Die wachsende Stadt bedeutet nicht nur auf dem Wohnungsmarkt zunehmende Engpässe. Das haben vor allem alle Pioniere in den Leipziger Stadtquartieren erlebt, die vor 20 Jahren noch als urbane Freiräume galten. Man denke nur an die Rolle des Leipziger Westens mit seinen vielen damals leer stehenden Fabrikgebäuden, in denen Künstler und Kreative ein – vorübergehendes – Zuhause fanden.
Sie wurden in große Teilen verdrängt, als Investoren begannen, diese alten Bauten in moderne Lofts und Bürogebäude zu verwandeln. Musiker verloren ihre Probenräume, bildende Künstler ihre Ateliers. Mit dem leer stehenden Autohaus in der Lindenthaler Straße fand Leipzig 2018 eine Alternative, die vielen freischaffenden Künstlerinnen und Künstlern ein Domizil auf Zeit bot. Aber 2029 läuft der Mietvertrag aus.
Deshalb wollte die SPD-Fralktion im Leipziger Stadtrat vorsorgen und beantragte, die Stadt möge nun ein richtiges Atelierprogramm auflegen. Denn wenn weiter solche kreativen Freiräume verschwinden, verliert Leipzig auch eines der Alleinstellungsmerkmale, das die Stadt über Jahrzehnte unverwechselbar und attraktiv gemacht hat.
Die SPD-Fraktion hat deshalb beantragt, dass bis Ende des vierten Quartals 2023 ein Atelierprogramm erarbeitet wird. Es soll ein Kriterienkatalog für die Vergabe von Ateliers erstellt werden, der bestimmt, welche Voraussetzungen Künstler/-innen erfüllen müssen, um ein Atelier zu erhalten. Das Konzept soll nach einer zweijährigen Pilotphase evaluiert werden.
Darauf hat nun das Kulturamt reagiert und vorgeschlagen, dass bis zum 4. Quartal eine Vorlage für ein Kompetenzzentrum Freie Szene erarbeitet wird, das die Prüfung eines Freiraummanagements zur Unterstützung von künstlerischen und gemeinwohlorientierten kreativen Projekten einschließt.
Ein Zukunftskonzepft für die Lindenthaler Straße 61-65
Dabei war die Anmietung des leer stehenden Autohauses in de Lindenthaler Straße ein echter Erfolg, wie das Kulturamt feststellt: „Im September 2019 konnte das ehemalige Autohaus in der Lindenthaler Straße als Standort für Kunst- und Kreativschaffende in Betrieb genommen werden. Innerhalb kurzer Zeit konnten sämtliche Räume vermietet werden (90 Arbeitsräume sowie Lagerräume und Werkstätten). Seit 2021 ist das Haus voll vermietet und es wird eine Warteliste für weitere Interessierte geführt. Die Räume werden an 74 Künstlerinnen und Künstler sowie 16 Personen aus der Kreativwirtschaft vermietet (Stand April 2023).“
Die Stellungnahme des Kulturamts zum SPD-Antrag „Leipziger Atelierprogramm etablieren“
Das Kulturamt erarbeite zurzeit ein Konzept, um die Liegenschaft in der Lindenthaler Straße 61–65 über den aktuellen Mietzeitraum bis 2029 hinaus als Standort für Kunst und Kreativwirtschaft zu erhalten, teilt dieses nun mit. „Dabei werden Akteure wie der Bund Bildender Künstler und die Initiative Leipzig+Kultur eingebunden. In diesem Rahmen wird auch der aktuell angewandte Kriterienkatalog zur Auswahl der mietenden Künstler/-innen überprüft und überarbeitet. Außerdem wird berücksichtigt, dass es bereits private Anbieter wie zum Beispiel in der Alten Handelsschule und der Franz-Flemming-Straße in dem Feld der Ateliervermietung agieren.“
Man wolle sowieso weiter mit dem Bund bildender Künstlerinnen und Künstler e. V. (BBKL) zusammenarbeiten. Denn der ist eben die direkte Interessenvertretung der Künstlerinnen und Künstler. Auf der Webseite des Vereins ist ein Atelieratlas mit Informationen zu Atelierstandorten bzw. Atelierhäusern in Leipzig abrufbar, den der Verein führt und pflegt.
