentar.

Und was unterscheidet jetzt die beiden aus deiner Anekdote von den deutschen, die beispielsweise in der Schweiz arbeiten und ihre Familie in Deutschland mit versorgen?

Werden CDU und FDP endlich vom Verfassungsschutz beobachtet?
Chipkarten für SPD Mitglieder.

Zwei Fragen zum Thema:
1) Ich selbst kenne zwei Südamerikaner, die genau das tun: Einen Teil ihres Einkommens in die Heimat schicken. Ab wie vielen Einzelschilderungen geht diese sicherlich nicht repräsentative “anekdotische Evidenz” über von einem “gepflegt bürgerlichen Verdacht” (o-Ton Artikel) in Tatsachen, denen die Chipkarte als kleines Einzelinstrument tatsächlich entgegenwirken könnte?

2) Auch mit Chipkarte haben Flüchtlinge hier ein Obdach, Essen, Schutz vor Krieg oder Verfolgung, bis hin zu fallweiser Bildung. Wird das Recht auf Asyl hier bei uns in den Augen der Kritiker der Chipkarte tatsächlich so stark eingeschränkt, oder handelt es sich tatsächlich lediglich um eine “Mitgefühlsdebatte”, wie sie hier im Artikel angestoßen wird?

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