Exemplarisch kann man dieser Tage zugucken, wie rechtsradikale Gruppierungen wie die Freien Sachsen in trauter Gemeinsamkeit mit der hiesigen AfD einmal wieder die nötig gewordenen, neuen Flüchtlingsunterbringungen für ihre Stimmungsmache instrumentalisieren. Auch Leipzig muss zwei neue Flüchtlingsunterkünfte einrichten, in Stötteritz und Lindenthal. Doch warum es dazu eine Dringliche Anfrage brauchte, konnte AfD-Stadtrat Christian Kriegel am Mittwoch, dem 8. Februar, einfach nicht erklären.

Stattdessen warf er der Stadt ausgerechnet das vor, was diese gerade getan habe: fehlende Information der Bürger. Augenscheinlich eine Behauptung, die in der aufgeregten Klientel immer wieder funktioniert. Und natürlich im Zeitalter der a-sozialen Medien, deren Nutzer kaum noch merken, wenn sie in ihrer Blase unterwegs sind.

Selbst dann, wenn es in den beiden Ortsteilen öffentliche Sitzungen von Ortschaftsrat und Stadtbezirksbeirat gibt, auf denen genau zu diesem Thema informiert wird. In Stötteritz am 7. Februar. Die Sitzungen sind öffentlich. Doch bevor die öffentlich angekündigten Sitzung stattfand, machte auch die AfD in ihren Netzwerken mobil, und organisierte den Protest. Denn um Information geht es dieser Partei ganz sichtlich nicht.

Das wurde auch zu Beginn der Ratsversammlung am 8. Februar deutlich, als AfD-Stadtrat Christian Kriegel eigentlich begründen sollte, warum die von der AfD eingebrachte, Dringliche Anfrage überhaupt dringlich sein sollte, war doch in derselben Sitzung eine offizielle Information der Stadtverwaltung zur Flüchtlingsunterbringung geplant.

Doch Kriegel konnte die Dringlichkeit nicht mal am Zipfel packen, eierte herum und musste sich von Oberbürgermeister Burkhard Jung ermahnen lassen, bitte sehr zur Dringlichkeit zu sprechen.

Aber es kam einfach nichts.

Argumente gab es nicht

Da natürlich auch Gegenrede möglich ist, nutzte Grünen-Stadtrat Martin Meißner die Gelegenheit, ein wenig zu erzählen, wie das eigentlich am 7. Februar in der Sitzung des Stadtbezirksbeirats Leipzig-Südost abgelaufen ist. Denn tatsächlich waren ja etliche Bürger zum Termin gekommen und viele hatten natürlich Fragen zur geplanten Flüchtlingsunterbringung in der Kommandant-Prendel-Allee.

Aber die Redezeit nutzten vor allem die beiden AfD-Stadträte Marius Beyer und Christian Kriegel, welche die Sitzung als Podium für ihre Parteiansichten nutzten und damit anderen Bürgern die Gelegenheit nahmen, ihre Fragen zu stellen. Genau das warf Meißner der AfD vor.

Dass Kriegel nicht ein einziges Argument vorgebracht hatte, das die Dringlichkeit der AfD-Anfrage begründet hätte, musste er gar nicht weiter ausführen.

Natürlich musste die Ratsversammlung trotzdem abstimmen darüber, ob die Anfrage trotzdem wegen ihrer Dringlichkeit vorgezogen würde. Aber da zeigten dann auch einige Stadträte aus anderen Fraktionen, dass sie nicht wirklich verstehen wollen, welche Spiele die AfD hier spielt, um ihre verschrobene Sicht auf die Welt aufs Podium zu heben.

Jusos zählen Andreas Geisler an

Für einen gab das im Nachhinein noch Ärger: SPD-Stadtrat Andreas Geisler, der sich bei dieser Abstimmung enthielt, statt sich wie die anderen Mitglieder der SPD-Fraktion zu einem klaren „Nein“ durchzuringen.

Dieses Abstimmverhalten kritisieren nun die Jusos Leipzig.

„Wir sind bestürzt über das Abstimmverhalten von Andreas Geisler“, sagt Phelan Kokot, stellvertretender Vorsitzender der Jusos Leipzig. „Es ist nicht nachvollziehbar, wie man sich bei einer Abstimmung in dieser Frage enthalten kann. Von einem Stadtrat der SPD-Fraktion erwarten wir, dass er sich entschieden gegen die menschenverachtenden Einstellungen der AfD positioniert.”

Und Mats Rudolf, kooptiertes Mitglied des Vorstands der Jusos Leipzig, meint: „Die Jusos und auch die SPD engagieren sich jeher klar gegen Menschenfeindlichkeit und jeden Faschismus. Der Antrag der AfD im Stadtrat spielt mit Vorurteilen gegenüber Menschen mit Fluchterfahrungen, schürt Ängste und dämonisiert Menschen, die eigentlich unsere Solidarität und Unterstützung benötigen. Hier gilt es, klar Position zu beziehen.”

Rezept: Stimmungsmache

Für andere Stadträte gab es nach ihrem Stimmverhalten vielleicht nur fraktionsinterne Schelte. Aber es fiel doch auf, dass auch CDU-Stadtrat Claus Uwe Rothkegel mit „Ja“ votierte und CDU-Stadträtin Siegrun Seidel und ihr Fraktionskollege Andreas Schulz sich der Stimme enthielten, während 47 Ratsmitglieder deutlich gegen die Dringlichkeit der AfD-Anfrage stimmten.

Natürlich entscheiden Stadträte nach eigenem Gewissen. Und natürlich sorgen auch die neuen Unterbringungen für Flüchtlinge, welche die Stadt als Pflichtaufgabe schaffen muss, für Diskussionen gerade dort, wo sie entstehen. Aber darum ging es in dieser Abstimmung überhaupt nicht, sondern um einen Alarmismus, den die AfD selbst erzeugt hat – schon Tage vor dem Termin in Stötteritz, mit Aufrufen in den a-sozialen Netzwerken. Denn Stimmungsmache ist ihr Lieblingsrezept.

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