Das war dann am 13. Dezember noch einmal ein großer Auftritt für Karl Marx, wenn auch nur als Konterfei auf dem Weihnachtspullover von Linke-Stadtrat Michael Neuhaus, der die Gelegenheit nutzte, daran zu erinnern, dass Klimaschutz sozial gerecht sein muss und sich nicht immer nur auf Kosten der ärmeren Bevölkerung abspielen darf. Ein Anliegen, das zuvor eine Petition von Jan-Erik Hansen an den Sächsischen Landtag thematisiert hatte. Doch dieser hatte kapituliert.
Die Bundeshauptstadt Berlin hat 2022 einen Umweltgerechtigkeitsatlas vorgelegt, in dem fünf Indikatoren sichtbar machen, welche Ortsteile besonders unter Lärmbelastung, Luftschadstoffen, Überhitzung, fehlender Grün- und Freiflächenversorgung und sozialer Benachteiligung leiden. Oder mit Michael Neuhaus formuliert: „Wo wohnen die, die keine Villa mit Pool besitzen?“
Jene Menschen, die sich keine teuren Wohnungen mit Parks vor der Nase leisten können. Die aber besonders darunter leiden, wenn die Energiepreise steigen. Die meist auch noch veraltete Heizungen und deshalb besonders hohe Heizkosten haben. Und die von der Politik gern vergessen werden und schon beim Wort Klimaschutz – wie Neuhaus sagte – Angst haben, dass es für sie noch teurer wird.
Für Sachsen fehlen die Daten
Doch Sachsens Landtag sah sich nicht in der Lage, der Petition von Jan-Erik Hansen abzuhelfen, weil es für die gesamte Fläche des Freistaats nicht genug Daten gibt, um so einen Atlas zu erstellen. Der Petitionsausschuss des Landtages leitete die Petition also dahin weiter, wo es solche Daten gibt: in die drei großen Städte Leipzig, Dresden und Chemnitz.
Der Leipziger Petitionsausschuss verfasste zur Petition dann auch einen eher positiven Beschlussvorschlag: „Im Rahmen des Projektes Envir-Data entwickelt die Verwaltung einen Umweltatlas, der sukzessive zu einem Umweltgerechtigkeits-Atlas weiter entwickelt werden kann.“
Das Problem ist: „Der Stadtverwaltung fehlen derzeit die erforderlichen Ressourcen zur Erarbeitung eines Umweltgerechtigkeitsatlas.“
Die Stadt hat zwar jede Menge Daten zu allen in Berlin erfassten Indikatoren. Aber die sind nirgendwo digital zusammengefasst. Zur Luftqualität gibt es das Dashboard zur Luftgüte auf den Internetseiten der Stadt Leipzig. Da sieht man zum Beispiel, wie stark insbesondere Hauptstraßen belastet sind. Karten zum Stadtklima gibt es, zu Starkregenereignissen und im Stadtplan auch die Lärmkartierungen.
„Die Erarbeitung eines Umweltgerechtigkeitsatlas wird seitens der Stadtverwaltung allerdings als ein wichtiges Projekt zur nachhaltigen Förderung der Lebensqualität der Leipziger Bürgerinnen und Bürger angesehen“, stellte der Petitionsausschuss freilich fest.
„Zudem stellt ein solches Projekt auch Synergien zu den Aktivitäten der Stadt Leipzig her, die darauf ausgerichtet sind, bzgl. diverser umweltbezogener Nachhaltigkeitsziele Entwicklungen zu monitoren.“
Im EKSP fehlt das Soziale
Die Stadt hat jede Menge Daten. Aber für die Aufstellung eines Umweltgerechtigkeitsatlas braucht es jetzt Geld und Kapazitäten. Und genau das beantragte dann die Linksfraktion. Und Michael Neuhaus erläuterte es am 13. Dezember mit sichtlicher Vorfreude. Denn wenn das kommt, kann auch Leipzigs Klimapolitik gerechter werden.
