Wem gehört der öffentliche Raum? Wer darf sich dort aufhalten? Wer darf ihn wie nutzen? Das ist ein heißes Eisen in Leipzig. Denn immer mehr Nutzungen verlagern sich – auch witterungsbedingt – aus Innenräumen nach draußen. Aktuelles Thema: Die Schanigärten, die in Leipzig seit 2023 auf vormaligen Parkflächen eingerichtet werden dürfen. Am 20. September ging es im Stadtrat um die neue Sondernutzungssatzung, die auch das berücksichtigt. Und um vier grüne Zusatzwünsche.

Und natürlich auch um die Gegenmeinung der CDU, die so überhaupt nicht einverstanden ist damit, dass sich immer mehr öffentliches Leben auch auf Gehwege und Parkflächen verlagert. Dazu sprach am 20. September CDU-Stadtrat Falk Dossin, der gleich mal ankündigte, dass seine Fraktion sowohl gegen einen Änderungsantrag der Grünen-Fraktion als auch die Vorlage der Stadt stimmen würde. Sehr ausführlich. Wobei er vor allem die Vermüllung des öffentlichen Raums als Problem darstellte.

Was natürlich all die Leute wundern dürfte, die jetzt schon Gehwege nach Sondernutzungssatzung in Anspruch nehmen, vor allem eben Gastwirte auf der KarLi, in der Gottschedstraße und so weiter. Sie können sich gar nicht leisten, dass die Freisitze dann vermüllen. Und so lange das Wetter sonnig ist, sind die Freisitze voll. Die Leipziger wollen ja gar nicht immer in ihrer Wohnung herumhängen, wenn das Wetter schön ist. Und große Gärten haben die meisten gar nicht.

Also so ein gewisses Feeling für die Wünsche der Stadtbewohner hat die CDU ganz offensichtlich nicht. Das hat Falk Dossin mit seiner Rede eigentlich deutlich gemacht.

Parklets, Blumenkübel, weniger Bürokratie

Eher hätte man erwartet, dass einzelne Redner den Änderungsantrag der Grünen-Fraktion zerpflücken, den für diese Kristina Weyh vorstellte. Denn wenn man akzeptiert, dass Schanigärten auch zu Leipzig gehören, gibt es auch noch weitere Entwicklungen, die man in so einer Sondernutzungssatzung am besten sofort mit berücksichtigt.

Schanigarten in der Leipziger Arndtstraße. Foto: Ralf Julke
Schanigarten in der Arndtstraße. Foto: Ralf Julke

Das erste sind Parklets – also auch ungenutzte Parkplätze von Kfz, nur dass hier keine Freisitze für angrenzende Gastronomiebetriebe entstehen, sondern öffentliche und größtenteils temporäre Nutzungen, in der Formulierung der Grüne : „sonstige nachbarschaftliche, kulturelle oder gemeinwohlorientierte Nutzungen – ohne Gastronomiebezug, mit räumlich abgrenzender Möblierung und Bänken (Parklets u. ä.)“.

Und kostenlos geregelt werden sollte – so der Grünen-Antrag – auch die – erlaubnisfreie – Aufstellung von „Blumenkübel, Blumenwagen u. a. temporäre und mobile Grünelemente sowie Bänke bis max. 0,60 m Gesamttiefe der Bank vor Geschäften ohne Werbung“. Also lauter Elementen, welche die Aufenthaltsqualität auf Gehwegen erhöhen.

Das sei übrigens auch schon Stadtratsbeschluss, merkte Kristina Weyh an. Denn wo sich Menschen – anders als viele Eigenheimbesitzer – eben nicht in begrünte Gärten und Höfe zurückziehen können, ist der öffentliche Straßenraum meist die einzige Alternative. Gerade in den dicht bebauten Stadtquartieren. Wenn man dort eben nicht nur Pflaster vorfindet, sondern auch ein bisschen Grün, wird auch der Aufenthalt an den immer häufigeren Hitzetagen angenehmer.

Die Grünen dazu: „Ein stärkeres Engagement für Stadtgrün ebenso wie für Aufenthaltsqualität dient dem Gemeinwohl. Das Aufstellen von Blumenkübeln, Blumenwagen u. a. temporäre und mobile Grünelementen ebenso wie von schmaleren Bänken sollte deshalb erlaubnisfrei gestellt werden. Die bisherige Erlaubnispflichtigkeit ist unverhältnismäßig. Eine Erlaubnisfreiheit ist zugleich ein wirksamer Beitrag zum Bürokratieabbau.“

Der Klimawandel heizt auch Leipzig ein

Ein Thema, das immer dringlicher wird, was eigentlich jeder sehen kann, der die steigenden Temperaturen selbst in Monaten wie September oder Oktober wahrnimmt. Da braucht es Orte im Freien, wo man sich aufhalten kann – und zwar zusätzlich zu den oft schon übernutzten Parks und Grünflächen.

Jetzt müssen Städte in ganz Europa überlegen, wie sie den öffentlichen Straßenraum wieder für den Aufenthalt von Menschen umgestalten. Und als Vorbilder nannte Weyh die französischen Städte Lyon, Marseille und Paris.

Was ja auch für Klein-Paris Vorbild sein könnte.

Am Ende stimmten dann nur die beiden Autofahrerfraktionen gegen den Änderungsantrag der Grünen, die sich ganz offensichtlich mehr um Parkraum für ihr Gefährt sorgen, als um die Lebensqualität der Menschen in der dicht bebauten Stadt. Dennoch bekam der Grünen-Antrag 33 Stimmen bei 16 Gegenstimmen.

Und eine Mehrheit bekam auch die neue Sondernutzungssatzung der Stadt mit 35:8 Stimmen bei sechs Enthaltungen.

Die Stadt ändert sich. Und auch die Satzungen der Stadt verändern sich zwangsläufig mit.

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Wenn es richtig heiß draußen ist, lieber Autor, da wollen Sie sich ernstlich an irgendeinen Fahrbahnrand mit einem Höckerchen hinpflanzen und sich Kühle herbeiträumen, anstatt in Ihrer Hornz’che zu bleiben, Ihren Schrebergarten aufzusuchen, in einen Auwald zu schlendern oder in eine Badi (sagt man in CH so) zu gehen?

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