Leipzig bekommt die Gelder, die es Jahr für Jahr zur Verfügung stellt, einfach nicht verbaut und ausgegeben. Das hat mit fehlenden Planern zu tun, mal mit der Verschieben wichtiger Projekte, manchmal gibt es auch einfach nichts zu kaufen, wenn das Liegenschaftsamt der Stadt nach freien Flächen sucht, welche die Stadt dringend braucht. Und so ist es eine schöne Leipziger Tradition geworden, dass der Stadtrat jedes Jahr eine Liste bekommt mit Investivgeldern, die in den aktuellen Haushalt verschoben werden mussten.
Das war am 20. September auch wieder der Fall und Linke-Stadtrat Steffen Wehmann sprach von einem neuen Rekord. Immerhin ist er der finanzpolitische Sprecher der Linksfraktion und kam beim Zusammenrechnen auf eine Gesamtsumme von 475,6 Millionen Euro.
Er ging in seiner kurzen mahnenden Rede davon aus, dass eben nicht nur die 321 Millionen Euro dazu gehören, die das Finanzdezernat ganz offiziell aus dem Haushalt 2022 in den Haushalt 2023 übertragen hat, sondern dass auch die nicht übertragenen Gelder ja trotzdem im Haushalt auftauchen müssen. Dies verhält sich so, weil ja die dahintersteckenden Projekte nicht gestrichen wurden, nur eben verschoben. Was dann insbesondere das Bauen immer teurer macht bei den aktuell rasant steigende Baupreisen.
Alles, was nicht in den geplanten Haushalten gebaut werden kann, wird entsprechend teurer. Womit die Stadt wieder mehr Geld investiert – ohne dafür mehr Bauprojekte umgesetzt zu bekommen.
Eine Bugwelle nicht verbrauchter Mittel
Und die Summe der investiven Übertragungen steigt seit Jahren, wie das Finanzdezernat in seiner Informationsvorlage mitteilt. Und dort findet man diese Übertragungen auch ziemlich dramatisch: „Zuletzt standen im Finanzhaushalt 2021 für die Investitionstätigkeit Zuschüsse von insgesamt ca. 514,1 Mio. € zur Verfügung, davon allein 350,0 Mio. € aus übertragenen Ansätzen des Jahres 2020. Mit Stand zum 28.02.2022 sind ca. 113,9 Mio. € in Anspruch genommen worden. Somit wurden geplante bzw. veranschlagte Ansätze in Höhe von ca. 400,2 Mio. € im Haushaltsjahr 2021 nicht verbraucht. Tatsächlich wurden ca. 379,5 Mio. € in das Folgejahr 2022 übertragen.
Im Haushaltsjahr 2022 stellt sich erneut ein ähnliches Bild dar. Das heißt, in 2022 standen Zuschüsse für Investitionstätigkeit von insgesamt 787,5 Mio. € zur Verfügung. Darin enthalten waren übertragene Ansätze aus 2021 in Höhe von 379,5 Mio. €. Zum Stichtag 28.02.2022 wurden davon rd. 339,2 Mio. € in Anspruch genommen, sodass in 2022 Ansätze in Höhe von 448,3 Mio. € nicht verbraucht wurden.“
Doch diese Ansätze wurden nicht komplett ins nächste Haushaltsjahr verschoben, so das Finanzdezernat. Nur 321 Millionen Euro wurden wirklich übertragen.
Vor allem Schulbau und Grundstückskäufe
„Die dringende Notwendigkeit der Übertragung der Mittel wurde durch die bedarfs- und bauverantwortlichen Dezernate angezeigt. Mit der Übertragung soll grundsätzlich die kontinuierliche Umsetzung des ambitionierten Investitionsprogrammes der Stadt Leipzig sichergestellt werden“, betont das Dezernat in seiner Vorlage.
„Dabei spiegeln die Bereiche mit den größten Übertragungsvolumina von 2022 nach 2023 weiterhin die Wachstumsindikatoren der Stadt Leipzig wider: Von den insgesamt 320,3 Mio. € zu übertragenden Mitteln stammen 104,9 Mio. € aus dem Bereich Schulbau und 91,9 Mio. € aus Grunderwerb.“
Steffen Wehmann wünschte sich dann freilich noch eine bessere Gliederung – möglichst nach Dringlichkeit in den Ampelfarben Rot, Gelb, Grün. Das habe das Finanzdezernat doch schon gezeigt, dass es das kann.
Und SPD-Stadtrat Andreas Geisler fragte ganz direkt nach einem scheinbar eher kleinen Posten von 382.000 Euro aus der Rubrik „Gewerbeareale im Norden“, bei denen es aber gar nicht um Gewerbeareale ging, sondern um Gelder für die Ortsteile im Nordraum, die besonders von Gewerbeansiedlung betroffen sind. Der Stadtrat hatte 1 Million Euro bereitgestellt, um diese Ortsteile als Ausgleich bei kleineren Infrastrukturprojekten zu unterstützen. Dass die 382.000 Euro nun einfach gestrichen wurden, fand Geisler dann doch etwas irritierend.
Aber im Grunde machten auch die beiden Redebeiträge deutlich, dass sich am Leipziger Problem, dass es einfach nicht so viel investiert bekommt, wie die Stadt inzwischen plant und planen muss, nichts geändert hat. Und dabei hat Leipzig nicht nur im Schulneubau einen riesigen Investitionsbedarf. Bei Straßen und Brücken ist der Stau noch viel größer. Und tatsächlich zeigt die Vorlage ja nur, was alles nicht geschafft wurde. Damit verschwinden die dringenden Investitionen ja nicht. Sie tauchen nur später in den Haushalten wieder auf. Bis sie dann eines fernen Tages tatsächlich umgesetzt werden.
Beschließen musste die Ratsversammlung die Vorlage nicht. Sie diente rein der Information. Aber wie hieß es so schön schon bei Francis Bacon? „Wissen ist Macht.“ Nur wer weiß, wo es klemmt, kann möglicherweise gegensteuern.
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