Dieses Problem hat sich Leipzigs Stadtverwaltung ganz allein eingebrockt. Sie spricht nicht mit einer Stimme, wie sich OBM Burkhard Jung das so oft wünscht. Und oft genug weiß die linke Hand nicht, was die rechte gerade getan hat. So geschehen auch bei den Warming Stripes auf der Sachsenbrücke, die vor einem Jahr auf Initiative des Klimabündnisse „Leipzig fürs Klima“ und mit herzlicher Zustimmung der Stadt aufs Pflaster gebracht wurden.
Ein Jahr später ist von den Streifen, die den Temperaturanstieg in den letzten Jahrzehnten sichtbar machten, nicht mehr viel zu sehen. Die Brücke wird viel genutzt. Hier finden jede Menge Partys statt. Und so wird auch regelmäßig mit Kehrmaschinen gekehrt, sodass die Farbe nach und nach abgetragen wurde.
Schließlich stellte die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen den Antrag, dass die Stadt die Streifen auf eigene Kosten wieder aufbringen sollte. Denn 2022 hatte das Klimabündnis das Projekt mit einer aufwendigen Crowdfunding-Aktion finanziert. Das geht natürlich nicht jedes Jahr aufs neue.
Aber der Denkmalschutz!
Aber die Stellungnahme der Stadt sorgte dann nicht nur in einigen Stadtratsfraktionen für Kopfschütteln, sondern auch bei den Klimaaktivisten. Denn was 2022 überhaupt noch kein Thema war, wurde von der Verwaltung nun auf einmal als Ausschlussargument vorgebracht: Die Sachsenbrücke sei Teil einer denkmalgeschützten Anlage. Eine Veränderung durch so ein Projekt sei dauerhaft nicht tolerierbar. Für die Warming Stripes müsse ein anderer Standort gefunden werden.
Nur konnte die Stadt selbst keinen Vorschlag machen. Und so leicht wird es auch nicht, in Leipzig einen öffentlichen Platz zu finden, auf dem die Warming Stripes ihre visuelle Wirkung entfalten können.
Was freilich nicht gehe, das stellte der für Umwelt zuständige Stadtrat der Linksfraktion, Michael Neuhaus, am 5. Juli in der Ratsversammlung fest, das sei die Vorfestlegung, dass die Stadt die Neuauftragung der Warming Stripes bezahlen solle. Da ginge schon rein rechtlich nicht.
Weshalb Neuhaus dann den Antrag der Grünen gründlich umschrieb, aber den Kern beibehielt. Denn jetzt muss die Stadt mitmachen bei der Suche nach einem Standort, der wirklich dem Sinn des Projekts genügt: „Der Oberbürgermeister erarbeitet gemeinsam mit den zivilgesellschaftlichen Initiatoren ein Standortkonzept für die öffentliche Präsentation der Warming Stripes, welches eine dauerhafte Präsenz ohne Beschädigung durch alltägliche Fremdeinflüsse erlaubt. Die Sachsenbrücke ist dabei prioritär zu prüfen.“
Und wenn es schon mal ums Geld geht, kann die Stadt auch nicht einfach erwarten, dass das Klimabündnis die Neuauftragung komplett allein bezahlt. Nächster Antragspunkt also: „Im Rahmen der Konzepterstellung sollen auch die Kosten der Standort- bzw. Präsentationsoptionen betrachtet und gemeinsam mit den zivilgesellschaftlichen Initiatoren Finanzierungsmöglichkeiten erarbeitet werden.“
Klare Ansage bis Jahresende
Und das alles bitteschön nicht erst zum Sankt Nimmerleinstag. Denn auch zum Abschrubben der Streifen auf der Sachsenbrücke hat man nur ein Jahr gebraucht. „Bis zum Ende des 4. Quartal 2023 wird das Standortkonzept dem Fachausschuss Umwelt und Ordnung vorgestellt“, fordert also der neu gefasste Antrag.
Plus eine Zugabe, die Michael Neuhaus für sehr medienwirksam hält: „Der Oberbürgermeister prüft zusätzlich zur dauerhaften öffentlichen Präsentation der Warming Stripes eine temporäre, öffentlichkeitswirksame Darstellung anlässlich der Euro 24 z. B. im Zuge der Einhausung des Schwimmstadions.“
Alles Punkte, denen Jürgen Kasek, umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, nur zustimmen konnte, weshalb er den neu gefassten Antrag von Michael Neuhaus anstelle des eigenen Grünen-Antrags zur Abstimmung stellte.
Ein Mumpitz-Antrag der AfD
Wobei die AfD-Fraktion in Person von Siegbert Droese die Gelegenheit nutzte, noch einen Mumpitz-Antrag zu stellen, bei dem die Warming Stripes durch Streifen aus Schwarz, Rot, Gold ersetzt werden sollten. Das ist nicht nur populistisch, sondern offenbart auch die Demokratiefeindlichkeit der AfD, für die Droese gleich mal einen „gesellschaftlichen Wandel“ propagierte. Denn augenscheinlich glaubt man in dieser rechtsradikalen Partei tatsächlich, dass Deutschland gerade dabei ist, den blau angemalten Nationalisten künftig zur Regierung zu verhelfen. Der Ton klingt schon so.
Aber mit der von Droese beschworenen Leugnung des Klimawandels löst man keine Probleme, sondern verdummt nur die Leute. Und macht dumme Anträge, wie Grüne-Stadtrat Martin Meißner feststellte. Denn wenn die Farben der Nationalflagge aufs Pflaster gemalt werden, lädt das ja die Leute geradezu ein, „auf der Deutschlandfahne herumzutrampeln“. Der AfD-Antrag zeigte also eine deutlich verschriftlichte Verachtung für Demokratie und Republik.
Und natürlich wieder nur ein Stück inszenierter Wahlkampf, wie jetzt immer öfter bei den Stadträten der AfD zu beobachten.
Ihrem Antrag stimmten am Ende nur die AfD-Stadträte zu, wohingegen die Stadtratsmehrheit den Unfug natürlich ablehnte. Während der Vorschlag, den Michael Neuhaus für die Warming Stripes formuliert hatte, mit 38:21 Stimmen eine klare Mehrheit fand.
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