Crystal Meth und Opioide wie Heroin sind neben Cannabis die in Leipzig am hรคufigsten konsumierten illegalen Drogen. Der Konsum kann hochgefรคhrlich sein, vor allem wenn er unter unhygienischen Bedingungen und an unsicheren Orten im รถffentlichen Raum stattfindet. Das darf nicht sein, meinen die Linke Stadtratsfraktion, Bรผndnis 90 / Die Grรผnen und die Freibeuter. Deshalb haben sie im Stadtrat einen Antrag fรผr die Einrichtung eines mobilen Drogenkonsumraums gestellt.
Drogenkonsumrรคume, auch Fixerstuben oder Druckrรคume genannt, sind Orte, an denen ein risikoarmer Konsum (Safer Use) von Drogen wie Heroin, Kokain, Crack oder Crystal Meth ermรถglicht werden soll. In Drogenkonsumrรคumen werden Materialien zur hygienischen intravenรถsen Einnahme bereitgestellt. Auรerdem erfolgt die Einnahme unter medizinischer Betreuung, um gefรคhrlichen Mischkonsum oder eine รberdosis zu verhindern.
In Drogenkonsumrรคumen werden auรerdem Suchttherapien oder Beratungen weiter vermittelt. Grundlage der Rรคume ist eine akzeptierende Drogenarbeit. Das heiรt, dass nicht die Entwรถhnung, sondern die Verbesserung der Lebenssituation der Abhรคngigen im Vordergrund steht. Drogenkonsumrรคume kรถnnen damit ein Baustein im Drogenhilfesystem der Stadt Leipzig sein.
โWir dรผrfen die Augen nicht vor der Realitรคt verschlieรen: รffentlicher Drogenkonsum gehรถrt an einigen Orten in Leipzig leider zum Alltagโ, so Juliane Nagel, Linken-Stรคdtrรคtin zur Begrรผndung des Antrags. โDurch die Einrichtung von Drogenkonsumrรคumen mit hygienischen Bedingungen sinkt zum einen das Infektionsrisiko fรผr Krankheiten wie HIV oder Hepatitis. Zum anderen wird die Mรถglichkeit geboten, Schwerstabhรคngige an Hilfsangebote und Suchttherapien weiterzuvermitteln sowie Akuthilfe im Falle einer รberdosis zu leisten. Der Konsumraum in Leipzig soll als integriertes Angebot, d. h. kombiniert mit Kontaktladen und Beratungsangebot, und mobil konzipiert werden.โ
Erlaubnis kรถnnen nur die Bundeslรคnder treffen
Der Konsum illegalisierter Drogen ist in Deutschland nicht verboten. Allerdings sind alle Tรคtigkeiten darum herum, wie zum Beispiel der Besitz, die Verabreichung oder der Handel strafbar. Die Einrichtung von Drogenkonsumrรคumen, in denen natรผrlich nur selbst mitgebrachte Drogen konsumiert werden, kann jedes Bundesland selbst per Rechtsverordnung nach ยง 10 a BtMG regeln. Dabei mรผssen gewisse Standards gewรคhrleistet werden, wie eine medizinische Notfallversorgung, eine medizinische Beratung oder stรคndige Anwesenheit von zuverlรคssigem Personal.
In Baden-Wรผrttemberg, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland ist der Betrieb von Drogenkonsumrรคumen erlaubt. Auch die Linke in Leipzig schreibt in ihrem Antrag, dass die Stadt sich auf sachsenweiter Ebene fรผr eine entsprechende Rechtsverordnung einsetzen soll.
Auf Anfrage der LZ antwortete das Sozialministerium Sachsen (SMS), dass die Die Linke-Fraktion bereits im Jahr 2000 die damalige CDU-Staatsregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung aufgefordert hatten. Die Regierung stellte sich jedoch dagegen. Auch 2012 unter der schwarz-gelben sowie 2017 unter der schwarz-roten Regierung wurde der Antrag abgelehnt.
Die Regierung argumentierte, dass โmit niedrigschwelligen Beratungsangeboten und aufsuchender Sozialarbeit (z. B. durch Streetworkprojekte in Leipzig und Dresden) einschlieรlich Spritzen-/Kanรผlentausch, Safer-Use-Beratung und Beratung zu weiterfรผhrenden Hilfeangeboten sowie mit bedarfsgerechter medizinischer Versorgung ausreichend geholfen werden kannโ.
