In der Ratsversammlung am 14. Dezember war dann – in dieser Form sogar erstmals – zu erleben, was passiert, wenn eine Landesregierung mit ihren Auflagen für die Leipziger Haushaltsführung mitten in die Befugnisse des gewählten Stadtrates eingreift. Eigentlich ein Unding und durch die sächsische Landesverfassung so auch nicht abgedeckt. Doch mit einer Nachfrage zum geplanten Bildungs- und Bürgerzentrum in Grünau kamen die Folgen dieser Einmischung Stück für Stück auf den Tisch.
Eigentlich wollte die Linksfraktion nur wissen, wo die versprochenen Planungsunterlagen für das Bildungs- und Bürgerzentrum in Grünau bleiben. Denn beschlossen war, dass sie 2023 vorliegen sollten und bis Jahresende dem Stadtrat zum Beschluss vorgelegt werden.
„Im November 2022 wurde der ‚Grundsatzbeschluss Bildungs- und Bürgerzentrum Grünau unter Einbeziehung der Völkerfreundschaft und Neubau einer wettkampftauglichen 3-Feld-Sporthalle‘ (VII-DS-06858) gefasst“, schrieb die Linksfraktion in ihrer Anfrage dazu. „Darin ist vorgesehen, dass dem Stadtrat im Jahr 2023 zwei Planungsbeschlüsse, einer zum Neubau Bildungs- und Bürgerzentrum sowie ein weiterer für den Neubau der 3-Feld-Sporthalle dem vorgelegt werden.“
Doch wie Fraktionsvorsitzender Sören Pellmann im Verlauf der Debatte recht emotional feststellte, war der Termin nicht gehalten worden und der Stadtrat auch nicht informiert worden, dass die Planungsvorlage 2023 nicht mehr kommt. Und das, obwohl das Zentrum ein wichtiges Projekt für den Stadtteil Grünau ist.
Wen eine Stadt priorisieren soll
Dabei war der Planungsbeschluss sogar schon fertig, bestätigte in der Ratsversammlung am 14. Dezember Schulbürgermeisterin Vicki Felthaus. Und auch das Amt für Schule hatte in seiner Antwort geschrieben: „Beide Planungsbeschlüsse befinden sich im internen Mitzeichnungsverfahren. Zunächst ist das gesamtstädtische Investitionsprogramm zu prüfen und zu priorisieren, bevor die Beschlüsse dem Stadtrat vorgelegt werden.“
Ein Satz, der schon andeutete, wo das eigentliche Problem liegt. Und das wurde in einer wirklich hektischen Debatte am 14. Dezember auch immer deutlicher. Auf die Frage der Linksfraktion „Ist die Stadtverwaltung derzeit der Auffassung, dass die o.g. Zeitschiene einzuhalten ist oder zeichnen sich Verzögerungen ab?“ hatte das Amt für Schule auch ziemlich deutlich geantwortet: „Verzögerungen können in Abhängigkeit zur gesamtstädtischen Priorisierung eintreten.“
Wobei es Sören Pellman und auch CDU-Stadtrat Michael Weickert besonders verstörend fanden, dass die Beschlussvorlage augenscheinlich schon fertig ist, aber keiner der zuständigen Ausschüsse darüber informiert wurde und auch keine Information von der Verwaltung kam, dass die Vorlage später kommt.
Aber im Lauf der Debatte schälte sich eben heraus, dass diese Vorlage auch deshalb zurückgehalten wird, weil nach der Auflage der Landesdirektion zum Leipziger Doppelhaushalt 2023/2024 sämtliche Hochbaumaßnahmen priorisiert werden müssen. Geplant und gebaut werden soll vorerst nur all das, was zur Grundversorgung gehört.
Das hatte Finanzbürgermeister Torsten Bonew schon im November angedeutet. Ein echtes Novum für Leipzig. Auf diese Art hat die Landesdirektion noch nie in die Befugnisse des Stadtrates eingegriffen. Denn der hat das eigentliche Entscheidungsrecht, welche Baumaßnahmen in Leipzig beschlossen und durchgeführt werden.
Armes Land
Ein Punkt, auf den Linke-Stadtrat Steffen Wehmann hinwies. Der hatte schon in der November-Ratsversammlung darauf aufmerksam gemacht, dass Leipzig mittlerweile einen Berg von Haushaltsausgaberesten vor sich herschiebt von rund einer halben Milliarde Euro – alles vom Stadtrat beschlossene Investitionsvorhaben, die aus verschiedenen Gründen noch nicht umgesetzt sind: Mal fehlten die Planer, mal fehlte die Förderung, mal sprengen die Preise bei der Ausschreibung das Budget, mal findet man keine Baufirmen usw.
