Das enge Zusammenleben in einer wachsenden Stadt wie Leipzig und der oft unreflektierte Konsum produzieren tagtäglich gewaltige Müllmengen, nur allzu oft landen auch haufenweise Wertstoffe im Abfall. Keine guten Aussichten für Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und Klimaschutz – Themen, die in unserer Zeit immer dringlicher auf der Agenda stehen. Am Donnerstag nun unterzeichnete die Stadt ihre offizielle Beitrittserklärung zum Zero-Waste-Europe-Netzwerk – und hat sich ambitionierte Ziele gesteckt.
Das Motto ist Programm: „Mein Leipzig schon’ ich mir! Ressourcen sparen, Zukunft wagen“ – unter diesem Slogan, angelehnt an einen populären, mitunter als Ironie interpretierten Spruch aus Goethes „Faust“, ist Leipzig nun offiziell Teil des Zero-Waste-Europe-Netzwerks und strebt den Status einer „Zero Waste City“ an.
Müllansammlung: Ein oft übersehenes Problem
Eine Beitrittserklärung wurde am Donnerstag im Neuen Rathaus vom aus Brüssel angereisten Jack McQuibban, dem Städte-Verantwortlichen des Netzwerks, und Leipzigs Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke) unterzeichnet. Rosenthal sprang dabei für Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) ein, der wegen eines Staus nicht rechtzeitig zum Termin kommen konnte.
„Zero Waste“ bedeutet dabei nicht „null Abfall“, wie gelegentlich gemunkelt wird, sondern vielmehr „kein Verlust“ oder „keine Verschwendung“. Denn gerade in wohlhabenden Ländern wie Deutschland mangelt es immer noch stark an Möglichkeiten, eigene Erzeugnisse in einen Wirtschaftskreislauf zurück zu überführen, der die Rückgewinnung und Wiederverwertung der Rohstoffe ermöglicht.
Der Druck auf die eigene Industrie, in Kreisläufen zu denken, ist äußerst gering und so landet selbst hochgiftiger Abfall nicht nur in Ländern des Globalen Südens, sondern auch auf hiesigen, illegalen Müllhalden. Der Staat pendelt meist irgendwo zwischen Machtlosigkeit und Überforderung – ein Problem, das der Autor und Investigativjournalist Michael Billig schon vor mehreren Jahren in einem brisanten Buch aufgeschrieben hat.
Leipzig muss nun liefern
Nun will man sich dagegen stemmen: Leipzig hat jetzt den Status einer „Candidate City“ im Netzwerk „Zero Waste Europe“, welches die schon 2014 aus einer Graswurzelbewegung entstandene Idee einer abfallfreien Gesellschaft aufgreift. Inzwischen wird die Initiative auch von der EU gefördert und ist mit vielen Gemeinden und Städten Europas vertreten.
Auf Grundlage eines mehrstufigen Prozesses muss Leipzig nun ordentlich liefern, um letztlich ein entsprechendes Zertifikat zu erhalten. Innerhalb der kommenden zwölf Jahre will die Messestadt den Restabfall um zehn Prozent senken, außerdem sollen das Niveau bei der Abfalltrennung erhalten, die Restabfälle des Gewerbes vermindert und ein lokales Recycling-Niveau von 90 Prozent erreicht werden.
Bei der Reduzierung von Abfall sollen Gewerbetreibende unterstützt werden, kündigte Elke Franz an, Kaufmännische Betriebsleiterin der Stadtreinigung. In puncto Aufkommen an Restmüll pro Kopf sei Leipzig bereits auf einem guten Weg. Und auch das Mülltrennungsverhalten sei insgesamt gut, ergänzte Thomas Kretzschmar, Erster Betriebsleiter der Stadtreinigung, am Donnerstag.
Jack McQuibban verwies ferner darauf, dass sich bereits etwa 500 Kommunen in Europa zu den Zielen der Zero-Waste-Initiative bekannt hätten. Diese passten auch gut zu einer jungen und aufstrebenden Stadt wie Leipzig, betonte der junge Mann, der im britischen Leicester studierte: „Dies ist der erste Schritt einer Reise für Leipzig in Richtung ‚Zero Waste‘, und hoffentlich werde ich in einigen Jahren zurückkehren und die beste Anwendung sehen“, meinte er.