Die Initiative dafür entstand nach dem im Oktober 2022 beschlossenen Energie- und Klimaschutzprogramm (EKSP) für Leipzig bis zum Jahr 2030 samt zugehörigem Umsetzungsprogramm. Schon im Frühjahr ging Neuhaus mit der Forderung nach einem Umweltgerechtigkeitsatlas an die Öffentlichkeit.
Denn neben der Aufzählung von Emissionen verschiedener Energieträger, CO₂-Budgets und der Herausforderungen in einzelnen Sektoren werde die soziale Eben im EKSP gänzlich außen vor gelassen, so Neuhaus. Weder findet die ungleiche Verteilung der Emissionen im EKSP Beachtung, noch wird darauf eingegangen, zu welch unterschiedlichem Grad Personengruppen von den Folgen des Klimawandels betroffen sind.
„Umweltschäden und damit die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlage ist in erster Linie eine soziale Frage“, stellt Michael Neuhaus, fest, der Sprecher für Umwelt der Fraktion Die Linke im Leipziger Stadtrat ist.
„Personen mit geringem Einkommen wohnen häufiger an lauten und dreckigen Straßen. Um Erholung im Grünen zu finden, legen sie oft längere Wege zurück. Dabei sind gerade sie auf intakte, wohnortnahe Natur angewiesen, da oft schlicht das nötige Kleingeld für weite Ausflüge und lange Urlaube fehlt. Zumal Geringverdienende oftmals in unzureichend energetisch sanierten Gebäuden wohnen und in Folge dessen hohe Energiekosten zahlen.“
Mit dem Umweltgerechtigkeitsatlas erhalte die Stadt ein Instrument, welches umweltrelevante Informationen über Schadstoffbelastung, Lärm etc. mit Informationen über die soziale Lage zusammenbringe. Es sei essenziell, Umweltschutz ämterübergreifend zu denken und einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen.
Umsetzung ab 2025
„Schlussendlich profitieren vor allem diejenigen von sozial gedachtem Umweltschutz, die die Auswirkungen des Klimawandels am deutlichsten spüren – vor allem im Portemonnaie“, stellt Neuhaus fest. „Gerade aber um die Akzeptanz für umweltschonende Maßnahmen zu erhöhen, muss sich jede und jeder Umweltschutz leisten können!“
Diesen Aspekt vermisse er in der derzeitigen Bundespolitik.
Aber auch in Leipzig wird es nicht so schnell gehen. Für die Erarbeitung des Umweltgerechtigkeitsatlas müssen erst einmal die Ressourcen bereitgestellt werden. Das wird erst mit dem nächsten Doppelhaushalt möglich sein.
Im Linke-Antrag heißt es deshalb. „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, einen Umweltgerechtigkeitsatlas nach Berliner Vorbild zu erarbeiten und dafür im Umsetzungsprogramm 25/26 und ggf. folgenden Umsetzungsprogrammen zum Energie- und Klimaschutzprogramm 2030 eine neue Maßnahme, inklusive Zeitschiene und notwendiger Ressourcen, vorzusehen, um den Umweltatlas des Projekts Envir-Data zu einem Umweltgerechtigkeitsatlas weiterzuentwickeln.
In diesem sollen umweltrelevante und soziale Informationen verschiedener Fachämter auf einer kleinräumigen, lebensweltlichen Planungsebene integriert werden, um (Mehrfach-) Belastungen darstellen, analysieren und interpretieren zu können. Außerdem soll über Verbesserungsbedarfe und Potenziale berichtet werden.“
Bei der Abstimmung über diesen Antrag war also Gelegenheit für alle Ratsfraktionen, Herz zu zeigen. Aber das Herz sitzt auch im Leipziger Stadtrat links. Der Antrag wurde mit den Stimmen von Linksfraktion, Grünen und SPD mit 35 : 14 Stimmen angenommen.
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SPD und Grüne könnten ganz schnell etwas für die Menschen mit kleinen Einkommen machen. Einfach das Telefon zücken und ihre Parteiführung in Berlin anrufen. Wo bleibt das versprochene Klimageld. Bissel Polemik ist im Stadtrat halt immer mit dabei.