Noch 2018 lehnte der Sozialbรผrgermeister Leipzigs Thomas Fabian (SPD) die Einrichtung von Drogenkonsumrรคumen ab. Laut SMS hatten Antrรคge zur Einrichtung von Drogenkonsumrรคumen in allen drei Kreisfreien Stรคdten in den letzten Jahren im Stadtrat keine Mehrheit gefunden. Forderungen vonseiten der Suchthilfeeinrichtungen habe es gegenรผber dem Sozialministerium nicht gegeben.
In anderen Bundeslรคndern werden schon gute Erfahrungen mit Drogenkonsumrรคumen gemacht. Die Stadt Kรถln berichtet der Leipziger Zeitung (LZ), dass die Rรคume gut angenommen wรผrden. In Kรถln gibt es seit September 2001 einen Drogenkonsumraum am Hauptbahnhof. 2019 wurden zwei Busse als weitere mobile Drogenkonsumrรคume in Betrieb genommen. Auรerdem gibt es zwรถlf Konsumplรคtze direkt im Kรถlner Gesundheitsamt.
Auch in Kรถln dockt das Angebot an die bestehenden Drogenhilfestrukturen, wie zum Beispiel Streetwork an. Laut der Stadtverwaltung bieten die Drogenkonsumrรคume nicht nur einen Ort zum Konsumieren, sondern sind kombiniert mit Angeboten zum Duschen, Wรคsche waschen, Beratungen und Gesprรคchsangeboten oder Mittagessen. Aktuell laufe die Personalsuche, um die รffnungszeiten der Rรคume auszuweiten.
In Bayern wird das Thema hingegen kontrovers diskutiert. Laut eines Berichts des Bayrischen Rundfunks (BR) von September 2022 stellt sich die Bayerische Staatsregierung gegen den Betrieb von Drogenkonsumrรคumen, weil es โwidersinnigโ sei, einen legalen Raum fรผr den Konsum illegalisierter Drogen zu bieten. Der gesundheitspolitische Sprecher der CSU-Fraktion Bernhard Seidenath plรคdiere fรผr Prรคvention, Drogenersatzstoffe und Ausgabe von sauberen Spritzen und Notfallmedikamenten. Die Befรผrchtung bei der Einrichtung von Drogenkonsumrรคumen sei, dass sie junge Menschen รผberhaupt erst dazu verfรผhren kรถnnten, Drogen auszuprobieren.
Jedes Jahr Drogentote in Leipzig
Die Praxis aus verschiedenen Orten in Deutschland sieht jedoch anders aus. Der BR berichtet, dass zum Beispiel in Karlsruhe kaum Neulinge den Drogenraum benutzten. In Frankfurt habe die Einrichtung sogar zu einer Halbierung der Drogentoten gefรผhrt.
Der Leipziger Suchtbericht verzeichnet jedes Jahr Drogentote in Leipzig. So sind 2021 22 Menschen infolge des Konsums illegalisierter Drogen gestorben. Das kann zum Beispiel durch eine รberdosis passieren. Wie viele Krankheiten durch das Benutzen unhygienischen Materials, zum Beispiel gebrauchter Spritzen, รผbertragen werden, ist im Suchtbericht nicht verzeichnet. Das Umtauschen von Spritzen und Gesundheitsberatungen werden vor allem durch die stรคdtischen Suchthilfestellen beim Zentrum fรผr Drogenhilfe angeboten.
Wie lange es in Leipzig noch dauern wird, ist unklar. Der Antrag von Linken, Grรผnen und Freibeutern wird zunรคchst im Fachausschuss Familie und Soziales besprochen, bevor er zurรผck in die Ratsversammlung geht. Aber auch wenn der Stadtrat Leipzig sich fรผr die Einrichtung eines Drogenkonsumraums entscheiden sollte, muss die Frage zunรคchst auf Sachsen-Ebene geklรคrt werden.
โSicheres Konsumieren illegaler Drogen: Bekommt Leipzig einen Drogenkonsumraum?โ erschien erstmals zum thematischen Schwerpunkt โSuchtโ im am 30. April 2023 ersten ePaper LZ 112 der LEIPZIGER ZEITUNG. Der Schwerpunkt wird das Thema in allen denkbaren Facetten behandeln: Alkohol, Drogen, aber auch eher Unbekanntes wie Pornosucht. Und wรคhrend die Debatte รผber die Legalisierung von Cannabis lรคuft, schauen wir zurรผck auf die Geschichte der Drogen quer durch die Zeitalter.
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