Die nächste, kann man sagen. Muss man eigentlich auch. Und es war ganz und gar kein Zufall, dass der Rücktritt der Grünen-Stadträtin Stefanie Gruner am 19. April in derselben Ratsversammlung bekannt wurde, in der eine autoverliebte Männerrunde eine anderthalbstündige, völlig sinnfreie Diskussion über die neue Verkehrsorganisation vor dem Hauptbahnhof beantragte und durchzog.
Keine Stadtratsdiskussion in der letzten Zeit hat so deutlich gemacht, wie sehr jede Debatte über Familienfreundlichkeit in der Leipziger Ratsversammlung scheitern muss, wenn machtverliebte Männer die politischen Diskussionen an sich reißen und auf die Existenz von Familien mit Kindern nicht einmal in Gedanken Rücksicht nehmen. Die einen haben keine Kinder mehr, um die sie sich kümmern müssen. Und bei den andern kümmern sich daheim die Frauen.
Was das nun mittlerweile unübersehbare Ergebnis nach sich zieht, dass eine gewählte Stadträtin nach der anderen, die Familie, Beruf und Stadtratsarbeit nicht mehr unter einen Hut bekommt, aufgeben muss. Angefangen hat es in der aktuellen Stadtratslegislatur mit Franziska Rudolph (FDP), der dann kurze Zeit später die Energieexpertin der Grünen-Fraktion Sophia Kraft folgte.
In der Ratsversammlung vom 19. April gab es jetzt den nächsten Mandatswechsel in der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Stefanie Gruner, seit 2019 Stadträtin und verwaltungs- und bildungspolitische Sprecherin der Fraktion sowie Vorsitzende des Vergabegremiums VOL, langjähriges Mitglied des Kreisverbandes und ehemalige Kreisverbandssprecherin, hat ihr Mandat niedergelegt.
Die Begründung liest sich trocken, aber erhellend: „Die Beendigung der ehrenamtlichen Tätigkeit entsprechend § 18 (1) SächsGemO wird damit begründet, dass Frau Gruner gemäß § 18 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 SächsGemO durch die Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit in ihrer Berufs- oder Erwerbstätigkeit oder in der Fürsorge für ihre Familie erheblich behindert wird.“
Familienfreundlichkeit als Feigenblatt
Im Klartext: Die Rechtsanwältin und Mutter von drei Kindern bekommt alle drei Welten – Arbeit, Familie und politisches Mandat – nicht mehr unter einen Hut. Die eigentlich wichtigste Bevölkerungsgruppe, welche die eigentliche Zukunft der Stadt in der Ratsversammlung vertritt – die jungen Mütter – schmilzt dahin wie Schnee an der Sonne.
Und ihr Weggang ist natürlich auch eine Aussage, nachdem die Ratsversammlung nun mehrmals über Familienfreundlichkeit diskutiert hatte, sich aber in Wirklichkeit an der Arbeitsbelastung der gewählten Stadträtinnen nichts änderte.
Und auch die beschlossene Redezeitbegrenzung ist zur Farce geworden, weil männerdominierte Fraktionen ausufernde Diskussionen in die Versammlung schleppen, die hier gar nichts zu suchen haben und in die Ausschüsse gehören. Sie missbrauchen das Arbeitsgremium inzwischen immer offensiver als Wahlkampfbühne. Und zeigen damit auch Frauen und Kindern, wie egal ihnen deren Sorgen und Probleme sind.
Anne Sehl ist die Neue
Auf das Mandat von Stefanie Gruner im Wahlkreis Südost folgt indessen Anne Sehl als neue Stadträtin der Grünen. Sie ist seit 2017 Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen und war seit 2019 als Stadtbezirksbeirätin in Südost tätig. Sie ist Mitarbeiterin am Deutschen Biomasseforschungszentrum.
„Wir danken Stefanie Gruner für ihre hartnäckige Durchsetzungskraft als Stadträtin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende! Ihr stets kritisch-konstruktiver Input hat viele Diskussionen nachhaltig bereichert“, würdigt die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Krefft die Arbeit von Stefanie Gruner.
„Als verwaltungspolitische Sprecherin hat sie sich vor allem für eine verbesserte Terminvergabe in den Leipziger Bürgerbüros stark gemacht – mit Erfolg! Als bildungspolitische Sprecherin hat sie sich für eine klarere Kommunikation zwischen Verwaltung und Schulen eingesetzt. Wir bedauern ihr Ausscheiden sehr und wünschen ihr alles Gute!“
Dass die Fraktion mit Anne Sehl wieder weibliche Unterstützung bekommt, begrüßt der Fraktionsvorsitzende Dr. Tobias Peter: „Wir heißen Anne Sehl in unserer Fraktion herzlich willkommen und freuen uns, mit ihr eine engagierte Stadträtin hinzuzugewinnen.
Sie wird für unsere Fraktion die Funktion der sportpolitischen Sprecherin übernehmen und Sitze in den Fachausschüssen Sport und Allgemeine Verwaltung, dem Vergabegremium für Lieferungen und Dienstleistungen sowie dem Aufsichtsrat Abfallverband Westsachsen übernehmen. Wir freuen uns sehr auf die weitere, bereits gut gestartete Zusammenarbeit!“
Und was sagt Anne Sehl selbst zu ihrem Mandat und ihrer Funktion als sportpolitische Sprecherin? – „Ich bin ein sportlich aktiver Mensch, der auch über viele Jahre lang Cheerleading im Verein betrieben hat. Mit meinem Team haben wir an zahlreichen Wettkämpfen teilgenommen.
Daher weiß ich aus eigener Erfahrung, was Kinder, Jugendliche und Erwachsene benötigen, um ihrem Sport nachgehen zu können und will mich dafür einsetzen, die Bedingungen hierfür kontinuierlich weiter zu verbessern.“
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