Der Weg zum Ziel wird kein einfacher
Fest steht, dass es ungeachtet der hoffnungsvollen Absicht für Leipzig noch ein weiter Weg werden dürfte, sollte das große Ziel einer nachhaltigen Kreislaufökonomie jemals erreicht werden. Mit Stand 2021, als das Thema bereits im Stadtrat auf der Tagesordnung stand, wurden allein in Leipzig jährlich 80.000 Tonnen Restmüll eingesammelt, dazu bis zu 25.000 Tonnen Sperrmüll und 22.000 Tonnen an Leichtverpackung. Eine Zero-Waste-Konzeption für Leipzig beschloss die Politik dann im letzten Jahr.
Doch ohne die Einsparung von Ressourcen, mehr Nachhaltigkeit, Wiederverwendung und Reparatur, könnte das Ziel Leipzigs, in wenigen Jahren zur klimaneutralen Stadt zu werden, sich als Makulatur herausstellen. Immerhin scheint seit Donnerstag ein weiterer Schritt getan – nun darf man gespannt sein, wie es am Ende des Weges aussehen wird.
Es gibt 2 Kommentare
Hier kann ich nur christophmeissnersays: vollkommen zustimmen. Die Verwaltung setzt m.M.n. immer auf Aktionismus und nicht auf langfristige nachhaltige Lösungen. Siehe das Verhalten auf die Bemühungen zu +Urbanen Waldgärten+
Von der Wiege zur Wiege /cradle to cradle ist der Weg welcher umfänglich angestrebt werden muss. Schau hier: https://www.youtube.com/watch?v=g1tIGLy3PHw Was ist Cradle to Cradle
Kommt die Aussage, Zero Waste bedeute “Keine Verschwendung” und nicht “Kein Abfall” von Jack McQuibban oder von der Stadt?
Für mich heißt “Zero Waste” als Vision und Langzeitziel tatsächlich “Null Abfall” und so steht es zumindest auch in der Definition und Beschreibung im “Der Zero Waste
Masterplan” der Zero Waste Cities Organisation – um deren Zertifizierung sich hier beworben wird. (https://zerowastecities.eu/wp-content/uploads/2021/01/2020_12_10_zwe_zero_waste_cities_masterplan_gr.pdf, Seite 11):
“Während die Abfallwirtschaft Müll zu Ressourcen umwandelt, verhindert Zero Waste, dass Ressourcen überhaupt zu Abfall werden.
Bei Zero Waste geht es darum, Abfall – und damit verbundene Giftstoffe und Ineffizienzen – aus dem System herauszuhalten. In einem Zero Waste-System bleibt der Wert von Materialien und Produkten innerhalb der Gesellschaft, in der sie immer und immer wieder verwendet werden. Jede Technologie, die keine Materialrückgewinnung ermöglicht, wird als inakzeptabel erachtet und schrittweise eingestellt. In der Zwischen- zeit ist Recycling wichtig, um den Kreislauf zu schließen, aber es sollte eine Notlösung sein, da wir uns nicht allein durch Recycling aus einer verschwenderischen Gesellschaft befreien können.”
Wenn die Aussage es ginge um gar nicht um “Null Abfall” sondern nur um “Null Verschwendung” von der Stadt kommt, bevor überhaupt versucht wird, die Zertifizierung zu erlangen, dann würde ich die Ehrlichkeit des des Engagements sehr skeptisch betrachten, denn das ist problematisch. Diese semantische Umdeutung bedeutet nämlich eine Verschiebung der Ziellinie für ein gutes Pressefoto, ohne ernste Ambitionen und ein tatsächliches Problembewusstsein.
Wenn man nicht anstrebt Abfall komplett zu vermeiden, sondern behauptet Zero Waste bedeute lediglich “Keine Verschwendung”, dann ist das meiner Meinung nach das falsche Signal: es motiviert nämlich Hersteller und Produzenten, statt auf wieder- und weiterverwendbare Komponenten, auf nicht wiederverwendbare Komponenten zu setzen – diese sind dann nämlich unvermeidbarer Abfall und können nicht verschwendet werden, weil sie als nicht mehr nutzbar gelten. Per Definition ist nämlich Abfall ein unvermeidlicher Rest und Verschwendung eine Nichtweiter- oder Wiedernutzung von Ressourcen, die noch nutzbar wären – dabei entfällt die Einschätzung, ob etwas noch nutzbar ist in den allermeisten Fällen auf eine Wirtschftlichkeitsbetrachtung. Kurz gesagt, Produkte, die so designt sind, dass sie nicht recyclet werden “können” (weil es sich nicht lohnt), erzeugen Abfall und keine Verschwendung.