Ein Thema wird die Stadt Leipzig und ihren Stadtrat in den nächsten Jahren immer stärker beschäftigen: Woher soll eigentlich das Verwaltungspersonal für die wachsende Stadt kommen? Die Linksfraktion hatte schon im Sommer dazu eine umfassende große Anfrage gestellt, die bereits im September hätte beantwortet werden sollen.
Nun wurde es doch die Ratsversammlung am 16. November. Und auch Nachfragen von Marianne Küng-Vildebrand brachten keine Erleuchtung am Ende des Tunnels.
Ein wesentlicher Grund für den Personalmangel und die enorme Zahl offener Stellen ist natürlich das markante Wachstum der Stadt. Mehr Bevölkerung bedeutet auch mehr Arbeit in allen Dezernaten. Und das in einer Zeit, in der sich die Bewerberzahl auf dem freien Markt drastisch reduziert hat.
Trotzdem, so weist die jetzt vorgelegte Statistik aus dem Verwaltungsdezernat aus, hat Leipzig die Personallücke nicht schließen können. Von 7.588 Stellen wuchs der Personalbestand seit Januar 2021 auf 8.058 besetzte Stellen im Juni 2023. Was trotzdem nicht reicht. Denn das ist nur die Ist-Besetzung. Die aber läuft der Soll-Besetzung seit Jahren hinterher.
Und zwei Dezernate stechen dabei deutlich heraus – das Umweltdezernat und das Baudezernat.
Konnte das Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport Anfang 2021 von 1.767 Planstellen nur 1.639 besetzen, so veränderte sich an dieser Relation bis Sommer 2023 praktisch nichts. Da waren von 1.890 Stellen nur 1.697 Stellen auch besetzt. Und das in einem Dezernat, das sich mit Ordnungsamt, Umweltschutzamt und Amt für Stadtgrün und Gewässer wachsenden Aufgaben gegenüber sieht – auch und gerade im Bereich Umwelt- und Klimaschutz.
Und nicht besser sieht es im Dezernat Stadtentwicklung und Bau aus, wo das Fehlen von Planerinnen und Planern in der Vergangenheit immer wieder dazu führte, dass Bauprojekte nicht zur Umsetzungsreife kamen. Betrug hier die Diskrepanz der besetzten Stellen zum Stellen-Soll Anfang 2021 noch 1.232 zu 1.361, so hatte sich daran bis Juni 2023 nicht allzu viel verbessert. Da waren von 1.413 Stellen nur 1.298 besetzt.
Renteneintritte und Kündigungen
Und es sind mehrere Entwicklungen, die die Sachlage noch verstärken, wie auch Marianne Küng-Vildebrand feststellte. So kommen jetzt auf die Verwaltung vermehrt Renteneintritte zu – 2021 waren es 201, 2022 dann schon 217. Für 2013 rechnet das Verwaltungsdezernat mit 161.
Aber gleichzeitig ist die Fluktuation größer geworden: Eine wachsende Zahl von Verwaltungsmitarbeiter/-innen kündigt von selbst, weil sie anderswo bessere Arbeitskonditionen vorfinden.
Was dem Verwaltungsdezernat durchaus Bauchschmerzen bereitet, wie es feststellt: „Bezüglich der gestiegenen Zahl an Kündigungen müssen wir einen volatilen Arbeits- und Bewerbermarkt konstatieren. Auch in der Belegschaft der Verwaltung zeigt sich die allgemeine Tendenz einer hohen Wechselbereitschaft.
In einer forsa Studie im Auftrag von onlyfy by XING wird ersichtlich, dass knapp vier von zehn Deutschen (37 %) für einen Jobwechsel offen sind. Dies ist der zweithöchste Wert seit 2012 in der Erhebungshistorie der forsa-Studie.“
Den Beschäftigten kommt dabei zugute, dass die zunehmende Knappheit am Arbeitsmarkt dazu führt, dass Arbeitgeber immer bessere Angebote machen, um anderswo Fachkräfte abzuwerben.
Ergebnis für 2021: Die Stadt verlor 262 Mitarbeiter/-innen durch Kündigung. 2022 kündigten dann schon 326 Fachkräfte. Und 2023 werden es am Ende wohl auch wieder 284 Mitarbeiter/-innen sein, die der Stadt durch Kündigung verloren gehen.
All diese Fachkräfte müssen ja ebenfalls ersetzt werden.
Was tun?
