Leipzig hat seit 2015 ein Jugendparlament, als Vertretung der jungen Menschen zwischen 14 und 21 Jahren in der Stadt. Dieses ist auch sehr aktiv mit Anträgen zu verschiedenen Themen im Stadtrat, aber oft wird ihm vorgeworfen, es mangele ihm an Legitimität, da die Wahlbeteiligung der Jugendlichen bei der Wahl zum Jugendparlament sehr gering ist. Lag die Wahlbeteiligung 2015 bei 4,2 %, so stieg sie bis 2021 auf ca. 7 % an und bei der Wahl 2023 fiel sie unter 6 %. Woran liegt das?
Ein Teil der jungen Menschen, aus der Altersgruppe 18 bis 21 Jahre, beteiligt sich vielleicht nicht, weil sie ja schon an der Stadtratswahl teilnehmen. Sollte das so sein, dann wäre eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahren, wie von vielen Akteuren gefordert, quasi das Ende des Jugendparlaments.
Wir haben Ute Elisabeth Gabelmann (Piraten / Fraktion Freibeuter), die einen entsprechenden Antrag im Stadtrat eingebracht hat, gefragt: Sind Sie der Meinung, dass es an mangelnder Wahlwerbung liegt?
Das ist hier nicht ganz korrekt, dass ich die Meinung vertrete, dass mangelnde Wahlwerbung der entscheidende Faktor ist. Solange das Jugendparlament aber in dieser gewählten Form besteht, arbeite ich mit den vorliegenden Fakten und versuche diese zu verbessern.
Ob eventuell die Konstruktion des Jugendparlaments, die eben auch Heranwachsende im schon wahlfähigen Alter mit einbezieht, die richtige ist, wäre eine gänzlich andere Frage. Da aber gerade eine große Auswertung zum Thema „Wahl des Jugendparlamentes“ stattfand, habe ich dies zum Anlass genommen, die teilweise geäußerte Kritik mit einem Antrag aufzugreifen.
Frau Gabelmann, in Ihrem Antrag fordern Sie die Stadt auf, die nächste Wahl zum Jugendparlament mit einer Werbekampagne zu begleiten. Wörtlich im Punkt 1 des Antrages: „Die Stadt Leipzig begleitet die nächste Wahl zum Jugendparlament mit einer Werbekampagne, die sich (insbesondere in der Intensität) eng an die Werbekampagnen zur ‚Langen Nacht der Ausbildung 2023‘ oder die Suche nach Volunteers für die UEFA EURO 2024 anlehnt.“
Es wäre an der Zeit eine Wahlkampagne zu starten, dem kann man zustimmen. Erhoffen, besser erwarten Sie von einer starken Kampagne eine höhere Wahlbeteiligung?
Zumindest erwarte ich mir von einer Kampagne, die ähnlich angegangen wird wie die zwei von mir angeführten Beispiele, eine höhere Reichweite und Bekanntheit des Jugendparlamentes. Noch immer wird das Thema von der Stadt in der Außendarstellung sehr stiefmütterlich behandelt und den jungen Parlamentariern stehen nur sehr eingeschränkt die Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung, die beispielsweise der Stadtrat oder die Stadtverwaltung haben.
Dennoch wird immer wieder isoliert die Wahlbeteiligung kritisiert, ohne hier eventuell in die Ursachenforschung zu gehen. Eine niedrige Wahlbeteiligung ausschließlich auf Desinteresse der Jugendlichen zurückzuführen, halte ich für verfehlt. Daher müsste ein breitgefächerter Ansatz her, von dem ein Teilbereich die Steigerung der Bekanntheit und die Bekanntmachung der Wahl ist.
Bisher verbreitet die Stadt Leipzig auf ihren Kanälen kurz vor der Wahl ein dürres, uninspiriertes und nicht sehr motivierendes Video, in dem der zuständige Fachbürgermeister (es ist ja noch nicht mal der Oberbürgermeister) zur Wahl aufruft. Wäre ich ein 15-jähriger Mittelschüler, würde ich mich davon auch nicht abgeholt fühlen. Daher stellt mein Antrag auch indirekt die Frage, welchen Teil eigentlich die Stadt Leipzig zu einem Erfolg des Jugendparlaments (liebevoll intern JuPa genannt) leistet.
