Eigentlich geht es nicht, dass man den Videostream zu einer Ratsversammlung startet, ohne geprüft zu haben, dass die Tonübertagung klappt. Ergebnis ist, dass die Leipziger jetzt eine der wichtigsten Diskussionen in der Ratsversammlung am 16. November nicht mitverfolgen können. Obwohl es gerade um sie und ihre wichtigen Anliegen geht, die sie nun einmal immer öfter mit Petitionen zum Ausdruck bringen. Wer hat da nicht mitgedacht?
Sowohl beim Livestream als auch bei den Petitionen. Haben wir es in beiden Fällen einfach nur mit Schlamperei zu tun? Oder mit dem üblichen und wachsenden Leipziger Problem: Keine Leute!?
Schon in der Ratsversammlung im Juli hatte Linke-Stadträtin Beate Ehms das Problem angesprochen. Sie ist gleichzeitig auch Vorsitzende des Petitionsausschusses, sprach also in doppelter Betroffenheit. Denn auch für die Stadtratsmitglieder im Petitionsausschuss ist es ärgerlich, wenn sie den Petentinnen und Petenten keine Nachricht über den Stand ihrer Petition geben können und die Petition auch nicht zur Abstimmung in die Ratsversammlung kommt.
„Dem Petenten ist innerhalb angemessener Frist, spätestens aber nach sechs Wochen, ein begründeter Bescheid zu erteilen. Ist innerhalb von sechs Wochen ein begründeter Bescheid nicht möglich, ist ein Zwischenbescheid zu erteilen“, zitierte die Linksfraktion in ihrer Anfrage aus § 12 Abs. 1 Satz 2 der Sächsischen Gemeindeordnung.
Doch immer weniger Petitionen schaffen diese Sechs-Wochen-Frist.
„In der Ratsversammlung im Juli dieses Jahres wurde auf 18 offene Petitionen, die ältesten aus dem Jahre 2022, hingewiesen und gefragt, wie eine der Sächsischen Gemeindeordnung entsprechende Bearbeitungszeit durch rechtzeitige Erstellung der Verwaltungsstandpunkte gewährleistet werden kann“, hieß es in der Anfrage der Linksfraktion.
„Als Antwort wurde die monatliche Vorlage der Übersichtsliste der offenen Petitionen bei der Dienstberatung des Oberbürgermeisters und Zwischenbescheide an die Petent/-innen benannt.“
Und Beate Ehms: „Ich kann als Vorsitzende des Petitionsausschusses im Namen aller Mitglieder des Petitionsausschusses konstatieren: Es geht voran: Mittlerweile umfasst die Liste der offenen Petitionen 30 (in Worten: dreißig).“
Aber wo liegt die Lösung? Oder gibt es gar keine?
Ohne Stellungnahme der Stadt keine Entscheidung
Denn am Petitionsausschuss liegt es nicht. Der arbeitet in seinen Sitzungen die Petitionen ab, die er auf dem Tisch hat.
Aber: Um sich zu den Petitionen einen fachlichen Standpunkt zu erarbeiten, ist der Petitionsausschuss auf die Zuarbeit der Verwaltung angewiesen. Denn oft geht es wirklich um Themen, die Fachwissen voraussetzen. Da muss das entsprechende Fachamt also einen fundierten Verwaltungsstandpunkt erarbeiten, der dem Petitionsausschuss ermöglicht, daraus einen Beschlussvorschlag für die Ratsversammlung zu machen.
„Dass aktuell zu 19 im Verfahren befindlichen Petitionen die Verwaltungsstandpunkte oder Antwortschreiben derzeit noch nicht absehbar sind, ist nicht zufriedenstellend. Die Gründe hierfür sind vielschichtig.
Nicht selten stehen Anliegen von Petentinnen und Petenten im Zusammenhang mit zum Teil umfassenden fachlichen Planungsaufgaben und dem damit verbundenen Abstimmungsaufwand. Dies verzögert den Abschluss von Petitionsverfahren“, versuchte denn auch die Verwaltung ihr Problem, dass die Stellungnahmen nicht zeitnah erfolgen, zu entschuldigen.
Und verspricht: „Die Geschäftsstelle des Petitionsausschusses fordert die Verwaltungsstandpunkte und Antwortschreiben innerhalb der Verwaltung ab und mahnt Außenstände an. Das mit der Antwort zur Anfrage F 8825 im Juli angekündigte verbesserte Controlling befindet sich in Umsetzung. Daraus resultierend wird eine weitere Qualitätsverbesserung erwartet.“
Ohne geht’s nicht
Das schien dann am 16. November der Ratsversammlung auch das wichtigste Streitthema zu sein. Genügt so ein Controlling? Genügt es, wenn Baubürgermeister Thomas Dienberg, dessen Ressort am häufigsten zu Stellungnahmen zu Petitionen gefragt ist, in den Petitionsausschuss kommt und erklärt, welche Antworten noch ausstehen und warum und wann es die Stellungnahmen möglicherweise gibt?