Aber, so das Kulturamt: „Zuletzt war es dem BBKL immer seltener möglich, geeignete Räume zu vermitteln, da das Angebot nicht mehr vorhanden ist. Aktuell verschiebt der Verein deshalb seinen Fokus von der Vermittlung hin zur Akquise von geeigneten Räumen und prüft auch geeignete Räume im Leipziger Umland. In diesem Jahr setzt sich der BBKL zudem in Zusammenarbeit mit Künstler/-innen sowie weiteren Akteuren der Stadtgesellschaft im Rahmen von Ausstellungen, einer Podiumsdiskussion, einer Umfrage und Vernetzungstreffen intensiv mit der Ateliersituation auseinander.“
Stipendien für Kulturschaffende
Und auch in einem anderen Feld unterstütze die Stadt die in Leipzig aktiven Künstlerinnen und Künstler: „Seit 2020 vergibt die Stadt Leipzig vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie Stipendien an Künstlerinnen, Künstler und Kulturschaffende. Ca. die Hälfte der eingegangenen Anträge kamen von Bildenden Künstler/-innen. Entsprechend hoch fiel der Anteil Bildender Künstler/-innen bei der Vergabe der Stipendien aus, die bei Bedarf auch für den Unterhalt eines Ateliers genutzt werden konnten. Mit dem Haushaltsbeschluss für 2023/2024 wurde die Stipendienförderung verstetigt. Aktuell überarbeitet das Kulturamt die Modalitäten zur Vergabe von Stipendien. Die Ergebnisse werden dem Fachausschuss Kultur vorgestellt.“
Das Problem dabei: „Die zur Durchführung des Verfahrens erforderliche Personalstelle konnte bisher nicht besetzt werden. Mit der Durchführung eines Stipendienprogramms muss nach bisheriger Erfahrung des Kulturamts spätestens im 2. Quartal des betreffenden Förderjahrs begonnen werden. Daher ist eine Ausreichung der zur Verfügung stehenden Fördermittel in 2023 nicht möglich. Diese werden auf Grundlage des Beschlusses A 0182/21/22 in das darauffolgende Jahr übertragen und im Rahmen der Stipendienvergabe 2024 ausgereicht.“
Ein Grünen-Antrag zu Freiräumen
Der aktuelle Antrag der SPD-Fraktion trifft sich mit einem Antrag der Grünen-Fraktion, der ebenfalls noch vom Stadtrat bearbeitet werden muss. Es ist der Antrag VII-A-08013: „Mehr Freiräume für künstlerische und kreative Projekte – Freiraumbüro einrichten.“
Dazu will die Stadtverwaltung bis zum 4. Quartal eine Vorlage für ein Kompetenzzentrum Freie Szene erarbeiten, die die Prüfung eines Freiraummanagements zur Unterstützung von künstlerischen und gemeinwohlorientierten kreativen Projekten einschließt.
„Dabei werden auch die räumlichen Bedarfe Bildender Künstler/-innen u. a. berücksichtigt. Perspektivisch wird das Anliegen des Freiraumfinders des Amts für Wirtschaftsförderung, freie Räume zwischen Kunst- und Kulturschaffenden, Kreativwirtschaft und Immobilienmarkt zu vermitteln, in das Angebotsspektrum integriert“, so das Kulturamt.
„Eine der ersten Aufgaben des Freiraummanagements besteht darin, eine Ist-Stands- und Bedarfsanalyse umzusetzen, die erfasst, ob bzw. wo es eine systemische Mangellage gibt, an der das Freiraummanagement ansetzen kann. Dies ist wichtig, schließlich beziehen sich bisherige Erkenntnisse auf exemplarische Meldungen und Herleitungen resultierend aus den bekannten Umständen wie Einkommenssituation, Raummangel und Mietpreisentwicklungen.“
Zur Umsetzung stellt das Kulturamt die Erarbeitung der Vorlage Kompetenzzentrum Freie Szene Leipzig bis zum 4. Quartal 2023 in Ausicht und das Konzept für das Atelierhaus Lindenthaler Straße bis zum 2. Quartal 2024.
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