Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist noch immer nicht beendet. Nichts hat sich gegenüber der Stadtratsentscheidung vom 9. November 2022 geändert, außer dass es jetzt auch noch eine Anweisung der Bundesregierung gibt, wonach auch das Russische Konsulat in Leipzig geschlossen wird. Das war bis jetzt die einzige Einrichtung mit einer Adresse in der Turmgutstraße in Gohlis, die auf Beschluss des Stadtrates am 9. November 2022 den Namen von Boris Romantschenko bekam.
„Boris Timofijowitsch Romantschenko starb am 18. März dieses Jahres bei einem russischen Angriff auf sein Wohnhaus in Charkiw in der Ukraine. 1942 wurde er als 16-Jähriger zur Zwangsarbeit unter Tage nach Deutschland verschleppt. Nach einem Fluchtversuch 1943 wurde er in vier Konzentrationslagern interniert. Er hat sie alle überlebt: Buchenwald, Peenemünde, Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen.
Als Vizepräsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora hat sich Boris Romantschenko für das Gedenken an die NS-Verbrechen eingesetzt und sich um die Aussöhnung zwischen den Völkern verdient gemacht“, hatte die Linksfraktion damals in ihrem Antrag zur Umbenennung geschrieben, nachdem bekannt geworden war, dass Boris Romantschenko bei einem russischen Raketenangriff auf die Ukraine sein Leben verloren hatte.
Und die Turmgutstraße bot sich geradezu an, hier direkt vor der Haustür des Russischen Generalkonsulats ein weiteres Zeichen der Verbundenheit mit der Ukraine zu setzen.
Schnell wieder rückbenennen?
Es war nicht nur die AfD-Fraktion im Leipziger Stadtrat, die nach dem Schließungsbeschluss für das Konsulat meinte, damit wäre ja der Anlass für die Umbenennung entfallen, da könnte die Straße auch wieder zurückbenannt werden in Turmgutstraße – ein Name, den die Straße übrigens seit 1914 trug.
Kai-Uwe Arnold aus Engelsdorf, dem es zusammen mit der LVZ schon gelungen war, die Umbenennung der Arndtstraße in der Leipziger Südvorstadt in Hannah-Arendt-Straße rückgängig zu machen, versuchte mit einer Petition, auch die Umbenennung der Turmgutstraße zu revidieren. Ein Versuch, den der Petitionsausschuss ablehnte, denn der russische Angriffskrieg dauert noch immer an. Es gibt überhaupt keinen Grund, jetzt völlig andere Zeichen zu setzen. Und es wäre ein völlig falsches Zeichen, stellte der Petitionsausschuss fest.
Was die AfD-Fraktion nicht daran hinderte, noch einen Antrag obendrauf zu setzen, der letztlich dasselbe Anliegen vertrat wie die Petition von Kai-Uwe Arnold.
Dass es der AfD-Fraktion aber tatsächlich darum ging, die Politik der Bundesregierung zu kritisieren, machte am 20. September AfD-Stadtrat Siegbert Droese mit seinen Seitenhieben auf die Bundesaußenministerin deutlich. Und den anderen Ratsfraktionen unterstellte er einfach mal „Kulturfeindlichkeit“. Auch das klar genug. Woher er die „800 betroffenen Bürger“ nahm, erklärte er nicht. Die Online-Petition von Kai-Uwe Arnold jedenfalls haben nur 306 Personen unterzeichnet. Und von denen muss kein einziger aus Gohlis stammen.
Direkt betroffen ist sowieso kein Anwohner mit seiner Wohnadresse, anders als das in der Arndtstraße der Fall war.
Ein Antrag, der direkt auf Boris Romantschenko zielte
Womit sich das Anliegen der AfD letztlich doch darauf konzentrierte, den Namen von Boris Romantschenko vom Straßenschild zu bekommen. Da hilft es auch nichts, ihn – wie beantragt – in den Namensvorrat der Stadt zu verschieben, denn bestenfalls würde dann der Name für eine neue Straße irgendwo eher am Stadtrand infrage kommen.
Womit er eben trotzdem aus dem Auge und aus dem Sinn und der deutliche Hinweis an einer zwar kleinen, aber nicht so abgelegenen Straße nicht mehr zu sehen wäre. Denn wie schon das Verwaltungsdezernat in seiner Stellungnahme betonte: Zuallererst ging es um die Würdigung von Boris Romantschenko.
„Mit der Umbenennung sollte zum einen die Person Boris Romantschenko gewürdigt werden, dessen Vita mahnend gegen Gewalt und Unterdrückung steht. In Verbindung hiermit sollte weiter ein Zeichen gegen den russischen Angriffskrieg gesetzt werden. Dies geschieht mit der Benennung der Boris-Romantschenko-Straße auch weiterhin –unabhängig eines Fortbestehens des russischen Generalkonsulats“, schrieb das Dezernat.
Und genau so sahen es am 20. September auch die meisten Stadträte. Nur die neun AfD-Stadträte stimmten für ihren eigenen Antrag und dann gegen den Vorschlag des Petitionsausschusses, der mit guten Gründen die Ablehnung der Petition von Kai-Uwe Arnold empfahl.
Keine Kommentare bisher