Denn unterlassen darf die Verwaltung diese Stellungnahmen nicht, wie sie selbst feststellt: „Verwaltungsstandpunkte stellen Informationen, Abwägungsalternativen und rechtliche Handlungsmöglichkeiten dar; sie sind eine unerlässliche Handlungsgrundlage für die Arbeit des Petitionsausschusses.“
Und das bedeutet eben auch, dass die Bürger der Stadt der Verwaltung mit ihren Petitionen zusätzliche Arbeit machen. Ein Punkt, der dem sächsischen Gesetzgeber, als die Gemeindeordnung erarbeitet wurde, ziemlich egal war. Der Bürger soll nicht warten müssen. Jedenfalls nicht über ein Jahr.
Immerhin ist eine Petition aus dem Jahr 2022 noch nicht abgearbeitet – eine zum Shakespeareplatz in der Südvorstadt. Der Platz ist inzwischen bebaut, so Ehms. Aber die Petition immer noch nicht beschieden.
Aber gerade weil die Stellungnahmen fachlich fundiert sein sollen, ist jedes Mal ein Fachamt damit beschäftigt. Und da die meisten Petitionen die Themen Verkehr, Stadtgestaltung und Bau betreffen, ist es fast jedes Mal ein Amt im Baudezernat, das eine Stellungnahme schreiben muss, die letztlich den Stellungnahmen zu Anträgen der Ratsfraktionen nicht nachsteht.
Die Zahl der Petitionen steigt
„Petitionen sollen den Einwohnerinnen und Einwohnern die Möglichkeit geben, sich in politische Entscheidungsprozesse einzubringen. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit einer Petition kann im Einzelfall auch bedeuten, dass ein abschließendes Ergebnis erst nach einem umfassenden zeit- und planungsaufwändigen Prozess erzielt werden kann“, beschreibt die Antwort der Verwaltung ein Problem dabei.
Und: „Dem Oberbürgermeister ist eine sachgerechte und – wenn möglich – möglichst unmittelbare Beantwortung wichtig. Er wirkt gegenüber den Beigeordneten auf eine angemessene Bearbeitung dieser wichtigen Beteiligungsmöglichkeit hin.“
Was auch noch etwas anderes sichtbar macht: Viele Leipzigerinnen und Leipziger schreiben inzwischen fachlich auch sehr anspruchsvolle Petitionen, lassen sich also von der Fachkompetenz der Verwaltung nicht einschüchtern. Aber je anspruchsvoller die Petition ist, umso mehr Arbeit zieht sie nach sich.
Und dazu kommt noch etwas. Denn in den letzten Jahren haben immer mehr Leipzigerinnen und Leipziger das Instrument Petition – als eine ganz direkte Form der Bürgerbeteiligung – für sich entdeckt. Das war in vergangenen Jahren nicht so. Inzwischen bekommt der Petitionsausschuss jeden Monat zehn bis 15 Petitionen auf den Tisch, wie Beate Ehms feststellt.
Und die nächste …
Am 15. November gab es gleich die nächste. Da übergab die Initiative Stadtnatur ihre von über 6.000 Menschen unterzeichnete Petition „Rettung aller (noch) vorhandener Bäume auf Leipzigs zentralem Wilhelm-Leuschner-Platz!“, die gleich am 23. November von der Stadtverwaltung konterkariert wurde, weil sie die nächsten Baumfällungen am Wilhelm-Leuschner-Platz startete.
Das Bearbeiten von Petitionen dauert zwar immer länger – das Handeln der Stadt aber geht erstaunlich schnell, wenn man Tatsachen schaffen will.
Man merkt schon, dass es hier um eine Vertrauensfrage geht – sowohl beim Vertrauen in die Verwaltung als auch in die Funktion der Demokratie. Und es schadet diesem Vertrauen gewaltig, wenn Petitionen über Monate nicht bearbeitet werden und der Petitionsausschuss den Petenten auch keine Auskunft geben kann, woran das liegt. Torsten Bonew, der als Erster Bürgermeister die Versammlung leitete, sagte mit Recht, dass es hier eine deutlich bessere Kommunikation braucht.
Nichts ist so schädlich wie Nicht-Kommunikation. Denn die interpretiert der Bürger natürlich als Missachtung und Ignoranz. Erst recht, wenn gleichzeitig schon Tatsachen geschaffen werden, ohne dass sich in Sachen Petition irgendetwas gerührt hat.
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Zitat: “Torsten Bonew, der als Erster Bürgermeister die Versammlung leitete, sagte mit Recht, dass es hier eine deutlich bessere Kommunikation braucht.”
Dies kann ich aus eigner Erfahrung nur unterstützen.
Ich hatte beim Dezernat, welches die Petition “Biotope aufwerten und erhalten”…B-Plan 359 anpassen” federführend bearbeitet vor erstellen eines VSP ein Gespräch erfolgten sollte.
Dies ist leider aktuell bisher nicht erfolgt.
Der P-Ausschuss hat meinen Antrag auf Vertagung zugestimmt und nun einen neuen Ablauf festgesetzt.
08.12.2023 – Petitionsausschuss
24.01.2024 – Ratsversammlung
Alle Leipziger welche unseren Bestrebungen zu “Biotope aufwerten und erhalten” zustimmen können diese Petition weiterhin u.a. bei https://www.oekoloewe.de/umweltbibliothek-leipzig.html weiterhin mit zeichnen.