Stadtrat und Verwaltung diskutieren in diesen Tagen heftig und nervös über den neuen Doppelhaushalt für 2023 und 2024. Und dabei geht es auch um die Frage, ob die Stadt nun genug Personal hat, oder ob die Ratsfraktionen extra neue Stellen im Haushalt beschließen müssen, weil es in einigen Ämtern und Dezernaten klemmt. Um das zu können, forderte die Linksfraktion aber erst einmal ein paar Zahlen von Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning.
„Für die Mitglieder der Ratsversammlung ist nicht erst mit der Aufstellung des Haushaltsplanes die Entwicklung und fortdauernde Beobachtung der Stellen- und Besetzungsentwicklung als wichtigem Steuerungsinstrument von großer Bedeutung. Bislang liefern die Personal- und Personalentwicklungsberichte nur einen ausgewählten Überblick über die Personalentwicklung“, hatte die Linksfraktion festgestellt und sich dann wohl doch etwas anderes vorgestellt als Antwort.
Denn die Antwort war doch wieder sehr summarisch. Auch wenn sie zeigt, wie sehr sich die Stadt bemüht, alle geplanten Stellen auch zu besetzen und auch die Altersabgänge auszugleichen. Und dazu kommt: Mit der wachsenden Stadt und ihren Aufgaben wächst auch der Personalbedarf.
Die Antwort des Verwaltungsdezernats zur Soll-/Ist-Besetzung der Stellen in der Verwaltung.
Gewaltiger Nachholbedarf in zwei Dezernaten
Von 2020, als das Personal-Soll der Verwaltung bei 7.731,42 Stellen lag, wuchs dieses bis Juni 2022 auf 8.092,36 Stellen an. Darin steckt auch das unübersehbare Nachsteuern in Dezernaten, die immer wieder in der Kritik standen, weil sie mit ihren Aufgaben in Verzug waren – darunter das Dezernat für Stadtentwicklung und Bau, das auch nach Auskunft in der Ratsversammlung für viele zentrale Themen schlicht keine oder nicht genügend Planer hatte.
Hier musste also die durch Sparmaßnahmen bedingte Zurückhaltung bei der Stellenausschreibung dringend aufgegeben werden, sonst wäre die Stadt beim Straßen- und Brückenbau, bei der Verwaltungsunterbringung, bei Verwaltungs- und Sportbauten, aber auch beim Radwegenetz und der Barrierefreiheit im Fußverkehr immer mehr in Verzug geraten. Da helfen keine Klagen darüber, dass nichts passiert, wenn schlicht keine Fachleute die beschlossenen Pläne und Projekte auch zur Umsetzung bringen.
Das Dezernat meldete also aus ganz konkreten Gründen 90 neue Stellen an. Und zwar zusätzlich zu den 75 Stellen, die schon im Januar 2020 nicht besetzt waren. Denn natürlich geriet Leipzig mitten hinein in den zunehmenden Fachkräftemangel auf einem Arbeitsmarkt, in den seit zwölf Jahren nur noch halbierte Ausbildungsjahrgänge eintreten und wo alle Wirtschaftszweige mit allen Kräften um ihren Berufsnachwuchs kämpfen. Da sind auch Architekten und Planer gesucht und umworben.
Und dasselbe Phänomen zeigte sich im Dezernat für Umwelt, Klima, Ordnung, Sport, wo im Januar 2020 schon 104 Fachkräfte fehlten. In welchen Ämtern genau, erklärt die Vorlage aus dem Verwaltungsdezernat nicht. Was es den Fraktionen im Stadtrat natürlich schwer machen dürfte, die richtigen Anträge zu stellen. Sind das nun Leute, die im Ordnungsamt fehlen, in der Ausländerbehörde?
Oder im Amt für Stadtgrün und Gewässer, wo ja inzwischen das Auenentwicklungskonzept genauso Kräfte bindet wie der Strategiewechsel in Parks und Grünanlagen, aber auch das vom Stadtrat beauftrage Pflanzprogramm für Straßenbäume, welches das Amt auch 2022 nicht erfüllen konnte, wie der Ökolöwe vorrechnet. Im Juni 2022 waren noch immer 132 Stellen im Umweltdezernat nicht besetzt, obwohl das Soll der Planstellen inzwischen von 1.696 auf 1.771 angewachsen ist.
