Diese Vorlage konnte sich Stadtrat Thomas Kumbernuß (Die PARTEI) nicht entgehen lassen. Es ging zwar nur darum, dass das Leipziger Marktamt eine neue Konzession ausreichen möchte, damit künftig auch der Burgplatz mit in den Leipziger Weihnachtsmarkt einbezogen werden kann. Aber was ist da eigentlich noch? Aus Sicht von Thomas Kumbernuß nur noch ein einziges großes Missverständnis. Sollte man Kindern also das Lesen dieses Artikels untersagen? Nein.
Gerade weil Oberbürgermeister Burkhard Jung unbedingt wissen wollte, wie der Stadtrat an einem 6. Juli über so einen Änderungsantrag abstimmt. Gab es noch mehr Ratsmitglieder, die öffentlich bekennen würden, dass Weihnachten ein Fest mit einem Loch in der Mitte ist?
Die Vorlage selbst war nicht umstritten. In der ging es wirklich nur darum, für die nächsten zwei, vielleicht auch mehr Jahre einen Betreiber zu finden, der den Burgplatz zum Weihnachtsmarkt mit einer cleveren Idee bespielen würde: „Mit dieser Vorlage soll der Stadtrat darüber informiert werden, dass das Marktamt in 2023 die Verfahrens- und Vergabevoraussetzungen dafür schaffen wird, den Betrieb des Leipziger Weihnachtsmarktes auf dem Burgplatz der Stadt Leipzig ergänzend zur Mitausrichtung auf dem Marktplatz mit Wirkung ab dem Jahr 2024 auszurichten.
Das Marktamt beabsichtigt, im Wege der Vergabe einer sogenannten Dienstleistungskonzession den Burgplatz als neuen Teilbereich des Leipziger Weihnachtsmarktes zu erschließen und durch einen qualifizierten Anbieter/Mitausrichter für die Dauer von zunächst 3 Jahren, d. h. von 2024 bis einschließlich 2026 zuzüglich einer 2-jährigen Verlängerungsoption bis einschließlich 2028 durch die Stadt Leipzig mitbetreiben zu lassen.“
Die Vorlage der Stadt zum Weihnachtsmarkt.
Der grüne Wunsch nach mehr Partnerstadt
Streit hätte es um einen Änderungsantrag der Grünen geben können, die sich hier noch ein bisschen mehr wünschten: „Im Sinne der Stärkung der Internationalität Leipzigs wird das Kriterium internationale Weihnachten aufgenommen: Fairer Handel, die Städtepartnerschaften und internationale Weihnachtstraditionen werden als Kriterium besonders gewichtet (5 Punkte des Kriteriums ‚Aussagekräftige Darstellung des Veranstaltungsprofils‘).“
Und die das auch begründeten, denn so richtig präsent im Leipziger Veranstaltungskalender sind Leipzigs Partnerstädte nicht.
„Leipzig ist Stadt des Fairen Handels, blickt auf eine lange Handelstradition zurück und besinnt sich auf ihre Traditionen. In Leipzig gibt es seit den 80er Jahren Mittelamerikainitiativen, wir pflegen enge Verbindungen zu Osteuropa; unsere Städtepartnerschaften in europäische Städte, nach China, Ostafrika und jüngst auch in Vietnam stärken unsere Internationalität. Der Zuzug in unsere Metropole, gerade auch aus mittel- und südamerikanischen Ländern, bringt zudem neue Bräuche in unsere Stadt, die wir gerne kennenlernen möchten“, schrieb die Faktion Bündnis 90/Die Grünen.
„Es ist ein guter Zeitpunkt, die Lebendigkeit von Adventstraditionen anderer Weltregionen und naher und ferner Länder zu erleben und kennenzulernen. In der Gestaltung des Weihnachtsmarktes, mit kulturellen Beiträgen und perspektivisch auch mit dem Angebot von Produkten afrikanischer, südamerikanischer, indischer und ostasiatischer Traditionen kann Leipzig eine einzigartige Weihnachtswelt schaffen: ganz im Sinne der Vielfalt und als starkes Zeichen für die Eine Welt.“
Die Verwaltung fand den Antrag so gut, dass sie ihn gleich in die eigene Vorlage mit übernahm.
Aber irgendwie gefiel das der CDU-Fraktion nicht. CDU-Stadtrat Michael Weickert beantragte also gleich wieder die Herauslösung des Grünen-Antrags, erklärte aber nicht, warum die CDU-Fraktion dagegen war.
