Heiko Rosenthal war schon öfter dran, Torsten Bonew hat es bereits einmal hinter sich gebracht und nun folgt sehr wahrscheinlich Skadi Jennicke. Bringt die Linke-Politikerin den heutigen 19. April 2023 erfolgreich gegen den Kandidaten Christoph Meißner (Die PARTEI) hinter sich, ist sie eine von drei wiedergewählten, aktiven Bürgermeister/-innen, welche anhand des Abstimmungsergebnisses ablesen kann, wie erfolgreich der Stadtrat ihre erste Amtszeit einschätzt. Die LZ hat vorab mal bei den Fraktionen gefragt, wie sie die bisherige Arbeit der Leipziger Kulturbürgermeisterin einschätzen.
Dass die nicht nur kurzfristige, sondern auch durchaus etwas abwegige Idee von Stadtrat Thomas (Kuno) Kumbernuß (Die PARTEI), seinen noch stark unterbekannten Partei-Kollegen Christoph Meißner für die heutige Wahl als Gegenkandidat in Stellung zu bringen, am Ende mehr als die Stimme von Kumbernuß selbst erhält, ist eher ausgeschlossen.
Es sei denn, Kumbernuß muss sich und anderen am Abend des heutigen 19. April erklären, wie einzelne AfD-Stimmen bei seinem Kandidaten landen konnten. Doch auch das ist ja angesichts der bekannten Humorlosigkeit am rechten Rand ebenfalls von geringer Wahrscheinlichkeit.
Der erwünschte Effekt ist hiermit wohl bereits erreicht: Die Wahrheitspresse ist gezwungen, die PARTEI zu erwähnen, wenn es eigentlich um die Wiederwahl von Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke geht, der zeitig eingeläutete Stadtratswahlkampf für 2024 lässt grüßen.
Stimmungsvorhersage heiter bis wolkig
Doch das Stimmungsbild, welches sich bei der Lektüre der Antworten aus den demokratischen Fraktionen zum Gesamteindruck der vergangenen sieben Jahre als Kulturbürgermeisterin ergibt, ist für Jennicke ein durchaus heiteres. Mit großen Herausforderungen.
Bis auf die AfD, welche auf die LZ-Anfrage mit den Worten „die AfD-Fraktion ist gegen eine erneute Kandidatur der bisherigen Bürgermeisterin, weil nichts von der Dame zu erwarten ist, was unsere Leipziger Kulturlandschaft ideologiefrei, nachhaltig gegenwarts- und zukunftsfester machen kann“, reagierte, gab es durchaus Lob und Verbesserungsideen aus allen anderen politischen Lagern.
So lobt Michael Weickert für die CDU, dass „Frau Dr. Jennicke von ihrer Arbeit als Stadträtin profitiert und auch über all die Jahre ein belastbares Verhältnis zum Stadtrat aufgebaut“ habe. „Insbesondere in der Pandemie hat sie sich umsichtig und führungsstark gezeigt. Viele Großprojekte sind derweil angeschoben, auf deren Umsetzung wir allerdings noch warten“, so Weickert.
Wie alle anderen Fraktionen außer der AfD signalisiert auch der Christdemokrat ein grundlegendes Vertrauen in die Arbeit der heute zu wählenden Kulturbürgermeisterin und vermutet, dass auch der „gute Auftritt in der Fraktion“ zu einer „großen Unterstützung der CDU“ führen dürfte. In freier Einzelentscheidung der Räte, versteht sich, und unter ein paar gewichtigen Zukunftserwartungen.
Denn, so Weickert, „viele Großprojekte sind derweil angeschoben, auf deren Umsetzung wir allerdings noch warten“. Nicht geglückt seien aus Sicht der CDU bislang „die Etablierung des Kulturrates und auch im Bereich Erinnerungskultur hat das Kulturamt lange geirrlichtert“. Die anstehende Arbeit schreibt die CDU gleich mit in ihre Beantwortung der LZ-Anfrage.
So seien mit der neuen Amtsperiode ab 10. Juni 2023 „die Investitionen in Naturkundemuseum, Volkshochschule und Musikschule sowie das Konzept für eine Markthalle auf dem Leuschnerplatz ebenso wie die Entwicklung am Matthäikirchhof von herausgehobener Bedeutung“. Und die „Zukunft des Sportmuseums“.
Sören Pellmann ist als Fraktionsführer der Linken-Fraktion voll des Lobes für die Parteikollegin. So denke Jennicke vor allem „Kultur modern und innovativ“ und handele auch „in den Bereichen Nachhaltigkeit und Digitalisierung (z. B. e-Culture)“ entsprechend. Mit der „Museumskonzeption 2030, dem geplanten Neubau des Naturkundemuseums und der Verleihung des Robert-Blum-Demokratiepreises ab 2024“ seien ihr schon in der ersten Amtszeit neue Akzente gelungen und die Personalentscheidungen bei Oper und DOK-Filmfestival seien überzeugend gewesen.
