Noch bis zum 17. Februar können sich junge Menschen in Leipzig im Alter zwischen 14 und 21 Jahren als Kandidat/-innen für das Jugendparlament in Leipzigs Stadtrat aufstellen lassen. Das JuPa besteht inzwischen seit acht Jahren und ist ein wichtiger Bestandteil der Jugendbeteiligung in der Stadt. Wir haben mit Oskar Teufert (20), dem Sprecher des Jugendparlaments, und seinem Stellvertreter Leon Heinrich (20) über ihre Arbeit der letzten Jahre, den Stellenwert des JuPas und die Grenzen von Jugendbeteiligung gesprochen.
Gleich vorweg: Wer seine Stimme zur Wahl abgeben möchte, sollte unbedingt darauf achten, seinen oder ihren Brief mit der Wahlbenachrichtigung aufzuheben. Dieser ist für die Wahl essenziell.
Werdet ihr euch erneut zur Wahl für das Jugendparlament stellen und wenn ja, warum?
OT: Ja. Das Jugendparlament an sich ist eine der genialsten Erfindungen überhaupt. Jungen Menschen die Chance zu geben, wirklich mitzuentscheiden und mitzumachen, das stärkt das demokratische Bewusstsein. Das ist ein toller Effekt.
LH: Ja. Was ich so toll finde, ist, dass man seine Ideen wirklich umsetzen kann. Man kann Anträge stellen, sie ins Ratsverfahren geben und beobachten, was daraus wird. In den letzten zwei Jahren die Möglichkeit gehabt zu haben, selbst etwas zu bewegen, war toll.
Nehmen wir zum Beispiel die Kampagne gegen sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum: Ich saß mit einer Freundin in der Straßenbahn, wo die Coronamaßnahmen, die AHA-Regeln ausgehangen wurden. Als wir diese Anzeigetafeln sahen, haben wir darüber nachgedacht, warum es solche Hinweise nicht auch zum Thema sexuelle Belästigung gibt, die beispielsweise Opfern und/oder Zeugen Verhaltenshilfen geben. Daraus entstand die Kampagne, in der über das Thema aufgeklärt und auf Hilfsmöglichkeiten hingewiesen wird.
OT: Ich muss da an den Antrag zu den „Leipziger Meuten“ denken. Das ist ein Thema, das mich seit der siebenten Klasse begleitet hat. In einem Geschichtskurs waren die Leipziger Meuten als Widerstandsgruppe in Leipzig ein Thema.
Nun war ich einmal für dieses Thema sensibilisiert, ging durch die Straßen der Stadt und fand: Nichts. Keine Hinweise, nichts. Dabei war das eine spannende Gruppe: Jugendliche, die dezentral organisiert und unheimlich mutig gegen die NSDAP vorgingen. Vor zwei Jahren haben wir den Antrag eingebracht, jetzt beginnt die Umsetzung. Man sieht einfach den Effekt seiner Arbeit.
Warum ist das Jugendparlament wichtig?
OT: Es ist wichtig, dass junge Stimmen gehört werden. Es geht um eine gleichberechtigte Stadt. Das Jugendparlament ist eine greifbare Art und Weise, Politik zu machen und es bringt einem unheimlich viel bei. Selbst, wenn es nach zwei Jahren nur „Behördendeutsch“ ist. Nein, ernsthaft: Man lernt, auch Niederlagen einzustecken, man versteht viel darüber, wie Meinungen gebildet werden.
LH: Es braucht im Stadtrat auch Stimmen von denjenigen, die noch nicht wählen gehen können. Wir sind Ansprechpartner für Schüler, Studenten und Auszubildende und deren Schnittstelle zur Verwaltung. Uns ist aber auch bewusst, dass wir nicht alle Lebensrealitäten abbilden können. Wir haben durchaus alles im Blick, aber wir erkennen auch die Grenzen unserer Arbeit.
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Wie bewertet ihr die Zusammenarbeit mit Verwaltung und Stadtrat?
LH: Die Zusammenarbeit ist gut. Wir haben das Gefühl, ernst genommen zu werden. Der Stadtrat setzt sich ernsthaft mit unseren Anliegen auseinander. Natürlich kommt es auch mal zu Debatten, aber genau darum geht es ja.
OT: Wir sind auch interessiert daran, ein gutes Verhältnis zur Verwaltung zu pflegen. Trotzdem geraden wir auch aneinander. Zum Beispiel jetzt im Januar, als eine Schülerbefragung geplant worden war, die nicht die Frage nach den Auswirkungen von Corona auf die Jugendlichen mit einschloss.
Wie lange hat es gedauert, bis ihr einen Überblick hattet in der Ratsarbeit?
LH: Gleich zu Beginn der Wahlperiode hatten wir eine sehr informative Klausurtagung, bei der uns erklärt wurde, wie die Stadtverwaltung aufgebaut ist, wie Ratsarbeit funktioniert, das hat geholfen. Danach war es viel „learning by doing“. Wir haben so viel gelernt in den letzten zwei Jahren, das passiert, wenn man dabei ist und Interesse hat. Natürlich unterstützen wir uns auch gegenseitig. Es braucht keine Vorerfahrung, nach einem halben Jahr steckt man drin. Personen, die jetzt noch zögern, ob sie beim Jugendparlament mitwirken wollen, würde ich raten: Einfach machen!
Eine Wahlperiode des Jugendparlaments dauert zwei Jahre. Ist das ausreichend?
