Wer in Leipzig einen Termin im Bürgerbüro benötigt, der braucht einen langen Atem und viel Geduld. Im Regelfall muss man einen Termin online buchen, oder telefonisch beim Bürgertelefon einen solchen vereinbaren. Letzteres betrifft vor allem ältere Menschen und andere, die das Internet nicht nutzen.
Die Fraktion „Die Linke“ im Stadtrat Leipzig hat dazu einen Antrag und eine Anfrage gestellt.
Beantragt hat sie: „Bei der weiteren Ausgestaltung des Service und der Öffnungszeiten sowie der Terminvergabe der Bürgerservicebüros soll ein terminfreier Zugang zu den Dienstleistungen in der Art ermöglicht werden, dass während der terminfreien Öffnungszeiten alle bis 11:00 Uhr erschienenen Einwohnerinnen und Einwohner noch am selben Tag ihr Anliegen vorbringen und die entsprechende Dienstleistung in Anspruch nehmen können.“
Der Antrag der Linksfraktion im Leipziger Stadtrat.
Anfrage der Linksfraktion „Erreichbarkeit des Bürgertelefons der Stadt Leipzig“
Schauen wir uns die Terminvergabe einmal an.
Terminvereinbarung online
Da Termine ein rares Gut sind, empfiehlt die Stadt Leipzig, zu bestimmten Zeiten die Buchung durchzuführen. Nämlich dann, wenn neue Termine freigeschaltet werden.
Das setzt voraus, dass man für einen kurzfristigen Termin an mehreren Tagen 10.00 Uhr online sein muss, was für „normale“ Werktätige oft nicht möglich ist. Gleiches gilt auch für die langfristigen Termine, das heißt in den nächsten sechs Wochen. Viele Menschen sind 17.00 Uhr noch auf der Arbeit oder auf dem Heimweg.
Nach einer Stunde sind die Termine meist weg – also empfiehlt es sich am besten wirklich zu den angegebenen Zeiten zu buchen.
Erster Versuch: 15.45 Uhr
Am 21.08.2023 versuchten wir, außerhalb der Zeiten, zu denen Termine eingestellt werden, einen Termin für die Beantragung eines Personalausweises zu bekommen. Denn der alte läuft bald ab und wir möchten gern die Adressänderung durch den Umzug gleich mit der Neubeantragung verbinden.
Beantragung eines Personalausweises: Hierfür gibt es in keinem Bürgerbüro einen Termin. Aber wir könnten am 22.08. in Liebertwolkwitz die Adresse ändern lassen. Das verstehe einer, warum kann nicht gleich auch der neue Personalausweis beantragt werden?
Während wir noch überlegen, ist das Problem gelöst, der Termin ist weg. Also bis 17.00 Uhr warten und mal sehen.
Telefonische Terminvereinbarung
Für diese warnt die Stadt Leipzig uns gleich auf der Webseite, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben auch nur die Termine zur Verfügung, die online zu sehen sind. Das bedeutet, dass Menschen, die das Internet nicht nutzen, ebenfalls optimalerweise 10.00 oder 17.00 Uhr anrufen müssen.
Wie erfahren diese Menschen das, wenn sie nicht auf die Webseite zugreifen können? Wahrscheinlich bekommen sie den Rat, spätestens dann, wenn sie das erste Mal durchgekommen sind.
Zweiter Versuch: 17.00 Uhr
Um 17.05 Uhr wird ein Termin angezeigt, heute um 18.15 Uhr.
Beim Versuch, diesen zu buchen, ist er schon weg. Danach kommt wieder die bekannte Anzeige: „Leider wurde kein freier Termin gefunden. Um dennoch Termine zu finden, ändern Sie bitte Ihre Suchkriterien oder versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt erneut.“
Später, das heißt morgen um 10.00 Uhr. Wer hat da schon Zeit?
Termingarantie für Frühaufsteher/-innen
Man kann natürlich auch ohne Termin in das Bürgerbüro gehen, das wird tatsächlich „Termingarantie für Frühaufsteher/-innen“ genannt. Dabei muss beachtet werden, dass fast alle Bürgerbüros um 09.00 Uhr öffnen. Wie viele Anliegen können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer Stunde bearbeiten? Wahrscheinlich gibt es eine begrenzte Anzahl von Warte-Marken, wer also zu spät kommt, hat Pech gehabt. Ab 10.00 Uhr kommen ja die Menschen mit Terminen.
Hier greift der Antrag der Linken.
Ist der Antrag in dieser Form sinnvoll?
Wenn der Antrag, was nicht zu erwarten ist, im Stadtrat bestätigt wird, dann ergibt sich ein Szenario, in dem die Vergabe von Terminen in der heutigen Form nicht mehr möglich ist.
Wenn alle Einwohnerinnen und Einwohner; die bis 11.00 Uhr erscheinen, am selben Tag die Dienstleistungen in Anspruch nehmen können, dann kann es Stunden dauern, bis die letzten Fälle bearbeitet sind. Also Terminvergabe erst ab 13.00 oder 14.00 Uhr?
Oder doch besser eine Anzahl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für terminfreie Anliegen abstellen?
Warum terminfreie Zeiten nur in den Morgenstunden und nicht auch nachmittags für Werktätige, die sich nicht so leicht einen Tag für den Behördengang freinehmen können, einrichten?
Wäre es vielleicht besser, in den einzelnen Bürgerbüros jeweils einen unterschiedlichen Wochentag generell terminfrei zu halten?
Es gibt wohl mehrere vorstellbare Szenarien, welches das richtige ist, kann man nicht einfach beantworten.
Anfrage zum Bürgertelefon
Der Titel der Anfrage lautet: „Erreichbarkeit des Bürgertelefons der Stadt Leipzig“, die Fragen beziehen sich auf die Anzahl der Anrufe, die in den letzten drei Jahren angenommen und bearbeitet wurden sowie die personelle Ausstattung in diesen Jahren.
Das ist enttäuschend, nach dem Titel sollte doch die Frage sein: „Wie ist das Bürgertelefon erreichbar und warum fliegen Anruferinnen und Anrufer so oft aus der Leitung?“
Die reinen, angefragten Zahlen sagen nichts darüber aus.
Überarbeitung ist geboten
Fazit: Die Terminvergabe und die Möglichkeit der Inanspruchnahme terminfreier Zeiten in den Bürgerbüros bedürfen einer Überarbeitung. Der Vorschlag im Antrag ist aber nicht wirklich praktikabel.
Eine wichtige Frage wäre auch: „Wie viele gebuchte Termine werden ohne Absage nicht wahrgenommen?“ Wenn es eine erhebliche Anzahl davon gibt, wäre dort Handlungsbedarf. Vorstellbar ist, dass ein sechs Wochen im vorab online gebuchter Termin, drei Tage vor diesem – bis 16.00 Uhr des Vortages, nochmal bestätigt werden muss. Wird dies nicht getan, dann wird dieser 17.00 Uhr wieder freigeschaltet.
Das ist aber nur eine vorstellbare Möglichkeit.
Es ist zu hoffen, dass weitere Anliegen der Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Leipzig künftig komplett online beantragt werden können, was Besuche in den Bürgerbüros für viele Menschen überflüssig machen würde. Das löst dann auch das Problem der Terminvergabe, zumindest zu großen Teilen.
Der Beitrag entstand im Rahmen der Workshopreihe „Bürgerjournalismus als Sächsische Beteiligungsoption“ – gefördert durch die FRL Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen.
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