Unter Anfrage – VII-F-08940 fragt Michael Weickert, einer der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU-Fraktion im Stadtrat Leipzig, den Oberbürgermeister Folgendes: „1. Bestehen verwandtschaftliche oder ähnliche Beziehungen zwischen Mitarbeitern der Stadtverwaltung, ihrer Eigenbetriebe und Beteiligungsunternehmen zu Unternehmen und Vereinen sowie Initiativen des Mobilitätssektors?“ Weiß der Fragesteller etwas, vermutet er oder ist das ein Schuss ins Blaue?
Die Fragen 2 bis 5 beziehen sich auf die Frage Nr. 1, also muss man sie nicht einzeln betrachten. Interessant ist dann erst wieder Frage 6.
Diese lautet: „6. Garantiert der Oberbürgermeister, dass bei jeglichen Maßnahmen der Stadtverwaltung im Mobilitätsbereich sämtliche Regelungen des § 20 VwVfG umfassend beachtet wurden?“
Der § 20 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) beantwortet die Frage nach den verwandtschaftlichen und den beruflichen Beziehungen. Was aber meint der Fragesteller mit „ähnlichen“, setzt man es in Bezug auf „verwandtschaftlich“, Beziehungen? Aus der Causa Graichen könnte man z.B. auf den Trauzeugen oder vielleicht den Taufpaten schließen. Der Fragesteller lässt sich dazu nicht aus, es bleiben mangels Definition Fragen offen und das Gesetz schweigt dazu.
Wofür sind diese Beziehungen wichtig, bzw wann dürfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auf Grund ihrer Beziehungen, nicht an einem Verwaltungsverfahren beteiligt sein? Was ist überhaupt ein Verwaltungsverfahren? Das wird in §9 VwVfG wie folgt beschrieben:
„Das Verwaltungsverfahren im Sinne dieses Gesetzes ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gerichtet ist; es schließt den Erlass des Verwaltungsaktes oder den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags ein.“
Wenn also verwandtschaftliche oder berufliche Beziehungen zu einem Beteiligten bestehen, dürfen entsprechende Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter nicht einmal an der Vorbereitung eines Verwaltungsverfahrens beteiligt sein.
So weit, so klar, worum geht es aber eigentlich in der Anfrage?
Es ist anzunehmen, dass sich die Anfrage unter anderem auf die Einrichtung des Radstreifens am Leipziger Hauptbahnhof bezieht (LVZ vom 04.08.2023), also geht es wohl, zumindest laut LVZ, um die Beziehungen zu ADAC, ADFC & Co, oder wie der Fragesteller schreibt: „…zu Unternehmen und Vereinen sowie Initiativen des Mobilitätssektors“.
Für den Ausschluss vom Verfahren reicht eine Mitgliedschaft in einem Verein, Verband oder einer Initiative nicht aus, der § 20 VwWfG beschreibt die Ausschlusskriterien eindeutig. Bemerkenswert ist vor allem der Punkt: „Dem Beteiligten steht gleich, wer durch die Tätigkeit oder durch die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil erlangen kann. Dies gilt nicht, wenn der Vor- oder Nachteil nur darauf beruht, dass jemand einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe angehört, deren gemeinsame Interessen durch die Angelegenheit berührt werden.“
Wer also, als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter der Stadt Leipzig, ihrer Eigenbetriebe oder Beteiligungsunternehmen Mitglied im ADFC und aktiv in Initiativen zur Mobilitätswende ist, erfüllt nicht automatisch die Kriterien zum Ausschluss an der Mitarbeit an Verwaltungsverfahren. Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter erlangen zwar einen Vorteil durch die Förderung z.B. des Radverkehrs, dieser beruht aber darauf, dass sie der Bevölkerungsgruppe angehören, deren Interesse diese Förderung ist.
Ist diejenige oder derjenige in verwandtschaftlicher oder beruflicher Beziehung zum Inhaber eines am Verfahren beteiligten Fahrradverleihs oder Car-Sharing-Unternehmens, dann kann durchaus eine Befangenheit vorliegen.
Eine kurze Ausführung noch zum grundlegenden Problem der Frage 1.
Ist die Stadtverwaltung überhaupt berechtigt, die Beziehungen egal welcher Art ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu den genannten Akteuren außerhalb eines konkreten Verwaltungsverfahrens zu erfassen?
Es gibt keinen plausiblen Grund für eine solche Erfassung, die über die Forderungen des § 20 VwWfG hinausgeht. Das ist auch gut so.
Wenn es tatsächlich verwandtschaftliche oder berufliche Beziehungen, also eine Nichtbeachtung von Ausschlusskriterien bei der Vorbereitung und dem Abschluss von Verwaltungsakten oder dem Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge, gab oder gibt, dann ist eine Aufklärung unbedingt erforderlich.
Der Beitrag entstand im Rahmen der Workshopreihe „Bürgerjournalismus als Sächsische Beteiligungsoption“ – gefördert durch die FRL Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen.
Keine Kommentare bisher