Und das stellt den Verwaltungsbürgermeister vor die Aufgabe, herauszufinden, warum die Leute gehen. Denn mit ihren sicheren Arbeitsplätzen ist Leipzigs Verwaltung eigentlich eine attraktive Arbeitgeberin. Da würde Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning schon gern wissen, warum die Leute trotzdem gehen wollen.
In der Vorlage heißt es dazu: „Für die Zukunft ist geplant, strukturierte Interviews mit Personen einzuführen, welche die Stadtverwaltung auf eigenen Wunsch verlassen, um die konkreten Gründe für Mitarbeiterkündigungen speziell bei der Stadtverwaltung zu erheben. Die Erfassung und Auswertung solcher Daten unterliegt jedoch besonderen datenschutzrechtlichen Vorgaben, welche es zu beachten und bei der Umsetzung einzuhalten gilt.“
Die Formel „speziell bei der Stadtverwaltung“ betont an dieser Stelle auch, dass das erst einmal tatsächlich nur die Verwaltung selbst betrifft und weniger die in den Schulen eingesetzten Personen oder die Kita-Erzieher/-innen der Stadt.
Weniger Probleme bei der Besetzung ihrer Stellen scheinen die Eigenbetriebe der Stadt zu haben. Da ist die Lücke zwischen Soll-/Ist-Besetzung wesentlich kleiner.
Verzerrt wird die Statistik in der Tabelle dadurch, dass für den Städtischen Eigenbetrieb Behindertenhilfe nur die Ist-Besetzung angegeben ist, aber keine Soll-Besetzung, sodass es in der Rechnung so aussieht, als würden die Eigenbetriebe fleißig über Bedarf einstellen. Dem ist aber nicht so.
Es gibt 5 Kommentare
TLpz, also wörtlich steht in dem Artikel. “Und mittlerweile sind es nicht mehr fehlende Planer…” Bei dem Rest gebe ich Ihnen Recht.
@Lutz 70
Im Artikel über Fräulein Schuldenbremse steht nicht, dass es genügend Planer im Baudezernat gibt. Es steht dort lediglich, dass es mittlerweile mehr (andere) Hürden bei der Umsetzung von Bauprojekten gibt.
Und: Im Baudezernat arbeiten nicht nur Planer…
Nun ja, wenn man sich hinstellt und als Arbeitgeberin glaubt, dass ein “sicherer Job” aktuell das Non-plus-ultra am Arbeitsmarkt ist, dann zeigt dies eben schon, das man in der Stadtverwaltung die Zeichen des Arbeitsmarktes nicht erkannt hat. Denn außer dem “sicheren Job” gibt es fast nichts, was einen Job bei der Stadtverwaltung attraktiv macht. Gut, die Regelungen zum Homeoffice und zum mobilen Arbeiten sind weitestgehend ok, sofern diese nicht durch Führungskräfte der unteren Ebenen ausgehebelt werden. Die sind halt oftmals gedanklich noch nicht in der neuen Arbeitswelt angekommen. Ebenso die leistungsorientierte Bezahlung lt. TVÖD. Da gibt es oftmals keine Kommunikation über Leistungsziele, geschweige denn wer diese Prämien bekommt. Und von Benefits wie Obstkorb, Wasserspender oder irgendwelche Firmenevents ganz zu schweigen. Sind ja Steuergelder. Als ob das in der freien Wirtschaft vom Chef privat bezahlt wird. Das sind alles Betriebsausgaben, die letztendlich ebenso dafür sorgen, dass Unternehmen weniger Steuern abführen müssen, ergo auch so eine Art Steuergelder. Da braucht man sich eben nicht wundern, das aktuell immer mehr Mitarbeiter in die freie Wirtschaft abwandern…
Das Dezernat von Heiko Rosenthal wird auch deshalb nicht genug Leute finden, weil die Stellen gar nicht ausgeschrieben werden. Von den zusätzlichen 43 Stellen für die Üverwachung des ruhenden Verkehrs ist noch keine einzige Stelle ausgeschrieben worden. Der Deal war zwar, dass man zunächst die alten offenen besetzt, aber das ist nun seit August der Fall und selbstverständlich hätte man auch mit den Bewerbungsgesprächen für die Altstellen auch die neuen Stellen ausschreiben und ggf. sogar schon mit Bewerber*innen besetzen können. Hat man aber nicht. Der Stadt entgeht auf diese Weise aber nicht nur die Hoheit über Recht und Gesetz im öffentlichen Raum, sondern auch viel Geld.
Gestern im Artikel über Fräulein Schuldenbremse gab es noch genug Planer im Baudezernat und heute gibt es sie wieder nicht mehr. Also was nun Hr.Julke?