Die Abstimmung über den Antrag von Michael Weickert aber brachte dann ein klares Votum: Mit 16:38 Stimmen bei zwei Enthaltungen wurde das Ansinnen abgelehnt. Der Grünen-Vorschlag bleibt in der Vorlage. Und vielleicht kann man zum nächste Weihnachtsmarkt tatsächlich zum ersten Mal eine oder gar mehrere Partnerstädte auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt erleben.
Es gibt ihn nicht
Aber der Antrag von Thomas Kumbernuß hatte es dann tatsächlich in sich. Denn er ging auf ein Grundproblem ein, das deutsche Weihnachtsmärkte schon lange haben: Sie sind eher zu riesigen Konsum-Meilen geworden, mit einer Menge abgeduldelter Weihnachtslieder, künstlichem Watteschnee und viel Glühwein.
Nur der Kern fehlt, wie Kumbernuß in seinem Änderungsantrag feststellte: „Der Stadtrat nimmt zur Kenntnis, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt, dass es Jesus von Nazareth vielleicht wirklich gab, er aber definitiv nicht in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember im Jahre 0 zur Welt kam, dass gegenteilige Behauptungen weder wissenschaftlich noch historisch seriös haltbar sind und dass das sogenannte Weihnachtsfest demzufolge eigentlich ein großes Missverständnis ist.“
Ein Antrag, bei dem OBM Burkhard Jung dann wirklich wissen wollte, wie die Ratsversammlung abstimmen würde. Und dann färbte sich die Tafel knallrot: Nur drei Stadträt/-innen hatten den Mut, dem einfach zuzustimmen. Obwohl alle Eltern wissen, dass man den griesgrämigen Onkel Karl oder einen Ersatzweihnachtsmann beim Jobcenter bestellen muss, damit jemand mit „Hohoho!“ an die Stubentür pocht. Ein richtiger Weihnachtsmann wurde noch nirgends gesichtet.
Man kann sich den Kopf zerbrechen, warum die meisten Ratsmitglieder der Kenntnis lieber nicht zustimmten. Aber im Antrag von Kumbernuß steckt auch ein berechtigter Gedanke: Dass man vielleicht etwas weniger romantisch und verklärt auf das inzwischen zu einem riesigen Konsumrausch gewordene Weihnachtsfest schauen sollte. Und da tut es ganz gut, die nicht existente Person im roten Mantel einfach mal aus der Mitte zu nehmen.
Denn auch dieses Fest mit seinen riesigen Müllbergen ist längst nicht zuletzt ein Klimaproblem geworden. Und die ganze inszenierte Heimeligkeit verhindert eigentlich, dass alle darüber nachdenken, welchen Sinn es noch macht, dieses Fest zu feiern. Und ob sich die Weihnachtsbräuche – bis hin zum Leipziger Weihnachtsmarkt – nicht dringend ändern sollten. Nur so als Frage, die von den vielen roten Kästchen auf der Anzeigetafel nicht beiseite gewischt werden kann.
Es gibt 2 Kommentare
Der Kommerz ist da, weil er genutzt wird, oder?
Sonst könnten sich die Händler doch die Standgebühr nicht leisten.
Poffertjes, Blank Musikengel, Grünkohlpfanne im Nikolaihof, zwei Glühwein, die jährliche Suche nach dem Minidonuts-Stand, das restaurierte Kinderkarussell, das leuchtende Riesenrad auf dem Augustusplatz, die gefüllten Brötchen auf dem Naschmarkt… Alles wunderbarer Kommerz, der von vielen Leuten gern angenommen wird. Vielleicht kümmert sich Herr Kumbernuß einfach lieber um den nächsten Satirebeitrag im Stadtrat. Wie wäre es mit verpflichtendem Nachmittagsvesper für die Stadtverwaltung? Natürlich nur zum Stressausgleich. Gut gemeint und so.
Naja, zwischen dem tatsächlichen Feiern des Weihnachtsfestes und dem sogenannten Leipziger Weihnachtsmarkt mitsamt seinen Finessen gibt es ja wohl noch einen Unterschied.
Die einzige Gemeinsamkeit dürfte die zeitliche Synchronisation sein.
Insofern würde ich das eigentliche Fest, vor allem im christlich geprägten Abendland, nicht zur Disposition stellen.
Den austauschbaren Kommerz dagegen, der sich mit anderem “Schmuck” mehrfach im Jahr wiederholt, schon…