Das war schon ein bisschen ärgerlich, dass eine nicht ganz unwichtige Anfrage der SPD-Fraktion im Leipziger Stadtrat erst am Sitzungstag der Ratsversammlung, dem 20. September, beantwortet wurde. Oder freigeschaltet, was für SPD-Stadtrat Christopher Zenker aufs Selbe hinauslief. Er konnte nicht konkret nachfragen. Aber die Antwort aus dem Dezernat Umwelt, Klima, Ordnung und Sport machte dennoch deutlich, wo es klemmt. Und dass die Leipziger wieder rasen.

Die zurückliegenden Corona-Jahre, die ein bisschen mehr Ruhe ins Leipziger Verkehrsgeschehen gebracht haben, sind ganz offensichtlich vorbei. Die Leipziger Kraftfahrer sind wieder zum alten Verkehrsverhalten zurückgekehrt, flitzen noch bei „Rot“ über Kreuzungen oder fahren mit überhöhter Geschwindigkeit.

Die Zahlen aus der Information des Umweltdezernats sprechen eine klare Sprache.

Deutlich steigende Zahlen 2022

Waren die Verstöße im fließenden Verkehr 2021 auf 199.884 zurückgegangen, so stiege sie 2022, nachdem fast alle Corona-Maßnahmen aufgehoben waren, wieder auf 237.698. Die Zahlen bis Juni deuten an, dass es auch 2023 ähnlich viele sein könnten.

Und der größte Brocken dabei sind die Geschwindigkeitsüberschreitungen, die durch die stationären und mobilen Messstationen des Ordnungsamtes festgestellt wurden. War diese Zahl 2021 auf 166.799 gesunken, so schnellte sie 2022 auf 213.680 hoch.

Die erfassten Zahlen an Verkehrsverstößen durch das Ordnungsamt der Stadt Leipzig. Grafik: Stadt Leipzig
Die erfassten Zahlen an Verkehrsverstößen durch das Ordnungsamt Leipzig. Grafik: Stadt Leipzig

Und das, obwohl sich die Zahl der Messstationen nicht verändert hat. Es wird also nicht öfter „geblitzt“, wie sich die Autofahrer so gern ausdrücken. Aber es landen mehr Fahrer mit ihren Fahrzeugen auf einem Blitzerfoto.

„Die Messgeräteanzahl zur Rotlichtüberwachung blieb in den letzten fünf Jahren konstant“, teilt das Ordnungsdezernat mit. „Die Messplatzzahl wurde aufgrund von Straßenumbauten geringer. Auch werden Messplätze der hier verwendeten Messtechnik aufgrund der endlichen Zulassung des Messverfahrens nicht wieder neu errichtet, sondern zukünftig auf aktuelle Messtechnik zurückgegriffen. Seit 2020 wird zusätzlich an zwei Standorten das rote Lichtzeichen kombiniert mit gefahrenen Geschwindigkeiten überwacht.“

Insgesamt betreibt das Ordnungsamt neun stationäre Geschwindigkeitsmessgeräte im Stadtgebiet sowie 16 Messgeräte im alternierenden Messbetrieb. Dazu kommen sechs Messfahrzeuge und sei 2020 drei Enforcement Trailer zur semistationären Geschwindigkeitsüberwachung (wie im Foto zu sehen).

Und die Zahlen zeigen ja irgendwie, dass deutlich mehr Verkehrsüberwachung notwendig ist. Also auch die Anschaffung von weiteren Messgeräten.

Für den Haushalt 2023/2024 beschloss der Stadtrat ja die Anschaffung weiterer Messfahrzeuge und Geld für den Ersatz veralteter Überwachungstechnik. Aber daran arbeitet das Ordnungsamt noch, teilt das zuständige Dezernat mit: „Der Ausführungsbeschluss beinhaltet die Anschaffung von drei neuen semistationären Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen (Anhänger) sowie die Beschaffung von bis zu 19 stationären Rotlichtüberwachungsanlagen als Ersatz für die in Leipzig bestehenden stationären Rotlichtüberwachungsanlagen, die mit Datum 31.12.2024 ihre Bauartzulassung verlieren. Optional werden diese auch mit der Geschwindigkeitsüberwachung ausgestattet.

Die Lieferung der drei semistationären Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen sowie die Ersatzbeschaffung der stationären Rotlichtüberwachungsanlagen (als Rahmenvereinbarung) sind derzeit über zwei europaweite Vergabeverfahren ausgeschrieben. Beide Verfahren befinden sich aktuell in der Angebotsfrist. Nach Zuschlagserteilung im IV. Quartal 2023 planen wir mit Lieferung im II. Quartal 2024 und dass die Ersatzbeschaffungen der stationären Rotlichtanlagen bis zum 31.12.2024 abgeschlossen sind.“

Ordnungsamt noch immer unterbesetzt

Aber das Ordnungsamt ist ja nicht nur dafür da, den fließenden Verkehr zu überwachsen. Es muss sich auch um den ruhenden Verkehr kümmern. Ein Dauerthema, wie alle wissen, das aber ohne Personal nicht zu machen ist.