Zum Nachsteuern zu summarisch
Die Vorlage erklärt zwar sehr detailliert, wie man im Rathaus selbst ausbildet und den eigenen Nachwuchs an die Leipziger Verwaltung bindet.
Aber was genau an Qualifikationen in welchem Dezernat fehlt, ist aus der Vorlage nicht erkenntlich. Was es dann den Fraktionen sehr schwer machen dürfte, in den Haushaltsverhandlungen tatsächlich sinnvoll nachzusteuern. Denn es macht einen gewaltigen Unterschied, ob ein Amtsleiter den eigenen Personalbedarf nicht sieht und deshalb auch nicht anmeldet, oder ob die Stellen längst beschlossen sind, nur eben nicht besetzt werden konnten, weil es an Bewerbern fehlt.
Damit verglichen ist die Personalgewinnung in Dezernaten wie dem für Jugend, Schule und Demokratie und dem für Soziales, Gesundheit und Vielfalt sehr stabil. 96,1 Prozent aller Stellen sind nach Rechnung des Verwaltungsdezernats besetzt. Aber die Unterschiede zwischen den Dezernaten sind gravierend. Und gerade das Umweltdezernat mit einer Stellenbesetzungsquote von 92,5 Prozent und das Baudezernat mit 92,9 Prozent haben unübersehbar noch einen gewaltigen Nachholbedarf.
Zur falschen Zeit am Personal gespart
Es sind diese beiden Sorgendezernate, die letztlich auch unter den vielen zurückliegenden Einstellungsstopps leiden aus Jahren, als die Landesdirektion und die Verwaltung noch meinten, man bekomme durch eingespartes Personal tatsächlich einen stabilen Haushalt gebacken. Darin steckt das ganze kurzfristige Denken, unter dem die sächsische Kommunalpolitik bis heute leidet.
Getrieben von „Finanzfachleuten“, die über das Denken der „schwäbischen Hausfrau“ einfach nicht hinauskommen und nicht einmal verstehen, dass unterlassene Infrastrukturinvestitionen den Landeshaushalt in Zukunft viel teurer zu stehen kommen, als wenn man sie mit dem verfügbaren Geld zeitnah gebaut hätte.
Und Leipzig hätte ja seit Jahren schon gern mehr gebaut, musste aber Jahr um Jahr feststellen, dass viele Projekte auch deshalb nicht angepackt wurden, weil die Planer fehlten. Planer, die man einfach nicht eingestellt hatte, weil eine übergeordnete Behörde der Stadt einen gefährdeten Haushalt attestierte.
Ergebnis ist genau der Berg aus Haushaltsausgabenresten, über den Finanzbürgermeister Torsten Bonew jedes Jahr stöhnt. Und natürlich Pläne, die schlicht nicht erfüllt werden – sei es das Straßenbaumprogramm, sei es das Radverkehrsentwicklungskonzept, seien es die immer schneller veraltenden Prioritätenlisten für den Straßen- und Brückenbau. Und vom Trauerspiel der ÖPNV-Planung muss man da gar nicht erst reden.
Wenn die Fraktionssprecher fürs Finanzielle klug sind, lassen sie sich im Fachausschuss ämtergenau die tatsächlichen Bedarfe noch einmal geben, eine Übersicht der tatsächlichen Stellenausschreibungen und der Gründe, warum wichtige Planstellen nicht besetzt werden konnten. Dann kann man auch nachsteuern. Alles andere wäre ein Schießen ins Blaue.
Denn die Übersicht zeigt eben auch, dass der Personalbedarf der Leipziger Verwaltung in den zwei Jahren um 361 Stellen angewachsen ist, 403 Stellen aber auch besetzt werden konnten.
Die Lücke beim Personalbedarf ist also kleiner geworden. Das Bemühen um geeigneten Nachwuchs ist unübersehbar. Und eben auch der Erfolg einer Verwaltung, die in den letzten Jahren auch zunehmend verstanden hat, dass man nicht wirklich spart, wenn man an der falschen Stelle das Personal ausdünnt.
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