Gebaut wird sowieso nur das, was im städtischen Jahresbudget unterzubringen ist. Was das Dilemma über die Jahre natürlich verschärft, weil Leipzig – wie alle sächsischen Kommunen – unterfinanziert ist. Der Freistaat sitzt mittlerweile auf Rücklagen von über 10 Milliarden Euro, die im ganzen Land für dringend notwendige Investitionen fehlen. Und statt die Kommunen in die Lage zu versetzen, den Investitionsstau abzuarbeiten, werden sie jetzt auch noch gezwungen, ihre Bauprojekte zu priorisieren, wie es die Landesdirektion ausdrückte.
Das Ergebnis: Ganz offensichtlich sitzt Leipzigs Verwaltung seit November über den Priorisierungslisten für die Landesdirektion. Und zumindest – so vermutet es Linke-Stadträtin Franziska Riekewald – sind aus diesem Grund sämtliche Planungen für Hochbaumaßnahmen erst einmal gestoppt worden. Oder die entsprechenden Unterlagen zurückbehalten, wie es Vicki Felthaus in Bezug auf das Bürgerzentrum ausdrückte.
Da sind jetzt also ganze Ämter damit beschäftigt, für die Landesdirektion eine Priorisierungsliste zu schreiben, die dem staatlichen Finanzwächter verspricht, dass Leipzig nur noch baut, was es tatsächlich zur Grundversorgung gehört.
Nur: Was gehört dazu? Und bei welchen Projekten muss nun die Stadt sagen: Tut uns leid, dürfen wir nicht bauen?
Schulden machen verboten
Ob Finanzbürgermeister Torsten Bonew – der an diesem Tag nicht anwesend war – die Weisung gegeben hat, alle Planungen für Hochbaumaßnahmen erst einmal zu stoppen, ist dabei eigentlich egal. Die Kritik bekam an diesem 14. Dezember nicht eine Landesdirektion ab, die sich in die hoheitlichen Rechte einer gewählten Gemeindevertretung eingemischt hat, sondern die Schulbürgermeisterin und der OBM. Im Januar, so versprach Oberbürgermeister Burkhard Jung, werde die Verwaltung die verlangte Priorisierungsliste vorlegen.
Ob das Bildungs- und Bürgerzentrum in Grünau da noch mit draufsteht, wurde am 14. Dezember nicht weiter erörtert. Gebaut werden sollte es sowieso erst ab 2027, wie das Amt für Schule mitteilte: „Nach derzeitigen Projektablaufplan ist der Baubeschluss für das Bildungs- und Bürgerzentrum (BBZ) für Dezember 2026 geplant. Für die Dreifeldsporthalle ist ein Baubeschluss im Oktober 2026 vorgesehen.“
Die ganze Debatte war ein sehr deutliches Beispiel dafür, was passiert, wenn ein Bundesland wie Sachsen seine Kommunen künstlich knapp hält und sie in eine unlösbare Klemme manövriert zwischen neuen Schulden, um dringend nötige Investitionen zu stemmen, und einem verkappten Verbot, neue Schulden aufzunehmen.
Zukunftsvorsorge sieht anders aus. Kluge Finanzwirtschaft übrigens auch.
Es gibt 2 Kommentare
Der Doppelhaushalt 2023/24 war ja schon nur unter Auflagen genehmigungsfähig. Und die Priorisierung war angekündigt. Das Hickhack in der RV entstand nur, weil Bonew nicht da war um das “Fehlen” der Vorlage in einem Satz zu erklären.
Laut L-IZ: “Denn zu den Auflagen, welche die Landesdirektion zum Doppelhaushalt mitgegeben hat, gehört auch die Auflage, dass Leipzig eigentlich keine Kredite für Projekte aufnehmen darf, die nicht zur infrastrukturellen Grundversorgung gehören. Schulen, Straßen und Brücken gehören dazu. Kultureinrichtungen und Wohnungsbau nicht.”
Lustig, dass Pellmann das selbst im November erfragte/ feststellte, im Dezember dann aber “emotional” wurde.
Nun, die finanzielle Ausstattung der sächsichen Kommunen ist Mist. Da könnte man doch erwarten, dass die CDU-Fraktion mal einen Brief nach Dresden schickt, um “ihren” Finanzminister und den MP gleich mit wachzurütteln. Leider reicht es bei der Leipziger CDU-Fraktion nur für Briefe nach Dresden, wenn es um die vermeindliche “Gängelung” von Autofahrern geht. Traurig!
Danke, lieber Autor, ein sprachlos machenden Irrsinn. Was treibt die Landesdirektion an, so zu agieren? Wer setzt dort die Prämissen?