LH: Zwei Jahre sind in der Altersspanne von 14 bis 21 Jahren doch recht viel. Auch bei uns sind einige Personen vorzeitig ausgetreten, weil sie in eine andere Stadt gezogen sind zum Studieren. Deshalb denke ich, dass diese zwei Jahre als Zeitspanne gut gewählt sind.
Das Jugendparlament soll schließlich auch nicht „überaltert“ sein. Kandidiert man beispielsweise mit 21, wäre man nach einer Wahlperiode von, sagen wir, vier Jahren, schon 25. Das spiegelt nicht mehr das wider, was es soll.
Was müsste eurer Meinung nach verbessert werden für die Arbeit des Jugendparlaments?
OT: Zum einen die Sächsische Gemeindeordnung. Diese sollte Jugendparlamente nach dem baden-württembergischen Vorbild aufnehmen. Hier wird das Parlament rechtlich legitimiert über den Jugendbeirat. Das allerdings hält unsere Arbeit auf. Der Beirat tagt nicht in der gleichen Regelmäßigkeit wie das Jugendparlament, das bedeutet ein bis zwei Monate Verzögerung für unsere Anträge.
Außerdem arbeiten wir mit einem eigenen Budget von 5000 Euro im Jahr. Wir haben aber inzwischen so viele laufende Kosten, dass nicht viel übrigbleibt. Wir geben beispielsweise definitiv Geld aus für die Wahl: Plakate, Werbung etc.
LH: Ich denke, der größte Punkt, der noch nicht läuft, wie er laufen könnte oder sollte, ist die mangelnde Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, das sind weniger die Strukturen. Je höher die Beteiligung an der Wahl ist, desto glaubhafter kann das Jugendparlament auch Forderungen gegenüber dem Stadtrat geltend machen. Es ist wichtig, dass wir die Öffentlichkeit erreichen. Das ist in den letzten Jahren noch nicht ganz so gelaufen, wie es laufen sollte.
OT: Wir haben auf jeden Fall das Problem, dass das Jugendparlament noch nicht bekannt genug ist. Wir können neue Mitglieder auch tendenziell weniger damit anwerben, indem wir versuchen, ihnen das Antragsschreiben und die Fachausschüsse schmackhaft zu machen. Jugendparlament funktioniert praktisch: Ob es die Beethovenstraße ist, die inzwischen zur Fahrradstraße erklärt wurde oder Haltegriffe an Fahrradampeln oder Langgraswiesen. Das alles ist das Jugendparlament. Und das ist auch der Reiz für junge Menschen.
Klar, man muss sich schon die Frage stellen, wenn die Wahlbeteiligung dauerhaft unter zehn Prozent bleibt: Ist der Bedarf einfach nicht da? Und ist ein Jugendparlament legitimiert? Ich glaube aber schon, dass der Wunsch nach Beteiligung da ist.
Wie ist Leipzig eurer Meinung nach in puncto Jugendbeteiligung aufgestellt?
OT: Die institutionelle Beteiligung, also das Jugendparlament und der Stadtschüler/-innenrat, ist gut aufgestellt. Diese Instrumente funktionieren, sie sind anerkannt. Das Problem sehen wir bei der Basis der Jugendbeteiligung. Wir haben in diesem Jahr auch einen entsprechenden Antrag dazu gestellt: „Jugendpartizipation, Wege zur Beteiligung“. Die Beteiligungsformate der Stadt sollten für Jugendliche zugänglicher gemacht werden. Man sollte aktiv auf junge Menschen zugehen, die Formate sollten gerade in sozial schwächere Gebiete getragen werden. Es sollte interaktiv sein. Ein Thema ist natürlich auch die Kommunikationsstrategie über soziale Medien.
Wie ist es in eurem Umkreis, sind Jugendliche eher mehr oder weniger politisch interessiert heutzutage?
OT: Ich denke, spätestens seit 2018 ist unserer Generation nicht vorzuwerfen, dass sie nicht politisch interessiert und engagiert ist. Was meiner Meinung nach zu wenig differenziert wird, ist, dass es keinen direkten Zeitgeist gibt. Die Meinungen sind sehr divers.
LH: Natürlich, wir können das nur aus unserem jeweiligen Umfeld bewerten. Aber sicher ist: Die Jugend muss differenziert betrachtet werden. Es gibt natürlich auch viele junge Menschen, die noch „abgeholt“ werden müssen.
OT: Es ärgert uns schon manchmal, da so in eine Schublade gesteckt zu werden. Das diskreditiert unsere Arbeit. Dabei geben wir uns sehr viel Mühe, unsere Parteineutralität zu wahren. Neulich war das Jugendparlament Thema im Sächsischen Landtag. Die AfD-Fraktion brachte zum Thema Jugendbeteiligung als schlechtes Beispiel das JuPa als „linksradikale Vorfeldorganisation“ an. Ein paar Tage später schrieb uns ein interessierter Bürger und fragte konkret nach, ob das stimme.
Noch bewerben als Kandidat/-in
Noch bis zum 17. Februar, 12 Uhr, kann sich, wer möchte, als Kandidat/-in für das Jugendparlament bewerben. Die anschließende Wahl findet vom 27. März bis zum 3. April statt. Wahltag ist der 2. April. Alle weiteren Informationen zur Teilnahme sind hier gebündelt.
Der Beitrag entstand im Rahmen der Workshopreihe „Bürgerjournalismus als Sächsische Beteiligungsoption“ – gefördert durch die FRL Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen.
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