Als „größte Herausforderungen“ sieht Pellmann im Namen seiner Fraktion die zukünftige „Stabilität im Kulturbetrieb trotz angespannter Rahmenbedingungen. Strukturelle Stabilität und der Erhalt der besonderen Vielfalt in Leipzigs Kulturszene“ seien immer „Prämissen einer guten Kulturpolitik“, hinter deren Ausformung durch Jennicke sich wohl seine Fraktion bei der heutigen Wahl stellen und sie „selbstverständlich wiederwählen“ wird.
Grüne, SPD und Freibeuter ebenfalls mit hohen Erwartungen
Weitere Stimmen sollte Skadi Jennicke zudem in der Grünen-Fraktion sicher haben, denn von dieser meldet Fraktionsvorsitzende Katharina Krefft ein „Insgesamt ausgezeichnet“ auch für die gute Zusammenarbeit Jennickes mit dem Stadtrat zurück.
Sie habe „die Kulturpolitik strategisch untersetzt, internationale Aufmerksamkeit mit Festivals gestärkt; sie hat gemeinsam mit dem Stadtrat sehr gute Köpfe für die Einrichtungen bestellen können und mit den Themenjahren eine Idee aus dem Stadtrat aufgegriffen und mit politischem Blick weiterentwickelt“.
Zudem, so Krefft weiter, habe es die Kulturbürgermeisterin „vermocht, Freie Szene und die großen Häuser zusammenzubringen und damit die Kulturlandschaft sehr bereichert“.
Wasser im Wein sieht Katharina Krefft neben dem nicht installierten Kulturbeirat bei der „Klarheit beim Thema ’89“. Hier sehe man „Defizite, wie dieses für die Zukunft entwickelt werden soll; die Umsetzung einer eindeutig europäischen Vision für den DEMOKRATIECAMPUS Matthäikirchhof ist noch nicht erkennbar“. Zukünftig erwarte man, dass der Stadtrat vor allem bei Großprojekten wie Naturkundemuseum, „Matthäikirchhof oder Demokratiethemen“ stets bestens involviert wird.
Und die „perfekte Erfüllung der Managementaufgabe der Bürgermeisterin, also dass die Bauprojekte von Musik/Volkshochschule bis Coffebaum unfallfrei und im Kostenrahmen bewerkstelligt werden und die Finanzierung der großen Häuser gut beherrscht wird“.
Das Grünen-Fazit deshalb: „Wir werden Frau Dr. Jennicke als kompetente Bewerberin erneut zur Bürgermeisterin für Kultur wählen“, so Krefft abschließend.
Aus der SPD heißt es zu den bisherigen Leistungen, dass insbesondere die „Entgeltfreiheit in den städtischen Museen zu nennen“ sei, wie auch „die Erhöhung der Gelder der Kulturförderung und der Beginn der Diskussion für ein Erinnerungspolitisches Konzept“. Wie auch die Freibeuter und alle anderen Fraktionen attestieren die Sozialdemokraten der amtierenden und wohl auch zukünftigen Kulturbürgermeisterin der Stadt Leipzig vor allem kompetentes Handeln.
Die „sehr häufige Begegnung auf Augenhöhe zwischen Kulturdezernat und Mitgliedern des Stadtrates und insbesondere unserer Fraktion“ lobt die SPD und möchte Jennicke gern die zweite Amtszeit gewährleisten, um die anstehenden Großprojekte und die damit verbundenen Vorstellungen Jennickes auch umzusetzen.
Während die SPD hier vor allem die „Investitionsvorhaben (Naturkundemuseum, VHS etc.) und die Weiterentwicklung der Kulturlandschaft (insbesondere mit Angeboten in allen Stadtteilen)“ als „prioritär“ ansieht, mahnen die vier Freibeuter Kosteneffizienz auch in der Zukunft an und hoffen, dass Kulturangebote in Leipzig sich neue Einnahmequellen erschließen, um „die Abhängigkeit von den städtischen Finanzen nach den jeweiligen Möglichkeiten zu verringern“.
Auch diese beiden Fraktionen betonen, dass die Erinnerungskultur an Nationalsozialismus und DDR-Unrecht weiterentwickelt werden muss und sie Jennicke auch dafür wiederwählen werden.
Unter dem Strich betrachtet, hat sich offenkundig eine Kulturbürgermeisterin in und für Leipzig gefunden, der in wenigen Stunden ein sehr gutes Wiederwahlergebnis bevorsteht. Vielleicht einfach, weil sie „derzeit die beste Kandidatin für den Bürgermeisterposten ist“, wie die Freibeuter betonen.
Nach der Wahl werden wir hier an dieser Stelle die Ergebnisse veröffentlichen. Doch schon vor der Wahl heute kann man auf die Frage „bleibt Skadi Jennicke Kulturbürgermeisterin?“ mit Ja plus Hausaufgaben antworten.
++Update 14:45 Uhr:++
Der Stadtrat tagt: Skadi Jennicke bleibt Kulturbürgermeisterin
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