Leipzig bewirbt sich als European Capital of Democracy. Das beschloss der Leipziger Stadtrat am 18. Oktober. Die erste dieser Städte war übrigens Barcelona. Leipzig ist die erste Stadt in Deutschland, die sich um diesen Titel beworben hat. Das hat eine Menge guter Gründe in der Vergangenheit – man denke nur an die Friedliche Revolution. Aber es erzählt auch von einer Gegenwart, in der rechtspopulistische Parteien wie die AfD alles tun, die Demokratie auszuhöhlen.
Und wie das passiert, war am 18. Oktober in der Ratsversammlung live zu sehen. Die Gelegenheit nutzte AfD-Stadtrat Siegbert Droese, um nicht nur die Ablehnung seiner Fraktion für die Bewerbung zu äußern, sondern gleich noch die Behauptung auszumalen, Leipzig sei gar nicht demokratisch. Und der Grund? Weil die AfD bis heute keinen Beigeordneten stellt, keinen Ausschussvorsitz bekommen hat und mittlerweile auch Mandate für Stadtbezirksbeirate in der Ratsversammlung nicht mehr durchbekommt, wie Droese beklagte.
Als hätte die Partei, die in Sachsen vom Verfassungsschutz mittlerweile als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird, ein Anrecht darauf, all diese Posten zu besetzen. Den sie auch mit Klagen vor Gericht durchzusetzen versucht wie jüngst bei der Besetzung des Schöffenwahlausschusses. Aber damit ist sie auch beim Oberverwaltungsgericht in Bautzen abgeblitzt.
Kein demokratisches Gremium hat die Pflicht, auch Parteien Zugang zu wichtigen demokratischen Ämtern zu verschaffen, die so offensichtlich alles tun, um die Demokratie „auszuhöhlen und zu zersetzen“, wie es Oberbürgermeister Burkhard Jung nach Droeses Rede zusammenfasste.
Was dann wieder ein Gebrüll aus der AfD-Fraktion nach sich zog, das einen ziemlichen Lärm im Stadtrat auslöste. Der Mechanismus war wieder einmal deutlich zu sehen: Die blaue Fraktion nutzt die Ratsversammlung immer öfter auch als Bühne.
Und das selbst bei so einem Thema, bei dem frühere Ratsversammlungen geschlossen mit „Ja“ votiert hätten, stolz darauf, dass Leipzig 1989 Vorreiter war für den friedlichen Revolutionsprozess in der DDR.
Das eher Irritierende war dann, dass fast die komplette CDU-Fraktion mit der AfD-Fraktion gegen die Vorlage stimmte. Was dann das Ergebnis von 35:17 Stimmen bei einer Enthaltung ergab.
Worum geht es bei dem Titel?
In der Vorlage heißt es unter anderem: „Die Initiative ‚European Capital of Democracy‘ (ECoD gGmbH) hat sich die Stärkung der Demokratie zum Ziel gemacht und ruft europäische Städte auf, sich um den Titel ‚European Capital of Democracy‘ zu bewerben. Städte seien, so die ECoD gGmbH, an den Bedürfnissen, Talenten und der Dynamik ihrer Bevölkerung am nächsten und damit elementar für die demokratische Widerstandsfähigkeit. Da Leipzig als Wiege der Friedlichen Revolution eine besondere Rolle für die Demokratie einnimmt, wird eine Bewerbung angestrebt.“
Womit das Wichtigste formuliert ist: Städte sind der Ort, an dem Demokratie für die Bürger erlebbar wird. Und sie sind auch der Ort, an dem sich Demokratie wehrhaft zeigen muss gegen Parteien und Personen, die das demokratische Miteinander immer wieder offen infrage stellen.
„Seit 2022 wird von der ECoD gGmbH jährlich die Europäische Hauptstadt der Demokratie ausgerufen. Leipzigs Declaration of Intent wurde positiv bewertet und eine Bewerbung ausdrücklich begrüßt“, so die Vorlage.
Der kleine Spaß von Thomas Kumbernuß (Die PARTEI), der meinte, da läge wohl noch ein Taschentuch am Rednerpult, wurde von OBM Jung lieber abgeblockt. Eine jetzt erst recht noch ausufernde Debatte mit verhärteten Fronten wollte er an diesem 18. Oktober nicht mehr.
Es gibt 2 Kommentare
Das die blauen Kasperköppe so eine Steilvorlage nutzen, um sich ( völlig zu Unrecht) zu profilieren, war zu erwarten. Aber warum muß man ihnen die liefern?
“Europäische Hauptstadt der Demokratie” Klar, wir leben in einer Demokratie. Aber gibt es irgendein Gebiet, auf dem Leipzig auch nur ein klitzekleines Stück demokratischer als alle anderen Städte ist? Oder gar herausragend, beispielhaft demokratisch?
Bitte, wem fällt was ein, außer z. B. Bürgerbeteiligung, Flughafen, Termine auf Bürgerämtern etc.
Es kann eine Stadt HAUPTSTADT der Demokratie werden wollen, die es Hunderten ihrer Einwohner durch Bearbeitungszeiten für ihre Einbürgerungsanträge von 2 Jahren aufwärts unmöglich macht, 2024 an den Kommunal- und teils an den Europawahlen teilzunehmen. Das wusste ich nicht.