Leipzig muss in diesem Jahr voraussichtlich für mehrere tausend Geflüchtete eine Unterkunft finden. Die Frage, wo und wie das passieren soll, sorgt seit Ende Januar für Diskussionen. Damals wurden Pläne für neue Unterkünfte in Stötteritz und Lindenthal bekannt. Auf Antrag der CDU-Fraktion diskutierte der Stadtrat am Mittwoch, dem 15. März, im Rahmen einer Aktuellen Stunde über die Herausforderungen für Leipzig.

CDU-Stadtrat Weickert begründete den Antrag für die Aktuelle Stunde auch mit wiederholten Anfragen von Bürger/-innen, die an seine Fraktion gerichtet seien. Mit Ausnahme der Linksfraktion, die sich mehrheitlich enthielt, stimmte der Stadtrat geschlossen für die Aktuelle Stunde.

Sozialbürgermeisterin Martina Münch (SPD) gab zunächst aktuelle Zahlen zu Protokoll: Insgesamt rechne Leipzig in diesem Jahr mit 3.300 Personen, die untergebracht werden müssen. Die Kapazitäten würden derzeit noch bis Ende April reichen. Bis Jahresende seien voraussichtlich 1.800 neue Plätze nötig.

Pflichtaufgabe statt Bürgerbeteiligung

Münch äußerte sich auch zu den anhaltenden Vorwürfen von Asyl-Gegner/-innen, die Stadt würde Bürger/-innen nicht beteiligen. Eine Beteiligung im klassischen Sinn gebe es nicht, weil die Unterbringung von Geflüchteten eine gesetzliche Pflichtaufgabe ist. Weil die Stadt gleichzeitig zahlreiche Standorte prüfe, sei es sinnvoll, erst dann zu informieren, wenn die Wahl für einen Standort getroffen wurde.

Weickert mahnte die Stadtverwaltung zu Ehrlichkeit und Transparenz. In den vergangenen 20 Jahren seien Probleme nicht genau benannt wurden; stattdessen habe es Phrasen gegeben. Damit bezog er sich offenbar vor allem auf Entscheidungen auf Bundesebene.

Auf diese zielte wohl auch seine Forderung, dass Geflüchtete das Land schneller verlassen müssten, wenn sie kein Asyl erhalten. Weickert thematisierte zudem Sorgen vor jungen Männern islamischen Glaubens.

Krefft und Morlok kritisieren Weickert

Für diese Äußerung wurde er später kritisiert. Sowohl Grünen-Stadträtin Katharina Krefft als auch Freibeuter Sven Morlok (FDP) verwiesen darauf, dass der Frauenanteil der in Leipzig lebenden Geflüchteten bei fast 50 Prozent liege und die Hauptherkunftsländer neben Syrien vor allem Venezuela, Georgien und die Ukraine gewesen seien – also eher keine Länder, in denen der Islam die dominierende Religion ist.

Während Morlok zudem kritisierte, dass die aktuelle Notlage an Unterbringungsmöglichkeiten auch daran liege, dass der Stadtrat in den vergangenen Jahren immer wieder Neubauprojekte wie beispielsweise am Bayerischen Bahnhof hinausgezögert habe, kritisierte Krefft die Kommunikationsstrategie von Sozialbürgermeisterin Münch. Diese müsse stärker auf die Zivilgesellschaft zugehen, um die aktuellen Herausforderungen gemeinsam zu meistern.

SPD-Stadtrat Christopher Zenker beklagte, dass Krefft mit ihrer Kritik an Münch den „Bogen überspannt“ habe. „Ich weiß, dass Sie ein Problem mit ihrer Wahl haben.“ Zenker bezog sich mit diesem Satz auf die Wahl Münchs zur Sozialbürgermeisterin vor einem halben Jahr. Diese scheiterte zunächst – unter anderem an den Stimmen der Grünen.

Linke gegen Zeltunterkünfte

Linken-Stadträtin Juliane Nagel äußerte sich grundsätzlich zufrieden mit der Arbeit der Stadtverwaltung. Diese stehe vor einer „Mammutaufgabe“ und Kritik würde ernst genommen. Zeltunterkünfte lehne die Linksfraktion ab, allerdings sei es momentan schwierig, kurzfristig Alternativen zu finden. Zudem forderte auch Nagel eine „starke, solidarische Zivilgesellschaft“. Die Proteste in manchen Stadtteilen erinnerten sie an die asylfeindlichen Proteste vor zehn Jahren.

Abschließend ergriff auch Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) das Wort. Dieses richtete er unter anderem an die Adresse des AfD-Stadtrates Siegbert Droese, der gefordert hatte, dass die Stadt keine weiteren Geflüchteten aufnahmen soll, weil „das Boot voll“ sei. Es gebe nicht nur die gesetzliche Pflicht zur Aufnahme, betonte Jung, sondern vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus auch eine historische.

„Überhaupt kein Verständnis“ habe Jung dafür, dass es in Lindenthal und Böhlitz-Ehrenberg große Aufregung wegen 30 bis 40 unterzubringenden Migrant/-innen gebe. Er zweifelte an, dass es bei dem Protest nur um die Art der Unterbringung geht – und stattdessen nicht eher um Fremdenfeindlichkeit an sich.

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