Und so stellte die SPD-Fraktion die berechtigte Frage: „Wie viele der vom Stadtrat im Rahmen der Haushaltsverhandlung 23/24 beschlossenen zusätzlichen Stellen zur Überwachung des ruhenden Verkehrs sind bereits besetzt?“

Das Ergebnis ist mehr als ernüchternd. Denn – so das Ordnungsdezernat: „Aktuell ist noch keine dieser Stellen besetzt. Mit Beschluss des Stadtrates Nr. VII-HP-08668 zur Verkehrsüberwachung im ruhenden Verkehr dem tatsächlichen Bedarf anpassen (A 0207/23/24) vom 08.02.2023 wurde zu den Mehrbedarfsstellen beschlossen, dass diese mit einem Sperrvermerk versehen werden, solange freie Bestandsstellen bestehen. Die noch freien Bestandsstellen sind derzeit ausgeschrieben. Aus Personalgewinnungsgründen und vor dem Hintergrund der Prozessökonomie sollen aus diesem Verfahren die MB-Stellen mitbesetzt werden. Derzeit gehen wir davon aus, dass das Auswahlverfahren gegen Ende Oktober abgeschlossen werden kann.“

Das heißt: Es sind noch gar nicht mehr Kontrolleure unterwegs, um Verstöße im ruhenden Verkehr zu ahnden.

Sorgenkind ruhender Verkehr

Und das lässt sich auch aus den erfassten Verstößen im ruhenden Verkehr herauslesen. Wurden 2021 insgesamt 185.771 Verstöße im ruhenden Verkehr ermittelt, darunter 169.630 Halt- und Parkverstöße, so stieg diese Zahl zwar 2022 auf 209.762 (darunter 192.468 Halt- und Parkverstöße). Aber die Zahlen liegen weit unter den noch 2019 ermittelten 268.061 Verstößen im ruhenden Verkehr.

Und auch für 2023 ist bislang keine höhere Zahl zu erwarten. Eben auch deshalb, weil die Zahl der Mitarbeiter/-innen für den ruhenden Verkehr nicht gewachsen ist. Schon gar nicht um die Zahl, die der Stadtrat im Haushalt 2023/2024 beschlossen hat, nämlich „33 zusätzliche VzÄ“ allein zur Überwachung des ruhenden Verkehrs.

Die Bußgelder im ruhenden Verkehr brachten Leipzig übrigens 2022 allein 4,8 Millionen Euro ein, die Einnahmen aus dem fließenden Verkehr betrugen 9,5 Millionen Euro. Mit 14,8 Millionen Euro kassierte die Stadt deutlich mehr Gelder als in den Vorjahren, wo es eher um die 10 Millionen Euro waren.

Aber die erfassten Zahlen deuten zumindest an, wie wichtig die Verkehrsüberwachung ist.

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Es gibt 7 Kommentare

@Namensvetter und Hetzbärchen: Jammerei und Lügen aus der rechtsregressiven Ecke.
Trollt euch!

Sebastian, der Bußgeldkatalog trat am 9. November 2021 in Kraft, findet sich deutlich also erstmals in den 2022er Zahlen wieder und lässt die Einnahmen z.B. wie vermutet im ruhenden Verkehr größer werden als 2019 bei höherer Fallzahl (umgebrochene Zahlen, nicht zwei Zahlen pro Zelle). Über die Verkehrs- und Kontrollsituation sagen die Fallzahlen im Trend mehr aus.

Über “Rasen” und “rücksichtlos” wird hier deshalb nur hinsichtlich Autofahrenden geschrieben, weil sich der Artikel mit Zahlen des Ordnungsamtes befasst, die Kontrolle des fließenden Radverkehrs aber in die Zuständigkeit der Polizei fällt und sich deshalb in diesen Zahlen überhaupt nicht wiederfindet. Gleiches gilt übrigens für das Lärm-Posing.

@ TLpz
Ich fahre Auto UND Rad. Und ich bin nicht besser als alles anderen, d.h. ich halten mich zu gefühlt 90% an die Regeln und zu gefühlt 10% nicht 🙂

Welche unfreiwillige Komik, lieber Autor, in der Zwischenüberschrift “Sorgenkind ruhender Verkehr” liegt! Da braucht es wirklich ganze Schwärme von Nacheiferern Alexander Johns! Denn die Sanktionierungszahlen befinden sich im freien Fall. Da muß gegengesteuert werden!

Bis zum Jahr 2000 gab es noch die https://de.wikipedia.org/wiki/Aktion_Sorgenkind – ersetzen wir doch bitte analog und schreiben “Mensch ruhender Verkehr”. Gefällt mir, und paßt noch dazu.

Nee, der Unterschied ist ein anderer:
Über “Rasen” und “Rücksichtslos” und so weiter wird hier nur hinsichtlich der Autofahrerseite geschrieben, denn Radler sind nie rücksichtslos und fahren stets angemessen.
Über die Radfahrerseite ergänzen es hier und da die innen*Kommentatoren, damit es wenigstens ein bißchen ausgeglichen / wahrheitsgemäßer wird…
Natürlich gibt es Verkehrsüberwachung, weil auch Autofahrer gern flott und “im Flow” fahren wollen, wie das letztens ein Radler hier so schön kommentierte. Weiß jetzt nicht wo da der konstruierte Gegensatz herkommen soll.

> die erfassten Zahlen deuten zumindest an, wie wichtig die Verkehrsüberwachung ist.
Auf der Einnahmenseite zumindest haben aber auch die erhöhten Bußgeldsätze ihren Anteil, denke ich mal. Ansonsten ist klar, dass es wichtig ist da drauf zu schauen. Sehr gern auch in Richtung Lärm-Posing, gern an den Hotspots wie der Karli.

@Gohliser
Dabei dachte ich, Autofahrer halten sich immer und überall an die Verkehrsregeln. Nur Radfahrer kennen diese nicht..

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