Der Punkt 2 des Antrages lautet: „Zusätzlich wird geprüft, auf welche Art und Weise Jugendclubs, soziokulturelle Zentren, offene Freizeittreffs sowie die Schulen der Stadt Leipzig gezielt eingebunden werden können.“ Kann die Stadt auf die städtischen Einrichtungen überhaupt Einfluss, wie von Ihnen gewünscht, ausüben?
Die genannten Institutionen einzubinden, heißt ja nicht, Einfluss zu nehmen. Selbstverständlich entscheiden die Institutionen dies selbsttätig, die Stadt Leipzig kann aber sehr wohl aktiv auf diese Institutionen zugehen und auch offensiv eine Einbindung wünschen. Dann müssten sich die Institutionen zumindest positionieren, ob und wenn ja wie sie sich eine Zusammenarbeit mit dem Jugendparlament vorstellen können.
Wir hätten auch – das wäre ein ganz scharfes Schwert – die Möglichkeit, dies über Förderkriterien verbindlich zu regeln. Aber man muss ja gar nicht so weit gehen. Dass die Art der Ansprache schon eine andere ist, wenn die Stadt offensiv auf die Träger zugeht als wenn die Jugendparlamentarier dies tun, dürfte klar sein. Damit wäre wiederum auch ein klares Bekenntnis der Stadtspitze zum Jugendparlament verbunden.
Wege für Wahlwerbung gibt es viele, wie ich eingangs anmerkte ist das Jugendparlament sehr aktiv, es wird aber zu selten darüber berichtet. Sehen Sie dort Verbesserungsbedarf und wie könnte der aussehen?
Bisher haben die Jugendlichen eine pädagogische Begleitung und müssen alles andere selbst machen. Auch diese Begleitperson macht schon mehr als sie eigentlich müsste. Um der Sache auf die Sprünge zu helfen und das Jugendparlament in der öffentlichen Wahrnehmung zu etablieren, wäre durchaus überlegenswert, ob dem Jugendparlament für eine begrenzte Zeit eine professionelle Agentur zur Seite gestellt werden könnte. Es ginge dabei nicht um eine Dauerbegleitung, sondern darum, das JuPa in Sachen Öffentlichkeitsarbeit mal richtig aufzugleisen und ihnen ihre Optionen aufzuzeigen.
Was sich aus einer solchen beratenden Begleitung ergäbe – ob eine Plakatkampagne sinnvoll wäre oder ein Werbespot entstünde – müsste man sehen. Dafür gibt es aber Profis – das müssen weder die Stadtverwaltung noch wir Stadträte wissen.
Die Mitglieder des Jugendparlaments sind ehrenamtlich tätig, oft selbst noch Schüler, Studenten oder Auszubildende. Es ist für sie schwierig, wenn nicht fast unmöglich, einen Wahlkampf wie die Parteien bei Stadtratswahlen zu führen. Welche Möglichkeiten sehen Sie, außer dem Jugendparlament als Institution, auch die Mitglieder des Jugendparlaments bei ihrer Wählerschaft bekannter zu machen?
Ich möchte den Unterschied betonen: Es soll in meinem Antrag nicht darum gehen, für einzelne Kandidaten zu werben, sondern allgemein überhaupt für die Wahl. Die Kandidaten müssen selbstverständlich wie bisher auch ihren Wahlkampf allein organisieren – genau wie die Parteien zur Stadtratswahl. Aber dafür zu werben, dass Jugendliche wählen gehen – das sehe ich nicht in der Verantwortung des JuPa, sondern im Aufgabenbereich der Stadt als Träger.
Wie die einzelnen Mitglieder sich bekannter machen, tritt für mich dahinter zurück. Da die Jugendparlamentarier aufgrund der Altersbeschränkung nicht selten gar nicht für eine Wiederwahl zur Verfügung stehen und das Jugendparlament auch nicht in Fraktionen oder Gruppierungen organisiert ist, ist die Einzelperson für den Gesamterfolg dabei nicht so relevant.
Wichtig ist, dass Leipzigs Jugendliche wissen, dass sie innerhalb der Stadtverwaltung Ansprechpartner auf Augenhöhe haben, die nur für sie da sind. Das ist die entscheidende Botschaft.
Danke Frau Gabelmann für Ihre Einschätzung.
Fazit: Ob eine verstärkte Kampagne eine höhere Wahlbeteiligung zur Folge hat, darüber kann man nur spekulieren. Einen Versuch ist es jedenfalls wert. Das Jugendparlament, somit die Beteiligung junger Menschen am demokratischen Prozess in Leipzig stärken, sollte allen wichtig sein.
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