Wahrscheinlich ist auch die Leipziger AfD-Fraktion nicht so dumm, dass sie nicht weiß, wann Themen überhaupt nicht in eine kommunale Ratsversammlung gehören. Aber immer öfter missbraucht die blaue Fraktion in Leipzig die Ratsversammlungen als Bühne für ihre verbalen Inszenierungen, mit denen sie auch im Bundestag schon ihre politische Selbstdarstellung betreibt. Das war auch bei einem zweiten Antrag so, welcher in der Ratsversammlung am 18. Januar zur Abstimmung kam.

„Sanktionen gegen Russland beenden – Wohlstand der Leipziger erhalten!“, hatte die AfD-Fraktion diesen Antrag betitelt, in dem sie die „deutsche Blockade russischer Gasimporte über Nordstream“ anprangerte und dafür verantwortlich machte, dass die Energiepreise für Leipziger Haushalte steigen. Was schon damals nicht stimmte, als die AfD-Fraktion im Herbst ihren Antrag schrieb. Was aber in die Legende passt, mit der Parteien wie die AfD die deutsche Politik verantwortlich machen dafür, dass Russland einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine führt.

In wessen Interesse stellt eigentlich eine AfD-Fraktion den Antrag, die Sanktionen gegen Russland zu beenden? Tatsächlich im Interesse des eigenen Wohlstands?

Nur Wohlstands-Gejammer?

Dann wird es schäbig. Das stellte bei diesem Debattenpunkt am Mittwoch, dem 18. Januar, nicht nur CDU-Stadtrat Michael Weickert fest, sondern noch viel emotionaler Piraten-Stadträtin Ute Elisabeth Gabelmann, die beiläufig daran erinnerte, wohin die Appeasement-Politik 1938 geführt hat. Und warum Winston Churchill recht hatte, der wohl sinngemäß sagte, man müsste einem Schulhofschläger rechtzeitig eine aufs Maul geben, sonst hört der einfach nicht auf und tyrannisiert die Schwächeren immer weiter.

Da war nicht nur Michael Weickert verwundert, dass ein AfD-Mann wie Tobias Keller in der vorhergehenden Debatte ausgerechnet die Karte der „Schwerter zu Pflugscharen“-Bewegung in der DDR zog, die Anträge der AfD aber eindeutig im Fahrwasser eines ehemaligen KGB-Offiziers laufen. Das passt nicht zusammen.

Und in Beziehung zur Ukraine, die um ihr Überleben kämpft, bezeichnete Ute Elisabeth Gabelmann auch den Antrag zur Abschaffung der Sanktionen als feige. Erst recht, wenn man bedenke, dass diese Sanktionen wohl geholfen haben, dass die Ukraine den russischen Vormarsch überhaupt erst einmal stoppen konnte.

Man kann es auch so formulieren: Aus dem AfD-Antrag spricht reiner Wohlstands-Egoismus. Von Solidarität und Unterstützung für ein Volk, das um seine Freiheit kämpft, hält diese Partei sichtlich nichts.

Ein komplett rechtswidriger Antrag

Und dass der Antrag überhaupt nichts in einer Leipziger Ratsversammlung zu suchen hatte, hatte zuvor schon die Verwaltung deutlich formuliert: „Die Sanktionen sind eine notwendige und richtige Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Die aktuelle Belastungssituation der Bürgerinnen und Bürger Leipzigs basiert allerdings nicht auf den Sanktionen, sondern der künstlichen Verknappung der Gaslieferungen durch Russland. Es gibt keine Sanktion, welche die Gaslieferungen betrifft. Eine Inbetriebnahme von Nordstream 2 würde an dieser Verknappungswillkür Russlands nichts ändern und die Energiesituation in Leipzig nicht entspannen.“

Eine ehrlichere Fraktion hätte genau hier ihren Antrag zurückgezogen. Aber diese Feststellung hat AfD-Stadtrat Siegbert Droese schlicht ignoriert, als er am Rednerpult wieder die verdrehten Argumente aus der AfD-Welt vorbrachte.

Und den nächsten Passus ignorierte er ebenso, Zeichen genug dafür, dass es der rechtspopulistischen Fraktion nur um die Show ging und den Missbrauch der Ratsversammlung als Bühne für ihre Sprechblasen.

Die Verwaltung hatte eindeutig festgestellt: „Weiterhin ist der Beschlusspunkt 1 des Antrags rechtswidrig. Die Stadt Leipzig ist hier nicht zuständig, da auswärtige Politik ausschließlich Sache des Bundes ist (Art. 73 Abs.1 Nr. 1 GG). Die Stadt Leipzig hat kein allgemeinpolitisches Mandat. Sie ist ausschließlich für Aufgaben in ihrem Gebiet und solche, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind, zuständig (§ 2 Abs. 1 SächsGemO, Art. 84 Abs. 1 S. 1 SächsVerf, Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG).“

AfD erntete klaren Widerspruch

Dass Michael Weickert (CDU), Ute Elisabeth Gabelmann (Freibeuter) und Andrea Niermann (CDU) hier deutliche Gegenreden hielten, muss gewürdigt werden. Die verdrehten Argumentationen der AfD dürfen nicht unwidersprochen stehen bleiben.

Denn es ist absehbar, dass diese Partei immer öfter versuchen wird, mit fingierten und völlig fehlplatzierten Anträgen nicht nur die Ratsversammlung als Bühne zu missbrauchen, sondern auch genau jene Zeit stiehlt, um deren sinnvolle Nutzung die anderen Fraktionen die ganze Zeit ringen.

Logische Folge, dass nur die elf Mitglieder der AfD-Fraktion ihren völlig sinnfreien Antrag gut fanden und positiv votierten. Die Stadtratsmehrheit stimmte aus guten Gründen dagegen.

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